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Marktberichte |
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Nicht gerade überzeugend schloss Neumeister seine „Ausgewählten Werke“ innerhalb der Jubiläumsauktion ab. Vor allem die Neueren Meister entwickelten sich zum Ladenhüter Das 19te Jahrhundert auf Talfahrt!
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| | Carl Spitzweg, Die Neue Zeit, um 1850/55 | |
Deutsche Malerei des 19ten Jahrhunderts scheint ihren jüngsten Zenit vorerst überschritten zu haben: Die Wellenbewegung geht wieder abwärts. Wenn schon Werke mit der Provenienz „Georg Schäfer, Schweinfurt“ nicht mehr gehen, ist die Lage ziemlich eindeutig. Regelrecht hereingefallen ist das Münchner Auktionshaus Neumeister jetzt mit einer ganzen Serie von Gemälden, die es schon im Februar 2005 im Rahmen der Sonderauktion „Bilder aus der Sammlung Georg Schäfer II“ zu guten Preisen versteigert hatte. Die inzwischen gewandelte Lage richtig einschätzend, hatte Neumeister den jetzt erneut eingelieferten Bestand in den Schätzpreisen deutlich, zum Teil bis auf die Hälfte, gesenkt – genutzt hat es nichts: Von den insgesamt 21 Gemälden der Künstler des 19ten Jahrhunderts, die Neumeister als „Ausgewählte Werke“ anlässlich des 350sten Auktionsjubiläum am 30. November aufrief, darunter auch solche mit anderer Herkunft, wurden ganze sechs während der Auktion zugeschlagen, im Nachverkauf kamen vorerst nur weitere zwei hinzu.
Beschaulich-biedermeierlich-spätromantische Landschafts- und Genreszenen, die noch vor fünf Jahren wie warme Semmeln weggingen, sind jetzt Ladenhüter: Heinrich Bürkels „Stier und Bauer“, welch Letzterer sich vor Ersterem auf einen Holzstoß geflüchtet hat, scheiterte an 20.000 Euro, vor fünf Jahren waren sie 28.000 Euro wert, Valentin Ruths’ „Ziegelhütten bei Olevano“, damals für 48.000 Euro versteigert, schafften jetzt nicht einmal 25.000 Euro, und Albert Zimmermanns großformatiger Blick auf Watzmann und Hochkalter rutschte von 18.000 Euro auf 8.000 Euro ab (Taxe 10.000 EUR). Unveräußert blieb neben Arbeiten von Raffaele Carelli, Alexander Koester, Franz Xaver Petter und Heinrich von Zügel auch das Hauptlos der Auktion, Carl Spitzwegs kleines Ölbild „Die Neue Zeit“ ohne Schäfer-Provenienz, aber mit einem alten Gnom im verschatteten Wald, der skeptisch auf einen in der Sonne fahrenden Zug blickt. Hier waren 125.000 Euro angesetzt.
Von drei charaktervollen Männerbildnissen Spitzwegs in Öl auf Papier pickten sich die Bieter einen bayerischen Invaliden zur Schätzung von 20.000 Euro heraus, im Nachverkauf zogen aber auch ein weiterer Altgedienter und der Gemeindevorsteher für 15.000 Euro und 15.500 Euro jeweils leicht unterhalb der Taxen ab. Mit 11.500 Euro lagen die Bäuerinnen in Tegernseer Tracht „Bei der Wäsche“ vor einem Haus im Gebirge aus dem Jahr 1821 von Lorenzo Quaglio d.J. 500 Euro unter den Erwartungen. Zu den wenigen erfreulichen Ergebnissen gehörten die 15.500 Euro, die Friedrich von Amerlings Brustbild „Rosa Dirsch“ in osmanischer Kleidung erzielte (Taxe 8.000 EUR), und die 23.000 Euro für Karl Altmanns gemütliche Bauernszene vor einem oberbayerischen Wirtshaus aus dem Jahr 1827 (Taxe 22.000 EUR). Und auch für die Katzenbilder von Julius Adam d.J. finden sich meist Liebhaber. So zog die Katzenmutter mit ihren sechs Jungen auf der Wiese erst bei 13.500 Euro von dannen (Taxe 9.000 EUR).
