| | Lucas Cranach d.Ä., Die Feilitzsch-Altartafel, um 1511 | |
In ein leuchtend rotes Gewand und eine weiße Haube gekleidet, hält die heilige Anna das Jesuskind im Arm. Der Knabe greift mit gespitzten Fingern nach den Trauben, die ihm seine Mutter reicht. Maria ist ungewöhnlicherweise nicht in Himmelblau, sondern in dunklem Grün gekleidet und trägt ihr langes Haar wallend über den Schultern. Die Dreieckskomposition spielt nicht nur auf die Dreieinigkeit an, sondern verweist auch auf die familiäre Abstammung und Zusammengehörigkeit der drei Figuren. Warum das Thema der Anna Selbdritt auf der Mitteltafel des mehrteiligen Altarbildes zu finden ist, könnte an der engen Verbundenheit des Stifters mit dieser Heiligen liegen. Denn zusammen mit Friedrich dem Weisen hatte Jobst von Feilitzsch eine Reliquie der Großmutter Gottes aus dem Heiligen Land mitgebracht. Sein Sohn Urban Caspar von Feilitzsch gab dann die Tafeln 1511 für die Salvatorkirche in Kürbitz 50 Meilen von Wittenberg entfernt an Lucas Cranach d.Ä. in Auftrag. Da der Originalrahmen nicht mehr existiert, könnten die Bilder als Triptychon oder als fünfteiliges Schaubild angeordnet gewesen sein. Den Vater des Stifters malte Cranach als Halbfigur auf die linke Tafel zusammen mit dem heiligen Petrus. Zur rechten Seite der heiligen Anna stellt er den zweiten Schutzheiligen der Kirche, den heiligen Paulus mit Schwert, auf den anderen beiden Tafeln befinden sich Johannes der Evangelist mit Kelch und die heilige Katharina von Alexandria mit Rad und Schwert.
Das Werk ist das letzte funktionstüchtige mehrteilige Altarbild Cranachs, das sich noch in Privatbesitz befindet. Deswegen kann Sotheby’s es jetzt auch bei seiner Abendauktion „Old Master & British Paintings“ in London mit nicht geringer Schätzung anbieten. Am 4. Juli soll das exzeptionelle Stück 4 bis 6 Millionen Pfund einbringen. Zu diesen hohen Erwartungen trägt die gute Provenienz bei, denn bis zum Zweiten Weltkrieg verblieb es in der Privatsammlung der Familie von Feilitzsch, bis es der deutsche Kunsthändler Heinz Kisters 1947 kaufte. Dieser vermittelte das Stück an den Kanzler Konrad Adenauer, kaufte dann aber nach dessen Tod einen Großteil der Sammlung wieder zurück.
Im Vergleich zu Christie’s fällt Sotheby’s mit seinem Angebot etwas ab. Der Erzrivale hat bei der Abendauktion 20 Lose mehr zu bieten, und 19 Bilder werden über die Grenze von 1 Million Pfund geschätzt, was nicht zuletzt an einigen renommierten Sammlungen liegt. Bei Sotheby’s liegen von den 44 offerierten Losen nur neun Bilder über der Millionenmarke. Das älteste Werk datiert um das Jahr 1320 und stammt aus der Werkstatt des Florentiner Malers Giotto di Bondone. Indizien dafür sind Parallelen zwischen der Gestaltung des Christus am Kreuz mit geneigtem Kopf und gebeugten Knien bei der hier offerierten „Kreuzigung Christi zwischen der trauernden Maria und Johannes“ zu dem Kruzifix in der Florentiner Kirche Santa Maria Novella oder in der Scrovegnikapelle in Padua.Die Nähe zu dem Malstil des Meisters und der gute Erhaltungszustand veranlassen Sotheby’s zu einer Schätzung von 400.000 bis 600.000 Pfund.
Weiter geht es dann mit dem 16ten Jahrhundert und der „Jungfrau als Himmelskönigin, das Christuskind stillend“ von Hans Baldung Grien. Die Forscher datieren das Bild in die Jahre zwischen 1515 und 1518, also an das Ende seiner Zeit in Freiburg. Einzugrenzen könnte die Datierung auf Grund der Lilien an der großen Krone der Mutter Gottes sein, denn Baldung Grien könnte diese Inspiration kurz nach seiner Rückkehr nach Straßburg 1517/18 bekommen haben. Diese Maria Lactans ist die erste von sieben Madonnendarstellungen als Halbfigur, allerdings die einzige, die in Privatbesitz verblieb (Taxe 1 bis 1,5 Millionen GBP). William Scrots fertigte 1550 als Hofmaler König Heinrichs VIII dessen Sohn, den späteren König Edward VI, als stehende Ganzfigur. Inspiriert von diesem berühmten Bild hat ein Maler aus Scrots’ Umkreis den Herrscher als Dreiviertelportrait in prunkvollem Hermelinkragen, Juwelenkette mit Georgsorden und mit Bibel in den Händen als Verteidiger und Oberhaupt der Kirche dargestellt. Die prächtigen Details und das unschuldige Gesicht des gerade einmal zwölf Jahre alten Königs sollen mit 500.000 bis 700.000 Pfund entlohnt werden.
