| | Bert Jäger, Ohne Titel, 19.4.89 | |
Bert Jäger gehörte zu den Stillen im Lande. Er wurde 1919 in Karlsruhe geboren, ging hier zur Schule und besuchte dann dort von 1936 bis 1939 die Klasse von Hermann Goebel an der Kunstakademie. Er spürte früh die Anzeichen des nazistischen Terrorregimes und rebellierte dagegen, legte sich mit Lehrern an, die von Nationalsozialisten an die Akademie berufen worden waren. Im Jahr 1939 wurde Bert Jäger eingezogen und bald schwer verwundet in ein Wiener Lazarett gebracht. Während seines Aufenthaltes hier studierte er an der Akademie bei Herbert Boeckl. 1944 geriet er in russische Gefangenschaft, aus der er erst 1949 zurückkehrte.
Er übersiedelte nach Freiburg und begann, was viele seiner Zeitgenossen nach dem Dritten Reich betrieben: ein intensives Studium jener internationalen kulturellen Phänomene, die zuvor für deutsche Intellektuelle und Künstler unerreichbar gewesen waren. Er reiste in den fünfziger Jahren häufig nach Frankreich, besuchte die Museen, war beeindruckt von der Kunst Courbets und Cézannes, dem Kubismus Braques und Picassos, der Malerei Soutines und den Filmen Buñuels. Er las vor allem französische und italienische Literatur - beide Sprachen beherrschte er schließlich fließend.
Sein eigenes künstlerisches Schaffen hatte er wieder aufgenommen, war Mitglied des Berufsverbandes Bildender Künstler, der „Jungen Gruppe Baden“ und der „Freien Gruppe Oberrhein“ geworden und engagierte sich im Freiburger Kunstverein. Zu jener Zeit erhielt Bert Jäger auch einige öffentliche Aufträge, musste sich jedoch bis in die sechziger Jahre vor allem mit gebrauchsgrafischen Arbeiten über Wasser halten: Er entwarf Briefmarken, illustrierte und gestaltete Bücher - darunter auch eines für HAP Grieshaber - und arbeitete als Fotograf an Bildbänden mit.
Die Retrospektive seiner Papierarbeiten aus den Jahren 1961 bis 1998 in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ermöglicht eine Wiederentdeckung des Künstlers, der bescheiden über seine Arbeit bemerkte: „Ich mache keine Kunst, sondern Malerei. Wenn das dann Kunst wird, ist es mir recht.“
Seine Werke auf Papier belegen besonders eindringlich die Frische und Vitalität seines bildnerischen Zugriffs, seine expressive Spontaneität, die ihn jedoch nicht daran hinderte, zu stringenten, in sich gefestigten Kompositionen zu finden. 1961 wurde für Jäger zum Schlüsseljahr, in dem er seine erste große Einzelausstellung im Freiburger Kunstverein zeigen konnte. Jäger hatte sich vom Gegenstand befreit, war ins Gestische aufgebrochen, betonte entschieden das Emotionale. Zunehmend trat an die Stelle des Furors im Vortrag jedoch eine wohlerwogene Auswahl zeichenhafter, rhythmisch gesetzter, ans Figurative erinnernder Elemente.
Um 1964 kam es dazu, dass Jäger wieder verstärkt ans Gegenständliche erinnernde Kürzel ins Bild integrierte. Fotos und Zeitungsausrisse wandern auf die Papiere, Bruchstücke von Wörtern erinnern an dadaistische Bildfindungen. Vier Jahre später, gesundheitlich stark angeschlagen, lässt sich in Jägers Malerei eine Wendung zu Anklängen an die Pop-Art entdecken. Etwa 1970 nimmt seine Schaffenskraft weiter dramatisch ab, unter anderem macht ihm eine Augenerkrankung das Arbeiten annähernd unmöglich. Erst nach zwei Operationen 1983 und 1984 gewinnt er seine Sehkraft in solchem Maße zurück, dass an künstlerisches Arbeiten wieder zu denken ist. Drei Jahre später beginnt er erneut zu zeichnen und schafft rund 100 Blätter, die eine fast frappierende Helligkeit und Heiterkeit ausstrahlen, in denen eine souveräne Balance zwischen malerischen, zeichnerischen und collagierten Elementen verwirklicht ist.
Jäger, in Freiburg und einem kleinen Atelier in Ligurien arbeitend, bleibt bis zuletzt ein Künstler voller Zweifel an sich und der Zeit, der er mit seinen Werken immer auch ein Stück kritischer Reflexion gegenüberzustellen versuchte. „Insgesamt ist es so: Ich habe bemerkt, dass die Dinge, die mich interessieren, so etwas wie Nachbarschaft bedeuten, mehr aber nicht. Der Umgang mit mir selbst ist dermaßen schwierig, dass ich mit einer zweiten Person nicht zurechtkäme.“
Kunst jedoch, sein Einspruch gegen alle Schwierigkeiten, verschaffte Jäger ein Gefühl von Selbstbestimmung, Freiheit, ja Glück: „Ich male für mich und möchte dabei durch nichts gestört werden. Ich fange völlig frei an. Manchmal ist es eine unglaublich willkürliche Lust, diesen oder jenen Ton zu verwenden.“ Bis zu seinem Tod im April 1998 trug ihn diese selbstgenügsame Begeisterung für seine Arbeit - noch seine letzten Blätter zeugen von ihr.
Erstmals wird im von Dr. Gert Reising erarbeiteten Katalog zur Ausstellung die ausführliche Biographie Bert Jägers nachzulesen sein. Sie geht aus Gesprächen hervor, die der Autor zwischen 1994 und 1998 mit dem Freiburger Künstler führte.
Ausstellung findet vom 17. Februar bis 6. Mai statt. Sie ist dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr und samstags, sonntags und feiertags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. |