Das Pfeffer, das der Moderne-Auktion im Wiener Dorotheum am 23. November ein wenig fehlte, hatten die Zeitgenossen am 24. November umso mehr: Besonders bei den ersten dreißig Losnummern hagelte es hohe Zuschlagspreise, kaum ein Angebot wurde ausgeschlagen, kaum ein Schätzpreis unterschritten. Insgesamt war die losbezogene Zuschlagsquote mit 53 Prozent nur leicht, das Gesamtergebnis von brutto 4,26 Millionen Euro dafür aber erheblich höher als bei den Modernen einen Tag zuvor. Besondere Aufmerksamkeit zog schon das erste Los auf sich: Ilya Kabakovs retrospektives Gruppenbildnis sozialistischer Intellektueller „Bei der Universität 1972“ aus dem Jahr 2002. Auf dem deutschsprachigen Kunstmarkt kommt der russische Konzeptkünstler nur sehr selten vor, zumal mit rein malerischen Arbeiten wie der vorliegenden Zweieinhalb-Meter-Leinwand, die trotz ihrer kurzen Lebenszeit schon auf zwei renommierte Ausstellungspräsenzen in Cleveland und Moskau zurückblicken kann. Mit 600.000 bis 800.000 Euro hatte das Dorotheum ganz richtig kalkuliert: Für 650.000 Euro wanderte das Gemälde in eine deutsche Privatsammlung.
Besonders reich war die Gegenwartskunstauktion an italienischen Arbeiten, und im Gegensatz zu den Modernen reüssierten sie hier ziemlich erfolgreich. Jeweils 240.000 Euro schafften Enrico Castellanis Strukturbild „Superficie bianca“ aus dem Jahr 1969 (Taxe 180.000 bis 240.000 EUR) und eine mehr als dreieinhalb Meter breite Tafel Jannis Kounellis’ mit in Bleikapseln konservierter Kohle aus dem Jahr 1989. Die zuletzt 2007 im italienischen Außenministerium in Rom ausgestellte Arbeit war auf 140.000 bis 180.000 Euro geschätzt worden. Sogar 380.000 Euro brachte Emilio Vedovas wilde, informelle Komposition „Ciclo 61N.8“ auf die Waage (Taxe 280.000 bis 380.000 EUR). Ein zweiteiliges „Concetto spaziale“ Lucio Fontanas aus zwei geschnittenen und durchlöcherten Messingeiern wurde trotz einer Auflagenzahl von insgesamt fünfhundert Stück zudem bei 60.000 Euro gehandelt (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Immerhin 55.000 Euro und 65.000 Euro, wenn auch jeweils 5.000 Euro unterhalb der Schätzung, gab es für zwei ebenfalls strukturierte monochrome Reliefleinwände Agostino Bonalumis in „Nero“ und „Bianco“ von 1973.
Erst im weiteren Verlauf beruhigte sich die Situation allmählich wieder, als zwei große informelle Leinwände Georges Mathieus für bis zu 180.000 Euro und zwei weitere Strukturbilder Bonalumis in Rot von 1962 und Schwarz von 1982 zwischen 60.000 und 120.000 Euro liegenblieben. Kein Glück hatten auch die bunten Streifenbilder Piero Dorazios: Weder sein „Hard line – Linea dura“ von 1984 (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR) noch sein gleichzeitiges „Long distance II“ für 100.000 bis 150.000 Euro fanden einen Abnehmer. Zu guten Preisen traten die Italiener dann noch mit Bruno Munaris der Konkreten Kunst verpflichtetem Gemälde „Negativo positivo“ von 1985 bei 5.500 Euro (Taxe 4.000 bis 5.000 EUR), Alighiero Boettis Stickbild „Le infinite possibilità di esistere“ von 1989 bei 30.000 Euro (Taxe 22.000 bis 26.000 EUR), Pinot Gallizios gestischen Farbstrukturen auf einer quadratischen Leinwand von 1959 und Antonio Corporas wabernder violetter Farblandschaft „L’ avvenimento“ von 1958 bei jeweils 26.000 Euro auf (Taxen je 25.000 bis 35.000 EUR). Im Rahmen der unteren Schätzwerte gelangten dann noch Massimo Vitalis anämische Strandszene „Animaletti“ von 2004 bei 20.000 Euro, Turi Simetis runde, grüne Reliefleinwand „Quindici ovali verdi“ von 1966 bei 10.000 Euro sowie Arnaldo Pomodoros bronzenes Relief „Sole, bassorilievo“ mit Kugel- und Pfeilstrukturen von 1991 bei 8.000 Euro ans Ziel.
Die österreichische Kunst war, was nicht sehr häufig vorkommt, mit einem abstrakten Werk Max Weilers aus dem Jahr 1961 am prominentesten vertreten: Das Großformat „Throne“ mit schweren Farbinseln aus den Zyklus „Als alle Dinge…“ traf mit 105.000 Euro ungefähr die Mitte der Schätzung. Damit ist man dem Konkurrenten im Kinsky ein wenig nähergerückt, der bislang noch alle Höchstpreise für Weiler aufgestellt hat. An zweiter Stelle landete Arnulf Rainers bunt verschmiertes „Rheinkreuz“ aus dem Jahr 1990 für 90.000 Euro (Taxe 90.000 bis 130.000 EUR). Ebenfalls seine untere Schätzung von 50.000 Euro schaffte ein kraftvoll auf die Leinwand gestrichenes Duo aus Pfeifenraucher und barbusiger Ziegenfrau, das Otto Muehl 1984 miteinander Karten spielen lässt. Schon an 40.000 Euro blieb dagegen Alfred Hrdlickas „Liegender Torso (Samson)“ von 1960/61 hängen. Der mit 60.000 bis 90.000 Euro zumindest möglich erschienene Auktionsrekord wurde damit verfehlt. Taxgerecht zu 26.000 Euro wurde dann Hrdlickas zeichnerisches Ölgemälde „Der Anschluss“ aus dem Wendejahr 1989 übernommen.
