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Marktberichte

Aktuellzum Archiv:Auktions-Vorbericht

Das Wiener Dorotheum versteigert über 300 Objekte des Jugendstils und der angewandten Kunst des 20. Jahrhunderts

Werkstätte Wien



Josef Hoffmann,  Menage, 1909

Josef Hoffmann, Menage, 1909

Wien feiert sich selbst in der Kunstgewerbe-Auktion des Dorotheums. Vor allem die Wiener Werkstätte, eine der wichtigsten Institutionen für angewandte Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ist diesmal mit zahlreichen Stücken vertreten. Als unbestrittenes Spitzenlos der Versteigerung tritt eine vierteilige Menage mit zwei Karaffen und zwei Silbergefäßen von Josef Hoffmann an, Gründungsmitglied und Hauptvertreter dieser Produktionsgemeinschaft Bildender Künstler. Das aus Silber, Glas und leuchtend grünem Malachit gearbeitete Set war im Entstehungsjahr 1909 hochmodern und in der Formensprache zukunftsweisend. So wurden beispielsweise die ursprünglich geplanten konventionellen Kristallkaraffen vom Besitzer gegen die geometrischeren Wiener Werkstätte-Karaffen ausgetauscht. Heute strahlt das Objekt ein zeitlos-elegantes Flair aus und kann die Kunden sicherlich animieren, 30.000 bis 40.000 Euro zu investieren.


Für 10.000 bis 15.000 Euro ruft das Dorotheum am 26. November zudem Josef Hoffmanns Wandlampe für das Sanatorium Purkersdorf auf, welche sich im Lesezimmer der Heilanstalt befand. Der hohe Preis wird zwar nicht unbedingt durch das eher nüchterne und strenge Design aus vernickeltem Messing und Glas von 1903 gerechtfertig, erklärt sich aber durch die künstlerische Bedeutung der Ausstattung des Sanatoriums für die Wiener Werkstätte. Fast als Schnäppchen kann da Dagobert Peches silbernes Bonbondöschen mit Rillendekor und floralem Knauf von 1916 bezeichnet werden, das für 22.000 bis 30.000 Euro unter den Hammer kommen soll. Noch günstiger ist Hoffmanns winzige versilberte Bonboniere mit stilisierten Herzblattranken von 1910 (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR), und für nur 1.200 bis 1.500 Euro steht ein lederner verschließbarer Reise-Fotorahmen mit Goldprägung bereit, der wohl um 1909 in der Wiener Werkstätte entstand.

Den Anfang macht die Keramik. Doch auch hier ist die Wiener Werkstätte nicht weit: Von Michael Powolny stammen unter anderem drei Jahreszeitenallegorien in Form von kleinen Putti, die durch die leuchtende Farbigkeit und die charmante Darstellungsweise überzeugen. Herbst und Frühling sind für 6.000 bis 10.000 Euro zu haben, der Winter, als einziger goldstaffiert, soll 25.000 bis 30.000 Euro kosten. Ebenfalls mit Allegorien arbeitet der Meißner Porzellankünstler Paul Helmig bei seiner seltenen Tischuhr von 1901/04. Rechts und links vom messinggearbeiteten Ziffernblatt ruhen „Tag und Nacht“ als Kinderfiguren mit Sonnen- und Mohnblumen, auf dem Zifferblatt stehend ist eine Mädchenfigur als Zukunft mit verschleiertem Gesicht zu sehen (Taxe 18.000 bis 20.000 EUR). Gerade die Frauen hatten im Keramikbereich bei der Wiener Werkstätte das Sagen: Kitty Rix tritt mit einem kugeligen Lampenfuß in schwarz-grüner Verlaufsglasur um 1928 an (Taxe 2.000 bis 2.500 EUR), Susi Singer mit einem expressiven Leuchterweibchen von 1924 (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR), Erna Kopriva mit einem Schalenträgerpaar, bei dem ein Mann und eine Frau im Hocken jeweils zwei quadratische Behälter hochhalten (Taxe 1.200 bis 1.500 EUR), und Vally Wieselthier mit einem Bowlengefäß in geometrischem Farbdekor, auf dem stilisierte Früchte appliziert sind (Taxe 2.200 bis 3.000 EUR).

Ganz anders mutet die italienische Designschule der 1920er Jahre an. Giovanni Grande entwarf 1929 die drei fast naiv wirkenden Figurengruppen „Susanna im Bade“ und „Don Chisciotte e Sancio Pancia“ für jeweils 8.000 bis 10.000 Euro und Dichiarazione d’amore für 4.000 bis 5.000 Euro, die durch ihren comichaften Charakter einen eigenen Charme entwickeln. Arturo Martinis in groben Strichen farbig staffierte Keramik „Gli amanti“ erinnert in der blockhaften Formensprache eher an die Werke Aristide Maillols, die der Italiener in Frankreich studiert hatte (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Den gleichen Titel und das gleiche Thema wählt der berühmte Mailänder Architekt und Designer Gio Ponti für seine neoklassizistisch gestaltete Platte in Grün, Weiß und Schwarz mit Liebespaar in der Mitte, umrahmt von einem mit Baluster- und Blattmotiven dekorierten Zierband (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR).

