 |  | Eingehüllter Container von Ehsan Fardjadniya von „De Service Garage + Parachutartists“, Amsterdam | |
Ein wenig erinnert das Ganze an eine Dorfkirmes oder an eines dieser typischen Stadtfeste mit Currywurstbude, Flammekuchenstand und cooler Cocktailbar. Das Kunstfestival „subvision. kunst. festival. off“, das Mittwochabend auf einem der begehrtesten Filetgrundstücke in der Hamburger HafenCity eröffnete, polarisierte bereits im Vorfeld die verschiedenen Lager innerhalb der Hamburger Kunstszene und darüber hinaus. Die Diskussion über die Vereinnahmung von Künstlern durch Investoren auf dem wertvollen Stadtentwicklungsgebiet wurde in einem stark genutzten Blog auf der Homepage von Subvision bereits im Vorfeld heftig angeheizt. Dennoch: Auf der gut besuchten Eröffnung wurde erst einmal gemeinsam gefeiert, aber auch weiter diskutiert und gestritten.
Wie präsentiert sich kritische Kunst in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem architektonischen Prestigeobjekt wie dem 55 Meter hohen Luxusapartment-Komplex „Marco-Polo-Tower“? Der russische Milliardär Roman Abramowitsch und die Klitschko-Brüder sollen hier bereits einige der teuersten Eigentumswohnungen Hamburgs für sich reserviert haben. Gleich nebenan ist der Nahrungsmittelmulti Unilever gerade dabei, seine neue Firmenzentrale zu beziehen. Die Initiative zu „subvision“ wurde an der Hamburger Hochschule für bildende Künste von deren Präsidenten Martin Köttering entwickelt. Die Idee war es, internationale unabhängige Künstlergruppen nach Hamburg einzuladen. Die selbst organisierten Künstlerinitiativen der Off-Szene definieren sich über ihre Unabhängigkeit vom kommerziellen Kunstbetrieb. 500 Gruppen wurden weltweit über Scouts kontaktiert, 32 davon schließlich nach Hamburg eingeladen. „Solche Künstlerinitiativen suchen außerhalb des Systems nach Wegen, in gesellschaftliche Räume hineinzuwirken“, betont Köttering.
Gerade in Hamburg gibt es zahlreiche Off-Ausstellungsräume. Deshalb wurde wohl auch hier die Idee geboren, internationalen Gruppen eine Plattform zu bieten. Eine bunte Architektur aus Überseecontainern überzieht das Festivalgelände. Der Grundriss, so Ausstellungskuratorin Brigitte Kölle, soll an Manhattan erinnern, die von verschiedenen Reedereien entliehenen Container natürlich – vielleicht etwas zu platt – die Nähe zum Hafen und die maritim geprägte Identität der Stadt Hamburg vermitteln.
Abgesehen davon, dass die Idee, Kunst in Containern zu präsentieren, nicht sonderlich neu ist – die Kunstmesse Art Basel Miami Beach praktiziert das seit Jahren – geht das Konzept nicht an allen Stellen auf. Teilweise werden hastig vor Ort produzierte Arbeiten allzu marktschreierisch zum Verkauf angeboten. Und omnipräsente Gastronomieangebote sorgen sicherlich für Belebung, ohne jedoch den Kern einer inhaltlichen oder politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu treffen.
Einige Künstlerinitiativen haben sich trotz heftiger Vorbehalte bewusst für eine Teilnahme entschieden. Ehsan Fardjadniya von den Amsterdamer Künstlergruppen „De Service Garage“ und „Parachutartists“ etwa beschreibt ihre Position folgendermaßen: „Wenn du Undergroundprojekte inmitten des Mainstream zeigst, wirst du Teil des Mainstream. Kunst wird hier zu Propagandazwecken benutzt. Wir sind das Off-Programm eines Off-Festivals.“ Die vier holländischen Künstler präsentieren gleich in der Eingangszone von Subvision zwei mit schwarzer Folie verhüllte Container, auf denen Fahnen und Schriftzüge mit kapitalismuskritischen Botschaften prangen. Ein anderer Container wird mittels einer Hydraulik in leichtes Schaukeln versetzt. Im leeren Inneren baumelt lediglich eine nackte Glühbirne. Ein wenig fühlt man sich wie ein blinder Passagier, der via Container versucht, in eine bessere Welt zu flüchten. Die vier Holländer, die eigentlich nicht viel von Hamburg wissen, erinnern sich noch gut daran, dass man in der Hansestadt bis vor drei Jahren Hunderte von Asylbewerbern in schwimmende Wohncontainer auf der berüchtigten „Bibi Altona“ an der Elbe gepfercht hat.
Der Begriff „Brachenbesiedler“ beschreibt den Ansatz der Künstlergruppe „The Detroit Tree of Heaven Woodshop“ und zwar sowohl in konkreter als auch metaphorischer Hinsicht. Bei ihren Recherchen in Detroit stießen sie auf den sogenannten Götterbaum, einen durchsetzungsfähigen Baum, der auf Industriebrachen wächst. Die Künstlergruppe erklärte diesen von vielen Schreinern ungeliebten Baum zu ihrer Ressource und ließ aus dem Holz schlichte Sitzbänke herstellen, die mittlerweile sogar von einigen Museen bestellt wurden. Als „Brachenbesiedler“ fühlen sich auch einige der „subvisions“-Künstler: „Wir sind der Kindergarten für die da drüben“, schmunzelt Gruppenmitglied Annette Weisser und zeigt auf die teuren Apartmentgebäude gegenüber. Demnächst soll auch auf dem Festivalgelände kräftig in schicke Wohngebäude mit unverbaubarem Wasserblick investiert werden.
Dennoch: Der Diskurs um die vielleicht etwas unglückliche Vermengung der Reizwörter „subversiv“, „off“, „Gentrifizierung“ und „Kunstfestival“ ist durch die Veranstaltung „subvision“ stark entfacht worden und wird sicherlich in den nächsten zwei Wochen auf vielen Diskussionsveranstaltungen weiter intensiviert. Immerhin drohte das Gesamtprojekt, das ursprünglich bereits vor einem Jahr stattfinden sollte, immer wieder zu scheitern. Die Organisatoren Martin Köttering und Brigitte Kölle haben es am Ende geschafft, alle Herausforderungen zu meistern und die teils heftigen Anfeindungen von verschiedenen Seiten zu überstehen. Jetzt wird man den Erfolg von Subvision sicherlich auch an den Besucherzahlen messen. Doch eines steht fest: Am Ende kommen die Bagger.
„subvision. kunst. festival. off.“ hat bis zum 6. September täglich von 14 bis 22 Uhr, freitags und samstags zusätzlich bis 24 Uhr am Strandkai in Hamburgs HafenCity geöffnet. Einzel- und Gruppenführungen finden täglich um 15 und um 18 Uhr statt. Der 192seitige Katalog ist im Material Verlag, Hamburg, erschienen und kostet 12 Euro.
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