Alle waren zur Eröffnung der „abc – art berlin contemporary“ in die großzügigen und sympathisch improvisiert wirkenden Hallen des jetzt unter „Station-Berlin“ firmierenden alten Ostberliner Postbahnhofs am Gleisdreieck gekommen: internationale Sammler, mächtige Museumsdirektoren, viele Künstler und andere Protagonisten aus dem Kunstbetrieb. Ein lässiges Barbecue am Eröffnungsabend machte das Kunstmeeting zum entspannten Treffpunkt der Szene. Als die Berliner Messegesellschaft im Mai ihren Rückzug aus dem Kunstmessegeschäft verkündete und die 1996 gegründete Kunstmesse Art Forum Berlin einstellte, war klar, dass nun die abc diese Lücke zum Auftakt des Kunstherbstes schließen musste. Gegründet vor vier Jahren von einigen mächtigen Berliner Galeristen als neues Format, ist die abc ein Zwitter zwischen kuratierter Ausstellung und Verkaufsschau. Ein externer Kurator schlägt in enger Abstimmung mit den Galeristen die Künstler vor. Pro Position zahlt jede Galerie vergleichsweise günstige 3.500 Euro.
Weg von den traditionellen Kojen: Allein die unkonventionelle Messearchitektur soll bei der abc ein Alleinstellungsmerkmal sein. Wie mäandrierende Bänder durchziehen gezackte Stellwände mit vielen Nischen und spitzen Winkeln die Hallen. Integrierte Bänke bieten Raum für Ruhepausen und Gespräche. 125 Galerien, davon die Hälfte aus dem Ausland und rund 50 aus Berlin, zeigen 130 Künstler. Das Motto der Schau lautet in diesem Jahr „About Painting“. Als Kuratorin konnte Rita Kersting, Ex-Direktorin des Düsseldorfer Kunstvereins, gewonnen werden. Sie fasst den Begriff der Malerei sehr weit: „Nicht als Gattung, sondern als Thema und Motivation, nicht als Ideologie, sondern als Möglichkeit.“
So verwundert es nicht, dass neben abstrakten und figurativen Tafelbildern auch viele installative Arbeiten, Skulpturen, Fotografien und Videos zu sehen sind. Fasst man den Begriff Malerei ganz weit, dann umfasst er auch zerstörte Wände. So hat der Mexikaner Pablo Rasgado bei der Galerie Arratia Beer aus Berlin klaffende Löcher in die Trockenbauwände geschnitten und eröffnet so den Blick hinter die Kulissen. Die Galerie T293 aus Neapel zeigt ein Video des US-Amerikaners John Henderson. Zu sehen ist der tänzelnde Künstler selbst, der mit einem Wischmop Farbe auf dem Atelierboden verteilt. So entsteht eine Art abstraktes Gemälde.
Die Galerie Eigen + Art präsentiert mit dem Leipziger Matthias Weischer einen klassischen Maler. Doch Weischer geht auf der abc ins Dreidimensionale und zeigt eine bühnenartige Installation aus einem bemaltem Paravent und weiteren Elementen. „Das ist ein eigenständiges Werk, das immer in meinem Atelier stand und als Ideengeber diente“, erläutert Weischer die 120.000 Euro teure Arbeit. Galerist Gerd Harry Lybke sieht das plötzliche Ende des Art Forums gelassen: „Es wird irgendwann wieder eine Berliner Messe geben, aber es ist nicht gesagt, dass sie sich aus dem Rahmen der abc entwickelt“. In Berlin gebe es jeden Tag neue Zuzügler, die Impulse und Ideen mitbrächten: „Und wenn die sagen, das ist jetzt die neue Messe, dann ist es die neue Messe.“
Wie auch immer, auf der abc wird qualitativ hochwertige Kunst gezeigt, nicht nur von entdeckenswerten Newcomern sondern auch von etablierten Künstlern wie John Armleder, Hans-Peter Feldmann, Per Kirkeby oder Marlene Dumas. Elizabeth Peytons Monotypien mit Wagner-Sujets bei Neugerriemschneider dürften zu den teuersten Arbeiten der abc gehören.
Die Galerie Zink aus Berlin präsentiert mit Rosilene Luduvico eine junge brasilianische Malerin, die im Urwald aufgewachsen ist und heute in Düsseldorf lebt. In ihren zart-transparenten Landschaftsbildern transportiert sie Gefühle von Einsamkeit und Melancholie. Klein- und großformatige Gemälde sind für 3.300 bis 28.000 Euro im Angebot. Die Galerie Kadel Willborn aus Karlsruhe zeigt neue Gemälde auf Seide der in Berlin lebenden Kanadierin Shannon Bool. Sie verfolgt, ganz im Sinne der abc, einen konzeptuellen Ansatz in ihrer Malerei, verbindet High und Low und greift beispielsweise Off-Theaterfiguren der 1980er Jahre auf. Die Gemälde kosten zwischen 7.000 und 8.400 Euro.
Malereien von einer Nicht-Malerin findet man dann am Stand von Barbara Wien. Die in Berlin lebende südkoreanerische Installationskünstlerin Haegue Yang zeigt gelbtonige Lackbilder, in die Sesamblätter und Gewürze eingearbeitet sind. Damit greift sie das Thema Küche auf, das vielen ihrer raumgreifenden Installationen zu Grunde liegt, und setzt es für Preise zwischen 7.500 und 15.000 Euro in formschöne Malerei um. Auch Barbara Wien trauert dem zuletzt sehr bieder und behäbig daherkommenden Art Forum Berlin nicht wirklich nach: „Man sollte die abc als Chance begreifen, um neue Formen zu entwickeln.“ Berlin bleibe nichts anderes übrig, als ständig etwas Neues hervorzubringen. „Für mich sind die alternativen Formen zu den klassischen Messen unglaublich wichtig. Und Berlin ist ja schließlich die Stadt, wo in jedem Bereich alternative Formen entwickelt werden.“
Die Messe „abc – art berlin contemporary“ läuft bis zum 11. September. Bis zum Samstag hat sie von 12 bis 21 Uhr, am Sonntag von 12 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 6 Euro, für Kinder unter 12 Jahren ist er frei. Der Katalog kostet 10 Euro.
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