Bei den Möbeln macht der Wiener Kunsthandwerker Otto Prutscher den Anfang und bringt somit auch wieder die Tätigkeit der Wiener Werkstätte auf den Ladentisch. Der üppig mit facettiertem Glasbehang verzierte Lüster für den Damensalon der Villa Rothberger in Baden aus dem Jahr 1912 soll 10.000 bis 15.000 Euro kosten, genauso viel wie die aus dem selben Ausstattungszusammenhang stammende Vitrine aus Mahagoniholz mit intarsierten Zierbordüren und grüner Stoffverkleidung. Sein Lehrer Josef Hoffmann ist auch hier wieder mit zahlreichen Möbelstücken vertreten, darunter das vierteilige Satztischset mit Kugelgriffen von 1906 in zweifacher Ausfertigung (Taxe jeweils 3.000 bis 4.000 EUR) und ein runder „Fledermaustisch“ aus mahagonigebeizter Buche von 1906 (Taxe 1.200 bis 1.500). Otto Wagner tritt mit einem seiner bekannten Schreibtische aus den Großraumbüros der Wiener Postsparkasse von 1906 an (Taxe 10.000 bis 13.000 EUR).

Als Antipode der Wiener Werkstätte und jeglicher Form der „angewandten Kunst“ sah sich der Österreicher Adolf Loos. Seinen Möbeln ist das jedoch nicht anzumerken, und so fügen sich sein 1899 für die Familie Haberfeld in Wien entworfener sechsbeiniger Tisch (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR) und der filigran gearbeitete Eckstuhl von 1900 unbemerkt ein in die Reihe der großen Wiener Kunsthandwerker (Taxe 2.000 bis 2.500 EUR). Den schönlinigen belgischen Art Nouveau-Stil vertritt Victor Horta mit seinen drei Stühlen für das Brüsseler Hotel Aubecq, darunter ein harmonisch geschwungener Armsessel mit Rohrgeflecht von 1900 (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Kantiger geht es beim deutschen Jugendstil zu, etwa bei Richard Riemerschmids 1928 entworfenen Eichenholzarmstühlen, die hier als Paar für 2.200 bis 3.000 Euro unter den Hammer kommen sollen, oder bei Patriz Hubers Schreibtisch samt Armlehnsessel für das Haus Warlich in Kassel (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR).

Über die Glasabteilung, bei der Franz Hofstötters hohe lachsrosafarbene Vase mit vertikalen Silberbändern in eingezogener Balusterform von 1900 für 20.000 bis 30.000 Euro herausragt, über die Murano-Waren mit Dino Martens’ seltener Schale „Eldorado“ von 1952 bei 12.000 bis 16.000 Euro an der Spitze und über die dekorativen Kleinskulpturen, etwa mit Bruno Zachs filmisch inspirierter Bronze „King Kong und die weiße Frau“ um 1933 (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR), geht es zum Silber. Bei den Bestecken ist eine 193teilige Garnitur mit dazugehörigem hochbeinigem Kasten aus Mahagoniholz aus dem Jahr zu erwähnen, die 1925 in der Firma Josef Carl Klinkosch im gemäßigt modernen Formen produziert wurde (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR). Noch üppiger zeigt sich ein französisches Set mit seinen vom Spatenmotiv barock inspirierten Stielen. Die insgesamt 228 Teile in einer Eichenholzkassette von etwa 1930 sollen 14.000 bis 16.000 Euro erwirtschaften.

Philippe Wolfers’ fünfteiliges Teeservice „Nankin“ von 1929 besticht durch eckige Formen und den Kontrast von glatten Silberflächen und winklig gestalteten Elfenbeingriffen (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Der Leipziger Silberschmied Willi Stoll tritt mit einem längsgerichteten, fünfarmigen Kerzenleuchter im Art Déco-Stil um 1935 an (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR). Das Silber reicht bis in die aktuelle Produktion vor und listet aus dem Jahr 1994 die auf Kreis- und Kugelformen beruhende Teekanne „Java“ von Friedemann Haertl (Taxe 4.200 bis 5.000 EUR) sowie aus dem Jahr 2001 von Juan und Paloma Garrido eine ausladende Deckelterrine, die ein Wechselspiel aus Kuben und Ellipsen ist (Taxe 10.000 bis 13.000 EUR).

Die Auktion beginnt am 26. November um 14 Uhr. Die Besichtigung ist bis zum Auktionsbeginn täglich von 10 bis 18 Uhr, samstags von 9 bis 17 Uhr und sonntags von 14 bis 17 Uhr möglich. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.dorotheum.com.

Kontakt:

Dorotheum

Dorotheergasse 17

AT-1010 Wien

Telefon:+43 (01) 515 60 0

Telefax:+43 (01) 515 60 443

E-Mail: client.services@dorotheum.at

Startseite: www.dorotheum.com



22.11.2013

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Julia Remenyi

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Vally Wieselthier,  Bowlengefäß, 1928

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