Eine gewisse Überraschung waren die 50.000 Euro Xenia Hausners „Studie II“ zweier Frauen zu dem Gemälde „Alles Walzer“ von 1997; auch dies nun ein Einbruch in eine bisherige Kinsky-Domäne in Österreich (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Auch Markus Prachenskys farbiges, spritziges Balkenbündel „Etruria X“ von 1980 verbesserte sich deutlich auf 32.000 Euro (Taxe 18.000 bis 25.000 EUR), während Hermann Nitsch mit 34.000 Euro für sein dunkelviolettes, breites Schüttbild von 1990 und Herbert Brandl mit 32.000 Euro für eine abstrakte Landschaftserinnerung von 1985 ihr jeweiliges Soll gut erfüllten (Taxen zwischen 28.000 und 38.000 EUR). Das reiche österreichische Angebot hielt noch Franz Grabmayrs Rückenansicht einer nackten Tänzerin von 1971 für 20.000 Euro zur unteren Schätzung, Peter Koglers grafisches Vexierbild „La Baby“ zur oberen von 9.000 Euro, Walter Obholzers Dingwelt eines Gartenschlauchs unter dem Titel „Big Dumpling Nr. 2“ von 1996 bei 11.000 Euro (Taxe 10.000 bis 14.000 EUR) oder Jürgen Messensees schrille „Cathy“ von 1978 bei 22.000 Euro bereit (Taxe 15.000 bis 25.000 EUR). Ein letzter Ausbruch nach oben war Kiki Kogelniks farbig bestreiftem Glaskopf „Multi Stripe Head“ von 1995 bei 20.000 Euro vergönnt (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR).
Eher verhalten wurde die deutsche Offerte aufgenommen. Sowohl Anselm Kiefers überarbeitete Fotografie „Solveigs Grab“ für 90.000 bis 140.000 Euro als auch Günther Ueckers genagelte und mit Asche geschwärzte „Poesie der Destruktion“ von 1984 für 70.000 bis 100.000 Euro blieben unveräußert. So setzte sich unvermutet der jüngere Daniel Richter mit seiner traumhaften Parkvision „We’ll never stop living this way“ von 2009 bei 55.000 Euro an die Spitze, allerdings auch 5.000 Euro unterhalb der Erwartungen. Nur 32.000 Euro gab es für ein unbetiteltes Bild Jonas Burgerts von 2007, auf dem eine kahlrasierte Gestalt wie ein Häftling in einer Ecke kauert. Aber immerhin: Burgert ist auf dem Auktionsmarkt bisher nur selten präsent. Im März letzten Jahres schaffte sein weitaus größeres und motivreicheres Gemälde „Nachttrick“ auf einer Benefizauktion bei Lempertz aus dem Stand 54.000 Euro. Insofern ist der jetzt erzielte Zuschlag durchaus als Erfolg zu werten, auch wenn 40.000 bis 60.000 Euro auf dem Etikett gestanden hatten.
Von jenseits des Teiches, aus der Sammlung des Autohändlers Cal Worthington kam Robert Indianas Stück der Berliner Mauer mit den Schriftzügen „Love/Wall“ aus dem Jahr 1991. Hier wurde die obere Grenze von 90.000 bis 120.000 Euro tangiert. Im Jahr 1969, noch vor seiner Übersiedlung ins deutsche Rheinland, entstand Marcel Broodthaers’ konzeptuelle Ausstellungstafel „Musée d’Art Moderne, Section XIXe Siècle“ in biederen Grafikformen des bezeichneten Jahrhunderts. Das aus einer belgischen Privatsammlung eingelieferte Acrylbild machte jetzt bei 36.000 Euro auf den 1976 relativ jung verstorbenen Künstler aufmerksam (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Für das wieder erstarkte Interesse an der Op-Art standen Julio Le Parcs scheinbar aus der Bildfläche heraustretende Streifen in „Modulation RV n. 172“ von 1975 bei taxgerechten 7.000 Euro und Jesús Rafael Sotos flirrendes Multiple „Escritura“ von 1978 bei 15.000 Euro (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Ein suggestiv anmutendes Netz schwarzer Linien auf smaragdgrünem Grund Hans Hartungs, entstanden 1989 rund einen Monat vor dem Tod des Meisters, kam auf 40.000 Euro (Taxe 40.000 bis 50.000 EUR) und Paul Jenkins’ bezwingende Farbspielerei „Phenomena at the stroke twelve“ von 1988 auf 17.000 Euro (Taxe 16.000 bis 22.000 EUR).
Alle Preise verstehen sich als Zuschläge ohne das Aufgeld. |