Berlin ergründet Baukünste der Nachkriegsmoderne Was genau pointiert die Architektur der Nachkriegsmoderne und wie äußern sich konkret künstlerische Kriterien? Neue energetische Anforderungen und veränderte funktionelle Ansprüche führten in den vergangenen Jahren zu Abrissen und Veränderungen einst maßgeblicher Repräsentanten der Baukunst nach 1949. Um den Blick für die Epoche zu schärfen und leichter Bewertungen und Charakterisierungen zu gewährleisten, lenken in Berlin zwei Fotografie-Ausstellungen den Fokus auf das Bauen zwischen 1949 bis 1979.
Einem der herausragenden Objekte, dem am 2. April 1979 eröffneten Internationalen Congress Centrum des vor drei Jahren verstorbenen Architekten Ralf Schüler und seiner Frau Ursulina Schüler-Witte richtet die Architektenkammer Berlin eine instruktive Schau mit eindrucksvollen Aufnahmen der Berliner Architekturfotografin Mila Hacke aus. Sie bietet einen spannenden Rundgang durch die Säle und Foyers, gewährt Einblicke hinter Kulissen etwa in den Schminkbereich der Damen oder stellt Kunstwerke wie Spiegelglaswände von Adolf Luther vor. Seit Ende März außer Funktion und öffentlich unzugänglich, steuert das Congress Centrum, für das die Architektenkammer den Denkmalstatus reklamiert, auf eine ungewisse Zukunft zu.
In der Charlottenburger Villa Oppenheim bietet eine ebenfalls von Mila Hacke konzipierte Schau einen vergleichenden Überblick über das breite Spektrum der Bauten jener Zeit. Eine Fülle stilistischer Varianten sowie Bezugnahmen auf unterschiedliche Vorbilder zeichnen die damaligen Entwürfe aus, die zudem von der Rivalität politischer Systeme getragen wurden. Dem Bau der Stalinallee im Osten ab 1953 antwortete 1957 die Interbau im Westen. In diesem Kontext realisierte man auch baubezogene Künste. Bernhard Heiligers „Flamme“ am Ernst-Reuter-Platz stehen plakative Großkunstwerke wie Walter Womackas Mosaike am Haus des Lehrers am Alexanderplatz gegenüber.
Ein begleitend zur Ausstellung vom Reimer Verlag publizierter Epochen-Architekturführer bietet einen erweiterte Sammlung über die keineswegs homogene Architekturwelt dieser Jahre aus „Nierentischstil“, „Soft Lines“ oder „High-Tech“. Viele Besonderheiten, wie der dezidierte Verzicht auf architektonische Repräsentation beim Kirchenbau oder der Einfluss von Bauten in nordischen Ländern auf Architektur und Design der DDR, werden hier deutlich offenbar. Verdienstvoll ist vor allem die Aufnahme schon beseitigter und vergessener Bauten. Viele Kinos, Ausstellungspavillons von Automobilfirmen, Verkehrskanzeln bis hin zur Pop Art-Architektur der 1960er Jahre sind mittlerweile in Vergessenheit geraten. Mit der Denkmalschutzbewegung, Rekonstruktionen wie dem Nikolai-Viertel und Tendenzen zu behutsamer Stadterneuerung endet die Nachkriegsmoderne.
Die Ausstellung „Internationales Congress Centrum. Fotografien von Mila Hacke“ ist bis zum 30. September in der Architektenkammer Berlin zu besichtigen. Geöffnet ist montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr, freitags bis 14 Uhr. Die Ausstellung „Nachkriegsmoderne. Architektur in Charlottenburg-Wilmersdorf“ läuft bis zum 14. September und hat täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags ab 11 Uhr geöffnet. Auch hier ist der Eintritt frei. Zur Ausstellung ist im Reimer Verlag der Architekturführer „Baukunst der Nachkriegsmoderne. Berlin 1994 bis 1979“ erschienen, der im Museum 29,90 Euro kostet. Zudem wurde ein großformatiger Wandkalender für das Jahr 2015 für 19,95 Euro aufgelegt.
Museum Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim
Schlossstraße 55
D-10459 Berlin
Telefon: +49 (0)30 – 90 29 24 108
Telefax: +49 (0)30 – 90 29 24 160
Architektenkammer Berlin
Alte Jakobstraße 149
D-10969 Berlin
Telefon: +49 (0)30 – 29 33 070 |