Projekt zum Expressionismus in Oldenburg Ob der Expressionismus tatsächlich der Auftakt zur Moderne ist, darüber lässt sich streiten. Das hängt vom Begriff der „Moderne“ ab und von der Tradition des jeweiligen europäischen Landes. In Oldenburg mag diese Definition zutreffen, da fernab der Zentren europäischen Kunstlebens nicht so sehr Symbolismus oder Abstraktion, nicht Jugendstil oder impressionistische Farbexperimente, sondern der Aufsehen erregende neue Stil der Malerei den Anstoß für den Schritt in die Moderne gegeben hat.
"Expressionismus - Auftakt zur Moderne", so heißt ein Kulturprojekt in Oldenburg. Bis 16. November wird mit drei Kunst- und Literatur-Ausstellungen, Theateraufführungen und Kinofilmen der deutsche Expressionismus in seinen Facetten gezeigt. Das Expressionismus-Projekt wird vom Oldenburger Kulturrat sowie der Kulturstiftung der Landessparkasse zu Oldenburg gefördert.
Anlass ist die Erinnerung an die erste große Brücke-Ausstellung in Oldenburg vor 100 Jahren. 1908 wurden im Augusteum Werke von Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel gezeigt. Es war die erste Einzelausstellung der beiden Maler. Sie hat für die Kunstentwicklung in der Region große Bedeutung gewonnen. Als faszinierend wurde damals die Großstadt empfunden, mit ihrem elektrischen Licht, ihrem hektischen Verkehr, dem betriebsamen Geschäftsleben, ihrer Liberalität und ihrem Nachtleben in Bars, Varietés und Cabarets. Daher steht die Großstadt im Mittelpunkt der Ausstellung im Horst-Janssen-Museum. Straßenszenen mit modisch gekleideten Kokotten von Ernst Ludwig Kirchner und Ladenpassagen von August Macke schildern die farbige, hedonistische Großstadt. Die wenigen Arbeiten von Erich Heckel zum Thema Großstadt befassen sich mit den unbekannteren Stadtansichten Dresdens und Berlins.
Auch die Großstadt als Moloch, wie sie in der zeitgleichen expressionistischen Lyrik beschrieben wird, nimmt in der Bildenden Kunst Gestalt an. Käthe Kollwitz thematisiert in kritischen Arbeiten die sozialen Bedingungen ihres Berliner Umfeldes. Die Vorahnung des Ersten Weltkrieges und die furchtbaren Opfer, die er fordern wird, sind Hauptthemen von Ludwig Meidner, Otto Dix und George Grosz. Die Isolation des Menschen und die grundsätzliche Tragik seines Daseins beschäftigt Max Beckmann. Es werden Zeichnungen und Druckgrafiken aus deutschen Museen und Privatsammlungen gezeigt, die im Zeitraum von 1905 bis 1925 entstanden sind. Dazu erscheint ein Katalog, in dem der Expressionismus als Gattung in der Bildenden Kunst, in der Literatur, im Theater, Tanz und im Kino beschrieben wird.
Das Landesmuseum im Augusteum zeigt „100 Jahre Expressionismus in Oldenburg“ Neben Heckel und Schmidt-Rottluff werden auch Max Pechstein, Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner und andere thematisiert. Fünfzig Gemälde, sechzig Aquarelle und rund hundert Zeichnungen geben einen Querschnitt durch ein aufregendes Kapitel deutscher Kunstgeschichte.
Die Landesbibliothek Oldenburg beteiligt sich an dem Projekt mit einer Ausstellung vom 9. Oktober bis 22. November. Sie thematisiert mit der expressionistischen Literatur in Berlin eine typische Metropolen-Kunst, entstanden in Caféhäusern, Kneipen und literarischen Zirkeln. Das Casablanca-Programmkino zeigt als Beispiel für den expressionistischen Film Friedrich Murnaus „Nosferatu“ (1921) am 26. September mit Live-Musik. Außerdem bringt es Filmporträts von Ernst Ludwig Kirchner und Paula Modersohn-Becker. Auch das Oldenburgische Staatstheater beteiligt sich. Es eröffnet zwar die Spielzeit mit Beethovens „Fidelio“, statt einen Blick auf das reichhaltige Opernschaffen der Jahre zwischen 1900 und 1930 zu werfen, widmet sich aber wenigstens im Schauspiel mit dem Projekt „Zerrissenes Herz“, entwickelt von K.D. Schmidt, dem tragisch umgekommenen Jung-Expressionisten Georg Heym. Premiere ist am 28. September in der Exerzierhalle.
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