Augsburg und Berlin erwerben den „Kleinen Klebeband“ | | Hans Holbein d.Ä., Bildnis der Nonne Veronika Vetter, um 1499 | |
Hinter den Namen „Kleiner Klebeband“ steckt mehr, als er zunächst vermuten lässt. Denn das einzigartige Konvolut aus über 120 Zeichnungen der Spätgotik und der Dürerzeit, eingefasst in einem unscheinbaren Einband, gilt als älteste in Deutschland erhaltene private Zeichnungssammlung. Unter Federführung der Kulturstiftung der Länder ist es nun gelungen, dieses einmalige Werk der deutschen Kunst- und Sammlungsgeschichte für das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin und den Kunstsammlungen und Museen Augsburg zu erwerben. Unterstützt wurden sie dabei von der Ernst von Siemens Kunststiftung, dem Freistaat Bayern, der Kulturstiftung der Länder und der Rudolf-August Oetker Stiftung.
Gesammelt wurden die Blätter innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes von etwa 20 Jahren ab 1650 von dem kurbayerischen Statthalter der Oberpfalz, dem Erbtruchsess Maximilian Willibald von Waldburg-Wolfegg. Das Konvolut blieb seitdem fast unverändert. Es enthält eine seltene Gruppe von deutschen Blättern des 15ten Jahrhunderts sowie von Meister- und Werkstattzeichnungen aus dem frühen und mittleren 16ten Jahrhundert, die – auch hierin einzigartig – zu repräsentativen Untersuchungen der Atelierpraxis von Künstlern dieser Epoche einladen. Den herausragenden Kern des Bandes bilden wertvolle Zeichnungen Hans Holbeins d.Ä. und von Mitgliedern seines Augsburger Ateliers. Spitzenstück ist hierbei sein um 1499 entstandenes Silberstiftporträt einer Nonne. Mit der darum gruppierten umfangreichen Werkfolge von Bildnis-, Typen- und Figurenstudien aus dem Holbein-Atelier bietet der Klebeband Einblicke in die Künstlerateliers dieser Epoche. Ein weiterer Höhepunkt des Bandes ist ein anonymes, um 1475 im bayerisch-tirolischen oder schwäbischen Gebiet entstandenes Porträt eines jungen Mannes, das der Münchner Kunstprofessor und Kenner Peter Halm bereits im 19ten Jahrhundert als die „vollendetste deutsche Bildniszeichnung vor Dürer“ gewürdigt hat.
Wegen seiner besonderen Stellung in der Überlieferungsgeschichte deutscher Malerei und Zeichenkunst wurde die Wolfegger Zimelie bereits früh in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingetragen. Der kooperative Ankauf wurde zwischen den beiden Museen aufgeteilt, da sich Augsburg bezüglich des Entstehungsraumes und Berlin bezüglich des Sammlungskontextes für die Zeichnungssammlung auszeichnen. Die gemeinsamen Nutzungsmodalitäten sehen vor, dass der „Kleine Klebeband“ als unzertrennliches Konvolut erhalten bleibt und gemäß der aufgewendeten Mittel dauerhaft vom Berliner Kupferstichkabinett bewahrt und gepflegt wird. Er wird gemeinsam mit den Kunstsammlungen und Museen Augsburg erforscht und ausgestellt, wie auch alle weiteren Rechte und Pflichten an diesem öffentlichen Kulturgut kooperativ ausgeübt werden. Noch im Laufe dieses Jahres ist eine erste Präsentation in Augsburg geplant. |