Schäfer-Provenienz hin oder her: Deutlich und über den Rahmen einer verschmerzbaren Schlappe für ein einzelnes Auktionshaus hinaus hat diese Versteigerung bestätigt, dass für die unspektakuläre deutsche Malerei des 19ten Jahrhunderts harte Zeiten angebrochen sind. Nach dem von großen Ausstellungen in München oder Berlin sowie der Eröffnung des inzwischen längst im Alltag knapper Museumsetats angekommenen Schweinfurter Schäfer-Museums im Jahr 2000 befeuerten Boom haben jetzt wieder andere Marktschwerpunkte das Ruder übernommen: Moderne und Zeitgenossen, auch die Alten Meister mit ihrer leichter berechenbaren Solidität. Von diesem Segment profitierte Neumeister sogar ganz erheblich: Eben nicht Spitzwegs Beschaulichkeit, sondern die Originalität des ansonsten ziemlich unbekannten Niederländers Petrus Staverenus mit seiner Personifikation der fünf Sinne in Form von fünf derben Portraits wurde zum Hauptlos der Auktion. Für den sensationellen Preis von 107.000 Euro eroberte es ein Saalbieter gegen hartnäckige Interessenten an den Telefonen (Taxe 8.000 EUR). Der Wert der reich Früchten bestückten mythologischen Szene „Jupiter nähert sich Callisto in Gestalt der Diana“ von Jan Pauwel Gillemans d.Ä. erhöhte sich leicht von 8.000 Euro auf 10.000 Euro, ebenso Christian Georg Schütz’ I. sanfte Waldlandschaft mit Ausblick auf ein Tal und einem Bauern samt zwei Maultieren am Bach von 8.500 Euro auf 9.500 Euro.
Trotz anders lautender Bekenntnisse lief Neumeisters abendliche Jubiläumsauktion ohnehin nicht so besonders. Mit 15 Zuschlägen bei 55 Angeboten, durch die Nachverkäufe auf 21 Zuschläge erhöht, war die Quote dieser Prestigeveranstaltung eher mager. Fast das gesamte Kunsthandwerk wurde fast vollständig zurückgewiesen, darunter eine Reihe von Meißner Porzellanfiguren nach Entwürfen Johann Joachim Kändlers und Johann Friedrich Eberleins für bis zu 45.000 Euro sowie die älteren deutschen Skulpturen, etwa eine fränkische Madonna um 1500 für geschätzte 35.000 Euro. Aus dem Barock wurde immerhin ein ausdrucksstarkes Kruzifix des Tiroler Meisters Andreas Thamasch um 1685 für die vorgesehenen 12.500 Euro übernommen. 3.000 Euro weniger als die veranschlagten 28.000 Euro spielte Giovanni della Robbias Terrakottatondo mit Imperatorenportraitbüste ein. Aus der Silberabteilung verabschiedete sich ein teilvergoldeter Deckelhumpen, den der Augsburger Heinrich Mannlich in den 1660er Jahren mit den Darstellungen der vier Jahreszeiten schmückte, bei 14.500 Euro (Taxe 15.000 EUR).
Mit gut 50 Prozent war die Abnahmequote während der umfangreichen Tagesauktion am 1. Dezember wesentlich dichter. Gelegentlich gab es auch ordentliche Steigerungen wie von 6.300 auf 12.500 Euro für das qualitätvolle mitteldeutsche Heiligenpaar von Barbara und Margaretha aus dem ausgehenden 15ten Jahrhundert. Beim Silber reüssierte eine teilvergoldete Fußschale des Augsburger Meisters Michael Heckel d.Ä. um 1689/92 bei 8.500 Euro (Taxe 6.000 EUR), bei den Fayencen ein Birnkrug mit Jagdmotiven aus der Salzburger Werkstatt von Thomas Obermillner bei 3.600 Euro (Taxe 1.000 EUR), beim Porzellan ein neoklassizistisches Tête-à-tête von Rudolf Diewock mit chinoiser Malerei aus der Porzellanmanufaktur Nymphenburg um 1921 bei taxgerechten 8.000 Euro, und bei den Möbel ein wohl Braunschweiger Sammlungsschrank aus der ersten Hälfte des 18ten Jahrhundert bei 7.500 Euro (Taxe 5.000 EUR).