Jede Menge zu entdecken gibt es bei dem „Kampf zwischen Karneval und Fastenzeit“ von Pieter Breughel d.J. Die eifrige Katalogabteilung von Sotheby’s kommt auf 41 verschiedene Szenen, die sich zwischen den Dorfbewohnern auf dem Platz vor einer Kirche abspielen. Da verteilen Gläubige Almosen an Bedürftige, eine Frau verkauft Votivobjekte, Kinder spielen mit dem Kreisel, eine Schauspieltruppe führt ein Karnevalsstück auf und im Vordergrund symbolisieren ein wohlgenährter Mann auf einem Weinfass den Karneval und ein dürrer alter Mann als Frau verkleidet die Fastenzeit mit Entbehrungen und Hunger. Die Idee zu diesem Kontrast zwischen Völlerei und Enthaltsamkeit, den Fleißigen und den Faulen, den Demütigen und den Hochnäsigen stammt von Pieter Bruegel d.Ä.; sein Original hängt im Kunsthistorischen Museum in Wien. Von seinem Sohn sind fünf Versionen bekannt. Die einzige Version auf großformatiger Leinwand konnte Christie’s in London im vergangenen Dezember für netto 6,1 Millionen Pfund zuschlagen, zwei der Tafelbilder befinden sich in Museen in Brüssel und Krakau, das dritte stellte die Portland Gallery Christie’s in London 2010 zum Verkauf. Nach dem Zuschlag von 2,7 Millionen Dollar bei Christie’s im Mai 1989 in New York, erwartet sich Sotheby’s jetzt 4 bis 6 Millionen Pfund für das motivreiche Gemälde.
Wie bei Christie’s ist die Ausbeute an Werken Breughels bei Sotheby’s ebenfalls reich. Auch das Original des „Turms zu Babel“ von Vater Bruegel befindet sich in Wien und wurde Pieter Breughel d.J. geschäftstüchtig nachgemalt. Doch er nimmt Veränderungen vor, wie die weitere und distanzierte Gestaltung des Vordergrundes (Taxe 2 bis 3 Millionen GBP). Bei seinem Gemälde „Johannes der Täufer predigt zu den Menschen in der Wildnis“ besticht das hervorragend erhaltene Azuritpigment, das einen unverfälschten und glanzvollen Farbeindruck der blauen Gewänder erlaubt. Auf Grund dieses guten Zustands soll die Tafel 1 bis 1,5 Millionen Pfund erwirtschaften. Schließlich wird ein prächtig arrangierter Blumenstrauß in einer Vase mit einigen kleinen Käfern und Schmetterlingen Jan Brueghel d.Ä. und seiner Werkstatt zugeschrieben. Hier stehen 100.000 bis 150.000 Pfund auf dem Etikett.
Nach der geballten Ladung Breughel geht es mit anderen Niederländern wie Jacob van Ruisdael und seiner unwirtlichen „Winterlandschaft mit Blick auf den Fluss Amstel und Amsterdam in der Ferne“ weiter. Der dunkle Himmel, das hängende Strohdach und der verdörrte Baum unterstützen den Eindruck der Kälte. Nur der kleine Blick durch die orangefarbenen Wolken auf der linken Seite kündigt die Hoffnung auf den Frühling an (Taxe 500.000 bis 700.000 GBP). Eine seltene, wenn nicht einzigartige Zusammenarbeit zwischen Adriaen van Ostade und seinem Bruder Isaac van Ostade stellt das Bild „Die Einkehr der Reisenden in einem Landgasthof“ dar. Durch die Kooperation gewinnt das Bild an Komplexität und Vielfalt. Isaac ist für die ruhige Landschaft, die Figuren auf der linken Seite und den Wolken verfangenen Himmel verantwortlich, während Adriaen seine belebten und geschäftigen Figuren auf der rechten Seite durch hellere Farben wie von einem Scheinwerfer angestrahlt in den Fokus setzt (Taxe 1,8 bis 2,5 Millionen GBP).
