| | Domenico di Michelino, Die Allegorie der Göttlichen Komödie, 1465 | |
Leonardo da Vinci und Michelangelo Buonarroti wurden bei Florenz geboren und schufen hier ihre bedeutendsten Werke: Das Porträt der Mona Lisa und die Statue des David. Zeitlebens kehrten beide immer wieder in ihre Heimat zurück. Für jeden, der beruflich auch nur ansatzweise mit Kunst zu tun hat, stellt ein Florenz-Aufenthalt eigentlich eine Pflicht dar. Für die Masse vieler durch die Welt jettender Bildungsreisender übt die Hauptstadt der Toskana ebenfalls unglaubliche Anziehungskraft aus. Zwölf Millionen Übernachtungsgäste pro Jahr verdeutlichen den immensen Zuspruch, den dieses erstrangige kulturelle und touristische Ziel hervorruft. Seit 1982 ist die historische Altstadt der heute 400.000 Einwohner umfassenden Arno-Metropole in der Welterbeliste der UNESCO enthalten. Von der „weltgrößten Anhäufung universell bekannter Kunstwerke“ ist hier die Rede.
Ihre überragende kunst- und kulturgeschichtliche Relevanz hat die Bonner Bundeskunsthalle zu einer breit angelegten Ausstellung animiert. 335 Exponate aus 600 Jahren, darunter Tafelbilder, Zeichnungen, Textilien, Skulpturen und Schriftzeugnisse, beschreiben chronologisch und thematisch in Blöcke gegliedert die historischen Abschnitte in enger Verknüpfung mit der Kunstentwicklung. Nach Sizilien, Venedig, Neapel und dem Vatikan widmet sich die Bundeskunsthalle nun erneut dem großen Erbe Italiens.
Was verbindet man gemeinhin mit Florenz? Einige Aspekte führt der Ausstellungsprolog vor Augen. Die pittoreske Lage in der sanften toskanischen Hügellandschaft stellt eine Ansicht von Thomas Patch aus dem Jahr 1767 vor. Florenz als Stadt Dantes ruft das bekannteste Gemälde Domenico di Michelinos in Erinnerung, das den berühmten Dichter von Lorbeer bekrönt zeigt. Andere Künstler verewigten gerne Johannes den Täufer als Schutzpatron der Stadt. Einblick in die Geheimnisse der genial konstruierten, die Häuser überragenden Domkuppel von Filippo Brunelleschi geben Modelle und filmische Sequenzen.
Der eigentliche Parcours startet mit Artefakten aus der mittelalterlichen Kommune, deren bereits im elften Jahrhundert beginnender wirtschaftlicher Aufstieg dank der Tuchmanufakturen einsetzte. Große Sensibilität für Textilien und darauf ausgerichteter Handel, der Florenz bis in den asiatischen Raum vernetzte, begründeten neben dem Bankwesen den Reichtum der Stadt. Erlesene Leinen- und Seidenstoffe aus eigener oder auch importierter spanischer Produktion zeigen teils von islamischen Vorbildern inspirierte Medaillons und Motive aus Fauna und Flora. Maler, Bildhauer und Innenausstatter begriffen textile Muster und Farben als Herausforderung und übertrugen sie in andere Medien und Materialien. Marmorplatten aus dem Baptisterium und dem Dom führen die „versteinerte Form“ eindrucksvoll vor Augen.
Nirgendwo bot die wechselseitige Inspiration der Künste ein so eng verflochtenes wie befruchtendes Zusammenspiel von merkantilen, sozialen und ästhetischen Dimensionen wie in Florenz. Um 1300 war die Stadt mit 100.000 Einwohnern eine der führenden und größten Wirtschaftsmächte in Europa. Neben Dante Alighieri, dessen Porträt und um eine um 1398 gefertigte Handschrift seiner „Commedia“ zu sehen sind, ist der in Florenz als Sohn eines Schmiedes geborene Maler Giotto di Bondone von zentraler Bedeutung; bewegte er mit einer neuen Bildsprache doch die Kunstwelt. Seine plastische knappe Handschrift mit dem mehr illusionistischen, realistischen Charakter befreite sich augenfällig von der Abhängigkeit byzantinischer Künste.
Im 14. Jahrhundert führten Kriege, Krisen, Zusammenbrüche von Banken, Naturkatastrophen und Pestepidemien zu einschneidenden Umbrüchen. Ende des Jahrhunderts jedoch kehrten Stabilität, Wohlstand und wirtschaftliche Blüte zurück. Ab 1434 bestimmten die Medici die Geschicke der Stadt, begleitet zunächst noch von politischen, sozialen und religiösen Spannungen. Doch neuer Wohlstand erlaubte die Öffnung für revolutionäre Neuerungen unter den Vorzeichen der Renaissance. Naturstudien, wissenschaftlicher Austausch und neue Forschungen fanden in der Malerei ihren Niederschlag. Ein Ausgangspunkt für künstlerische Entdeckungen und Gestaltungsformen von Bildräumen ist auf Masaccio zurückzuführen. Um 1424/27 verwendete der Maler in seinem Fresko der Heiligen Dreifaltigkeit in der Kirche Santa Maria Novella erstmals die Zentralperspektive in der Malerei.
