Otto Mueller trifft Wilhelm Lehmbruck in Duisburg  |  | Otto Mueller, Am Ufer der Moritzburger Seen Sitzende und Kniende, 1912 | |
Schon zu Lebzeiten und auch weit danach stand Otto Mueller im Schatten der jüngeren Brücke-Wilden. Nach Stationen in Zwickau und Heilbronn wird er nun erstmals seit 1957 wieder in Duisburg eingehend gewürdigt, bevor die Retrospektive schlussendlich in Breslau ankommt. Die Eigenart der Duisburger Schau liegt in der Verbindung zu Wilhelm Lehmbruck: 16 seiner Plastiken sind rund 140 Arbeiten Otto Muellers dialogisch zur Seite gestellt. Beide gelten in der Kunst des 20sten Jahrhunderts als symbiotisches Zwillingspaar. Neben biografischen Kongruenzen eint sie auch formale, die das Wilhelm Lehmbruck Museum nun in der Ausstellung darlegt.
Deutlich wird dies vor allem am 1903 entstandenen Gemälde „Maschka als Lucretia“. Otto Mueller nimmt dabei auf die 1533 gemalte „Lucretia“ von Lucas Cranachs d.Ä. Bezug und wendet sich mit seiner Arbeit offensiv gegen Konservatismus und Establishment. Dieses Werk war Türöffner zur Künstlergruppe „Brücke“, der sich Mueller 1910 anschloss. Die überlebensgroße Darstellung seiner späteren Ehefrau als hagere, gestreckte Figur von überdehnter Langgliedrigkeit nahm ab 1911 zudem entscheidenden Einfluss auf Lehmbrucks Formensprache. Auch wenn es keine gesicherten Belege einer persönlichen Begegnung beider gibt, unterstreichen die Themen und Charakterzüge Frauenliebe und Weltkrieg, Melancholie und Visionen, arbeitsam, schweigsam sowie das Missfallen gegenüber gesellschaftlichen Konventionen die Gemeinsamkeiten der Künstler.
Schlanke, sich vor dem Betrachter exponierende Mädchengestalten, schlicht porträtiert mit einfachen Strichen, handwerklich perfekt und auf Wesentliches konzentriert, sind Muellers beherrschendes Sujet. Sie strahlen zeitlose Harmonie aus und verkörpern die Sehnsucht nach Einfachheit und Naturnähe. Genau dieser zurückgenommene Frauentyp, der nicht dem ungestümen Brücke-Bild genügt, ist Muellers Markenzeichen. Den emotional wie sexuell aufgeladenen Szenerien steht aber ein kühl kalkulierender Mueller gegenüber, der marktorientiert agiert, sich zu verkaufen und intelligent mit Händlern, Museen sowie Sammlern umzugehen weiß.
Beim Gang durch die Ausstellung fällt auf: Otto Mueller war kein Farbenzauberer. Mit Vorliebe beschränkt er sich auf Grundtöne und benutzt Leimfarben, die einen matten Silberglanz auslösen. Mit einfachsten Mitteln, aber großer Variationsbreite wird der Akt sein wichtigstes Thema, bevor ab 1925 aus Farbfeldern aufgebaute Häuser und Landschaften eine Neuorientierung hin zur Neuen Sachlichkeit anzeigen. Ein letzter Höhepunkt ist die aus neun Farbgrafiken bestehende Mappe „Zigeuner“ von 1926/27. Otto Mueller, der gelernte Lithograf und aufmüpfige Rebell an der Dresdener Kunstakademie, erhält im Mai 1919 als einziger der Brücke-Künstler eine Professur in Breslau. Schon 56jährig verstirbt er im Jahr 1930 in seiner schlesischen Heimat.
Die Ausstellung „Einfach. Eigen. Einzig: Otto Mueller“ ist noch bis zum 24. Februar 2013 zu sehen. Das Lehmbruck Museum hat täglich außer montags und dienstags von 12 Uhr bis 18 Uhr, donnerstags zusätzlich bis 22 Uhr und sonntags schon ab 11 Uhr geöffnet. An Heiligabend und Silvester bleibt das Museum geschlossen. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Zur Ausstellung ist ein dreibändiger Katalog im Schuber erschienen, der an der Museumskasse 35 Euro kostet.
Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum
Friedrich-Wilhelm-Straße 40
D-47051 Duisburg
Telefon: +49 (0)203 – 283 26 30
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