In der Grafikabteilung setzten sich ein plastisches Landschaftsaquarell Edward Theodore Comptons mit Blick auf die Reichenspitzgruppe über dem Zillertal von 1896 für 6.800 Euro (Taxe 1.900 EUR) und zwei weiß gehöhte Tuschezeichnungen Eduard Thönys mit Karikaturen auf das Alltagsleben im Schützengraben während des Krieges und in einem italienischen Hafen für 11.000 Euro und 10.000 Euro an die Spitze (Taxen je 400 EUR). Bei den Alten Meister fanden zwei italienische Veduten aus Venedig und Rom großen Anklang, der sich in 34.000 Euro und 29.000 Euro niederschlug (Taxen je 4.000 EUR). Die Neueren Meister warteten wieder mit einigen Schäfer-Stücken auf, von denen Johann Fischbachs „Vorgebirgslandschaft mit Schlossruine“ aus dem Jahr 1854 für 11.000 Euro (Taxe 12.000 EUR) sowie eine abendliche Berglandschaft aus dem Umkreis Eduard Schleichs d.Ä. und Franz Xaver Simms galante Szene „In der Theaterloge“ für jeweils 12.000 Euro etwa im Rahmen der Schätzungen am besten abschlossen.
Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. | | Kontakt: Neumeister Münchener Kunstauktionshaus Barer Straße 37 DE-80799 München |
| Telefax:+49 (089) 23 17 10 55 | Telefon:+49 (089) 231 71 00 | | | E-Mail: auctions@neumeister.com |
22.12.2010 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Johannes Sander | |
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Andreas Thamasch,
Kruzifix, um 1685 | | Taxe: 12.500,- EURO Zuschlag: 12.500,- EURO Losnummer: 24 | | | | | |
Friedrich von
Amerling, Rosa
Dirsch | | Taxe: 8.000,- EURO Zuschlag: 15.500,- EURO Losnummer: 38 | | | | | |
Carl Spitzweg,
Bayerischer
Invalide | | Taxe: 20.000,- EURO Zuschlag: 20.000,- EURO Losnummer: 51 | | | | | |
Christian Georg
Schütz I, Bauer mit
zwei Maultieren am
Waldbach | | Taxe: 8.500,- EURO Zuschlag: 9.500,- EURO Losnummer: 32 | | | | | |
Petrus Staverenus,
Personifikation der
fünf Sinne | | Taxe: 8.000,- EURO Zuschlag: 107.000,- EURO Losnummer: 33 | | | | | |
Karl Altmann,
Oberbayerisches
Wirtshaus, 1827 | | Taxe: 22.000,- EURO Zuschlag: 23.000,- EURO Losnummer: 37 | | | | | |
Jan Pauwel Gillemans
d.Ä., Jupiter nähert
sich Callisto in
Gestalt der Diana | | Taxe: 8.000,- EURO Zuschlag: 10.000,- EURO Losnummer: 31 | | | | | |
Carl Spitzweg, Der
Gemeindevorsteher | | Taxe: 17.000,- EURO Zuschlag: 15.500,- EURO Losnummer: 53 | | | | | |
Albert Zimmermann,
Blick auf Watzmann
und Hochkalter | | Taxe: 10.000,- EURO Zuschlag: 8.000,- EURO Losnummer: 54 | | | | | |
Julius Adam d.J.,
Katzenmutter mit
ihren Jungen auf der
Wiese | | Taxe: 9.000,- EURO Zuschlag: 13.500,- EURO Losnummer: 36 | | | | | |
Giovanni della
Robbia, Giovanni
della Robbia
zugeschrieben,
Tondo mit
Imperatorenportrait,
Anfang 16.
Jahrhundert | | Taxe: 28.000,- EURO Zuschlag: 25.000,- EURO Losnummer: 22 | | | | | |
Lorenzo Quaglio
d.J., Bei der Wäsche,
1821 | | Taxe: 12.000,- EURO Zuschlag: 11.500,- EURO Losnummer: 48 | | | | | |
Johann Fischbach,
Vorgebirgslandschaft
mit Schlussruine,
1854 | | Taxe: 12.000,- EURO Zuschlag: 11.000,- EURO Losnummer: 854 | | |
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