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Silber im Dorotheum

Rundreise durch das silberne Europa



Caspar Beutmüller d.Ä.,  Doppelbecher, Nürnberg um 1590

Caspar Beutmüller d.Ä., Doppelbecher, Nürnberg um 1590

Das Dorotheum blitzt und funkelt wieder aus allen Knopflöchern bei seiner großen Silberauktion am 11. Mai in Wien. Wenngleich wichtige Werke bereits in der Antiquitätenauktion Anfang April auf dem Programm standen, bleibt für das Familientreffen der eigenen Gattung immer noch eine reiche Auswahl, die weit über vierhundert Losnummern füllt. Die frühesten Stücke reichen bis ins späte 16te Jahrhundert zurück – und machen auch gleich den Anfang. Caspar Beutmüller, der erste seines Namens einer Nürnberger Goldschmiededynastie, schuf um 1590 einen Doppelbecher mit kräftiger Buckelgliederung. Manche Details lassen noch die Nachwirkungen der Spätgotik spüren (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Rasch landet man in der bedeutenden Gold- und Silberschmiedemetropole Augsburg. Hier ist Gabriel Bessmann mit einem Deckelhumpen zu nennen, dessen Wandung mit getriebenen Bacchanalszenen geschmückt ist (Taxe 7.000 bis 10.000 EUR). Und verlässt sie ebenso rasch wieder, um über einen für medizinische Zwecke gedachten Bisamapfel süddeutscher Herkunft des 17ten Jahrhunderts (Taxe 14.000 bis 18.000 EUR) in südostmitteleuropäische Gefilde einzudringen.


Dort wartet unter anderem ein Siebenbürgener Barockpokal, dessen Meister zwar unbekannt ist, dessen Entstehungszeit allerdings durch die Datierung 1647 relativ eng eingegrenzt werden kann (Taxe 7.000 bis 10.000 EUR). Ferner ein ungarischer Humpen, dessen Deckel beidseitig mit den Darstellungen des Sündenfalls und der Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies verziert ist (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR). Bereits der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts entstammt ein Kokosnusspokal von hervorragender Qualität mit einer Waffentrophäe. Auch hier ist der Künstler unbekannt und nur ungenau dem ungarischen Raum zuzuschreiben. In Italien werden die Zuschreibungen anhand der Marken wieder leichter. Der Neapolitaner Antonio Avitabile kann als Schöpfer eines großen Barockkruzifixes von etwa 1695 in Anspruch genommen werden (Taxe 9.000 bis 12.000 EUR), und der Römer Filippo Pacetti schuf um 1820 eine große Öllampe, bei der sich ein knabenhafter Amor als Träger nützlich macht (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR).

Die lange Reihe prächtiger Kerzenleuchter eröffnet Johann Jacob Kirstein aus Straßburg mit einem klassizistischen Objekt in vergoldetem Silber aus dem Jahr 1784 (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Besonders vier Arbeiten des Londoner Meisters Edward Wakelins aus der Zeit um 1758/59 haben hier einen Anspruch auf Beachtung: Ihre ebenso einfache wie geniale Idee besteht darin, dass sie lediglich wohlproportionierte korinthische Säulen auf ihren mächtigen Sockeln erheben (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR). Paris hatte in der Napoleonischen Ära seine große Silberzeit. Ein Produkt ist Pierre Vallières ägyptisch anmutende Empirevase, die eine ganze Fülle von damals fremdartigen Motiven wie Masken, Widderköpfen und geflügelten Frauengestalten mit Delphinschwänzen in sich versammelt, ähnlich wie Marc Jacquarts prächtige Zuckerschale mit zwölf vergoldeten Silberlöffeln (Taxen je 4.000 bis 6.000 EUR). Auch Englands Silberarbeiten waren Anfang des 19ten Jahrhunderts auf der Höhe. John Bridge von der Firma Rundell & Bridge stellte 1828/29 eine stilistisch irgendwo zwischen Klassizismus und Biedermeier zu verortende Deckelvase her, die je nach Bedarf mit einer Wappengravur versehen werden konnte. Im vorliegenden Fall ist das Emblem noch nicht zugeordnet (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).