Der große Kunsttheoretiker Leon Battista Alberti ist mit einem Originalmanuskript seiner Abhandlungen „Über die Malkunst“ präsent. Die zwei berühmten, in der Kunstliteratur viel beschriebenen Probestücke des Wettbewerbs aus dem Jahr 1401 von Lorenzo Ghiberti und Filippo Brunelleschi zur Gestaltung der zweiten Baptisteriumstür bereichern als Kopien die Schau. Wie die Medici der Metropole künstlerischen Glanz verliehen, unterstreichen Gemälde Sandro Botticellis oder Filippino Lippis. Dazu gesellen sich Samtstoffe oder erlesene Kameen, die seit der Antike als Symbol für Macht und Luxus gefragt waren. Originelle Themenwahl und hohe qualitative Umsetzung bieten Terrakottareliefs von Andrea della Robbia. Dazu haben Tondi, Engelsköpfe und die anmutige Büste eines Jünglings aus dem Louvre ihren Weg in die Bundeskunsthalle gefunden.
Zeichnungen von Leonardo da Vinci, Michelangelo Buonarroti, Filippino Lippi und weiteren Künstlern unterstreichen in einem eigenen Kabinett die Rolle Florenz als „Stadt der Zeichnung“. Zur Renaissancezeit galt sie als grundlegendes Studien- und Entwurfsmedium mit autonomen Gestaltungsspielräumen; als beliebtes Sammelobjekt gewann sie rasch an Bedeutung. Im Jahr 1563 gründete Cosimo I. die erste Akademie für Maler, Bildhauer und Architekten als Teil seiner breit angelegten Kunstpolitik. Giorgio Vasari, der als erster Direktor verpflichtete Maler und Architekt, ist ein Vertreter des „disegno“, der die drei Sparten Architektur, Malerei und Skulptur vereinte und als Ausgangspunkt der später so genannten „Bildenden und Schönen Künste“ auftrat.
Ab 1530 avancierte die Toskana zum monarchisch regierten Großherzogtum mit Florenz als Hauptstadt und den Medici als Fürsten. Dem Hofstaat der Medici, in dem Florenz als Ort der Feste und Inszenierungen, der Wissenschaften, Kunstsammlungen und höfischen Werkstätten seinen Platz behauptete, widmet sich ein weiteres Kapitel. Kunsthistorisch von Bedeutung sind speziell Produkte der Großherzoglichen Werkstätten, darunter Schatullen oder fein gearbeitete Pietra-dura-Platten mit an naive Malerei erinnernden Landschaftsdarstellungen. All dies kann aber den enormen wirtschaftlichen Niedergang nicht vertuschen. Im 17. Jahrhundert kamen noch Hungersnöte, Pestepidemien und politische Missstände hinzu.
Als die Medici mit dem Tod von Anna Maria Luisa 1737 ausstarben, gelang unter der Herrschaft der Lothringer der Wandel des rückständigen Herzogtums zum modernen Staatwesen. Innerhalb der österreichischen Dynastie wurde die Toskana ein Musterstaat der Aufklärung. Folter, Zensur und Todesstrafe wurden abgeschafft, die Zünfte aufgelöst, Schulen, Krankenhäuser und Bibliotheken errichtet. Nach der Reorganisation der grandiosen Kunstsammlungen öffneten 1769 die Uffizien ihre Pforten für jedermann. Unterbrochen durch Napoleons Interimsherrschaft von 1798 bis 1814, regierten die Habsburger bis zum Sturz der Großherzoglichen Regierung 1859.
1860 gelangte Florenz dann an die Savoyer Herrschaft und wurde Teil des Königreichs Italien, dessen Hauptstadt Florenz von 1864 bis 1871 war. Der Umbau der mittelalterlichen Stadt, neue Straßen, Wohnviertel und Abrisse alter Bauten war die bittere Referenz an die neue Hauptstadtfunktion. Zugleich etablierte sich Florenz als Ziel von Bildungsreisenden, als intellektuelles Zentrum sowie als Stadt der Künstler und Kunstsammler. Bis heute ist Florenz aufgrund seiner Museen und Kunstschätze eine der meistbesuchten Metropolen der Welt, desgleichen aber auch eine Stadt der Wissenschaft und Forschung, was weitaus weniger im allgemeinen Bewusstsein verankert ist. Für kommende Zeiten wird vor allem ein „Modus Vivendi“ im Umgang mit dem reichen Erbe zu finden sein.
Die Ausstellung „Florenz!“ ist noch bis zum 9. März zu besichtigen. Die Bundeskunsthalle hat täglich außer montags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 10 Euro, ermäßigt 6,50 Euro. Zur Ausstellung ist ein umgangreicher Katalog erschienen, der im Museum 35 Euro kostet. |