Nach Italien führt Orazio Borgianni mit seiner Leinwand „Christus unter den Schriftgelehrten“. Wegen der Ähnlichkeit zu seiner „Heiligen Familie mit der heiligen Elisabeth und Johannes dem Täufer“ im Palazzo Barberini soll er das Bild nach seiner Rückkehr aus Spanien um 1610 gemalt haben (Taxe 400.000 bis 600.000 GBP). Die höchsten Erwartungen im italienischen Bereich knüpfen sich aber an Guido Renis „David mit dem Haupt Goliaths“. Für 3 bis 5 Millionen Pfund soll der lässig an einer Säule lehnende David, der nur mit Lendenschurz, Fellschärpe und rotem Federhut bekleidet ist, über das Auktionspult wandern. Nach vielen Datierungsvorschlägen setzen Forscher das Bild in die späten 1620er Jahre, also 20 Jahre nach der ersten Version, die sich heute im Louvre befindet. Somit ist das Gemälde an einem stilistischen Wendepunkt der Malerkarriere Renis verortet, als seine Farbpalette gedämpfter wird.
Für das 18te Jahrhundert geht Giovanni Battista Tiepolos „Maria Immaculata“ ins Auktionsrennen. Die introvertierte Madonna in gedämpften Tönen ist während seiner Zeit in Spanien zwischen 1762 und 1770 entstanden. Das zeigen die Gemeinsamkeiten mit den meditativen Altarbildern der Franziskanerkirche San Pascual in Aranjuez und die Intensität von Ausdruck und Licht seiner anderen spanischen Werke (Taxe 200.000 bis 300.000 GBP). Liebhaber von Venedigansichten kommen bei Michele Marieschi für 600.000 bis 800.000 Pfund und bei Francesco Guardi für 1,2 bis 1,8 Millionen Pfund auf ihre Kosten. Marieschi hat als einziger Maler einen speziellen Blickwinkel auf die Kirchenfassade von San Giorgio Maggiore festgehalten. Die Bildgestaltung verstärkt er durch die Vergrößerung der Distanz der Insel zum Hafenbecken und schafft damit einen tiefen Raumeindruck. Von den bekannten Versionen ist das hier offerierte Bild das qualitätvollste und größte. Auch Guardi wählt den Blick auf San Giorgio allerdings in umgekehrter Richtung vom Bacino di San Marco aus. Bei seinem zweiten Bild fesselt er dagegen den Blick des Betrachters mit einem der berühmtesten Blicke auf Venedig, dem Beginn des Canal Grande mit der Kirche Santa Maria della Salute und der Punta della Dogana. Nach über einem Jahrhundert in einer französischen Privatsammlung können die Pendants vor allem mit ihrer Marktfrische punkten.
Einen kurzen Abstecher nach Österreich macht das Angebot mit Johann Georg Platzers antiker Geschichte „Krösus und Solon“, die er delikat, figurenreich und feinmalerisch auf einer Kupferplatte niedergelegt hat (Taxe 100.000 bis 150.000 GBP). Gemäß dem Titel der Auktion sollen auch schwerpunktmäßig britische Gemälde versteigert werden. Allerdings ist das Angebot mit drei Bildern doch sehr klein. John Wootton kann seine Meisterschaft am besten in Jagdstücken wie der „Hunting Party“ beweisen. Der beste Landschaftsmaler des 18ten Jahrhunderts in England belebt seine dunstigen weiten Felder, Wiesen und Bäume mit der Menschen, springenden Jagdhunden und kleinen Szenen. So ist auf dem für 500.000 bis 700.000 Pfund angesetzten Bild vielleicht der dritte Duke of Malborough und seine Frau Elizabeth in prächtigen Kleidern bei einer Jagdgesellschaft zu sehen. Das elegante Portrait der „Lady Elizabeth Howard“ in türkischem Kostüm von George Knapton aus dem ersten Drittel des 18ten Jahrhunderts ist für 100.000 bis 150.000 Pfund erschwinglicher. Willem van de Velde d.J. kann immerhin als halber Engländer gelten, denn er siedelte in den frühen 1670er Jahren nach England über, wo er auch zahlreiche Aufträge als Marinemaler erhielt. Bei Lebensmittelpunkte verbindet er in einer entscheidenden Szene der Schlacht von 1666 aus dem zweiten englisch-niederländischen Seekrieg (Taxe 1,5 bis 2,5 Millionen GBP).
Die Auktion findet am 4. Juli um 17 Uhr statt. Die Kunstwerke können am Samstag und Sonntag von 12 bis 17 Uhr, am Montag und Dienstag von 9 bis 16:30 Uhr sowie am Auktionstag von 9 bis 13 Uhr besichtigt werden. |