Eine erstaunliche Fülle hervorragender Arbeiten des 18ten Jahrhunderts stammt aus den russischen Weiten. Zu erwähnen sind ein behäbiger Deckelhumpen mit fein gravierten Blütenranken um 1775 (Taxe 18.000 bis 24.000 EUR), ein Ananaspokal aus dem Jahr 1744 von Michail Kluschin (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR), ein buckelbewehrter Deckelpokal mit einer plastischen Standfigur als Schaft von 1748 (Taxe 15.000 bis 18.000 EUR) und ein vergoldeter Moskauer Deckelbecher von Alexej Iwanow Ratkow mit Widmungsgravur aus dem Jahr 1790 (Taxe 14.000 bis 18.000 EUR). Oft sind nur die Beschauerzeichen zu identifizieren, so auch für eine Moskauer Schnupftabakdose, die die antikisierende Herrschergestalt des Zaren Peter des Großen auf dem Deckel präsentiert. Dieser stammt allerdings, wie der größte Teil des Übrigen, aus purpurnem Amethyst, lediglich die Montierung geschah in Gold (Taxe 7.000 bis 10.000 EUR).

Wo ein insgesamt rund 2,70 Meter langes Spiegeltableau in spätklassizistischen Formen des 19ten Jahrhunderts entstand, ist nicht zu ermitteln, mit 20.000 bis 25.000 Euro trägt es jedoch einen der höchsten Schätzpreise der Auktion. Zeitlich dürfte es in der Nähe einer um 1830 entstandenen, monumentalen Terrine der Berliner Firma Gebrüder Gerike mit drei plastischen Löwen und zwei Fabeltieren zu verorten sein (Taxe 18.000 bis 24.000 EUR). Jean-Baptiste-Claude Odiot schuf laut Meisterzeichen „Odiot à Paris“ ein Paar vergoldete Tafelaufsätze mit Gewürzschalen, die von antikisch gewandeten Frauengestalten gehalten werden (Taxe 15.000 bis 18.000 EUR). Allmählich nähert man sich der Epoche des Historismus, kommt an zwei sechsflammigen Kandelabern des Wiener Hoflieferanten Josef Carl Klinkosch in neoklassizistischem Stil vorbei (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR) und findet Zugang zum osmanischen Reich – in einer prächtigen Teegarnitur, die Georg Adam Scheid aus Wien um 1900 im Auftrag Kaiser Franz Josephs für einen „hohen osmanischen Würdenträger“ angefertigt haben soll (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Zweites Rokoko in prächtigster, verspieltester Ausführung zeigt E. & J. Barnards viktorianischer Prunkaufsatz mit Akanthusblättern, Weinlaub, Trauben und Putten (Taxe 18.000 bis 26.000 EUR).

Und bald ist auch wieder Russland in Sicht, diesmal mit St. Petersburg als Zentrum. Daher kommen die beiden teuersten Objekte der Auktion, ein Paar vierflammige Kandelaber der Firma Nicholls & Plincke aus dem Jahr 1856 (Taxe 30.000 bis 35.000 EUR), die zwei Jahre später auch einen prächtigen Heißwasserkessel mit Rechaud lieferten, dessen Rokokoornamentik sich mit reichem Blattdekor umgibt (Taxe 14.000 bis 18.000 EUR). Fabergé repräsentiert die sterbende Schönheit des ausgehenden Zarentums, 1892 brachte das St. Petersburger Hochglanzunternehmen ein kostbares Tischbarometer samt Thermometer heraus. Schöpfer der Arbeit war Anders Johan Nevalainen (Taxe 18.000 bis 28.000 EUR).

Die Auktion beginnt am 11. Mai um 16 Uhr. Die Besichtigung der Objekte ist am 2. Mai und dann vom 4. Mai bis zum Auktionsbeginn täglich von 10 bis 18 Uhr, samstags von 9 bis 17 Uhr und sonntags von 10 bis 17 Uhr möglich. Der Katalog ist im Internet unter www.dorotheum.com abrufbar.

Kontakt:

Dorotheum

Dorotheergasse 17

AT-1010 Wien

Telefon:+43 (01) 515 60 0

Telefax:+43 (01) 515 60 443

E-Mail: client.services@dorotheum.at

Startseite: www.dorotheum.com



29.04.2009

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Johannes Sander

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