Eine Zuschlagsquote von fast 100 Prozent konnte Sotheby’s in London als Ergebnis seines Italian Sale während der Frieze Week angeben. Damit bestätigte sich eine Tendenz, die nun schon seit Jahren anhält: Italienische Kunst der Nachkriegszeit wird immer teurer und auch auf internationaler Ebene immer gefragter. Für die Londoner Oktoberauktionen von Sotheby’s jedenfalls bildet sie inzwischen das Rückgrat: Mehr als 41,4 Millionen Pfund spielten die knapp fünfzig Werke ein, von denen nur eines keinen Abnehmer fand. Bei den 59 Arbeiten anderer zeitgenössischen Künstler waren es am selben Abend magere 28,2 Millionen Pfund.
Zu den Glücklichen gehörten am 17. Oktober vor allem solche Italiener, die sich allein Raum- und Lichtwirkungen in und auf ihrer Kunst widmen und den Betrachter mit meist monochromen, nichtfiguralen Farbflächen konfrontieren. Das ist auch bei den beiden Spitzenlosen so: Ein typisch weißes „Achrome“ Piero Manzonis von 1958/59 aus horizontal strukturierer Kaolinleinwand, mit eineinhalb Metern Breite für den 1963 gerade dreißigjährig verstorbenen Künstlern ungewöhnlich groß, erzielte sage und schreibe 11,2 Millionen Pfund und damit rund drei Millionen Pfund mehr als Manzonis letzter Rekordhalter. Die Schätzung hatte dementsprechend auch nur bei 5 bis 7 Millionen Pfund gelegen.
Auf Rang zwei brachte es Enrico Castellani mit einer „Superficie Bianca“ von 1967. Das mit fast drei Metern Breite monumentale Werk, dessen Relief perspektivisch in den Hintergrund flüchtet, hing zusammen mit vergleichbaren Schätzen seit rund 45 Jahren in der „Casa Lo Scarabeo Sotto La Foglia“ in Malo, einem Meisterwerk Gio Pontis für den Sammler Giobatta Meneguzzo. Auch diese würdige Herkunft dürfte für die rasante Preisentwicklung von 1 bis 1,5 Millionen Pfund auf schließlich 3,3 Millionen Pfund ausschlaggebend gewesen sein. Auch hier steht „Auktionsrekord“ auf der Rechnung. Aus demselben Hause kamen weitere ausschließlich weiße Werke wie ein an den Kanten und in der Mitte in den Raum vorgeschobenes Bild Agostino Bonalumis von 1966 für 520.000 Pfund (Taxe 300.000 bis 400.000 GBP) sowie ein dreiteiliges Objekt Turi Simetis von 1965 für 160.000 Pfund (Taxe 80.000 bis 120.000 GBP), auch dies beides neue Höchstpreise auf Versteigerungen.
Viermal fand sich Lucio Fontana auf der Top Ten-Liste wieder mit Ergebnissen von bis zu 2 Millionen Pfund für ausschließlich monochrome – weiße, rote oder goldene – Flächen mit Schnitten oder Löchern. Etwas bunter wurde es mit Alighiero Boettis gestickter „Mappa“ von 1979 für 970.000 Pfund (Taxe 700.000 bis 900.000 GBP). Der gegenständlichen Malerei brachte als einer der wenigen Domenico Gnoli eine Huldigung entgegen, wenngleich eine recht ironische, denn Gegenstand seiner Abkonterfakturkünste war 1969 der Ausschnitt eines Hosenbundes. Zu 1,9 Millionen Pfund reicht es trotzdem für die marktfrische Leinwand (Taxe 2 bis 3 Millionen GBP). Mit einem Ergebnis von 880.000 Pfund repräsentierte Marino Marinis 1951 aus Bronze gegossener und vom Künstler sparsam bemalter „Cavaliere“ die große Tradition italienischer Bildhauerkunst (Taxe 750.000 bis 1 Million GBP).
Die Altmeister in der anderen, nichtitalienischen Abteilung wurden gegenüber den Italienern eher zurückhaltend bedacht. Zwar gab es hier mit sieben Netto-Millionenpreisen nicht weniger als drüben, der Durchschnittspreis pro Losnummer aber lag mit rund einer halben Million nur etwa halb so hoch. Als teuerster Künstler schloss der französische Informelle Pierre Soulages mit seinem „Peinture 125 x 202 cm, 30 Octobre 1958“ samt schwarzen Horizontalbalken auf gold-braunem Grund bei 2,3 Millionen Pfund ab (Taxe 2 bis 3 Millionen GBP), gefolgt von 2 Millionen Pfund für ein mittelgroßes neoexpressionistisches Bild Jean-Michel Basquiats aus dem Jahr 1981 (Taxe 1,5 bis 2 Millionen GBP). Francis Bacons eher brave „Study for a Portrait“ von 1954 musste schon bei 1,04 Millionen Pfund vorzeitig zugeschlagen werden (Taxe 1,5 bis 2 Millionen GBP).
Auch die Deutschen machten keine so gute Figur wie tags zuvor bei Christie’s. Martin Kippenbergers antikische Selbstbefragung „Meine Lügen sind ehrlich“ von 1992 – bei 2,5 bis 3,5 Millionen Pfund eigentlich als Hauptlos gehandelt – schaffte nur 2 Millionen Pfund, ein 1972 in Gerhard Richters früher abstrakter Phase geschaffenes „Dschungelbild“ fiel bei 1,8 bis 2,5 Millionen Pfund sogar durch, und Neo Rauchs surreal-traumhaftes „Angebot“ von 2010 blieb mit 380.000 Pfund auch ein wenig hinter den Erwartungen von mindestens 400.000 Pfund zurück. Immerhin eine unbetitelte, stürmische Komposition Sigmar Polkes mit zentralen roten Spritzkreis von 2000 verbesserte sich deutlich von 250.000 bis 300.000 Pfund auf 480.000 Pfund.
Die Künstlergruppe „ZERO“ profitierte wieder einmal auf internationalem Parkett von der erhöhten Aufmerksamkeit, die ihr in den letzten Jahren entgegengebracht wird. Ein Rauchbild Otto Pienes mit schwarzem Kreis auf roter Fläche von 1961 schaffte bei 200.000 Pfund den Absprung (Taxe 150.000 bis 250.000 GBP) und Adolf Luthers „Sphärisches Hohlspiegelobjekt“ von 1970 erzielte 65.000 Pfund (Taxe 70.000 bis 100.000 GBP). Bei Heinz Macks serieller Reihung „Vibration der Stille“ von 1959 reichten 250.000 Pfund sogar zu einem neuen Auktionsrekord (Taxe 180.000 bis 250.000 GBP).
Etwas mehr Bewegung gab es bei den jüngsten Künstlern, die Sotheby’s recht zahlreich in die Abendauktion aufgenommen hatte. Zu nennen sind etwa die beiden Rekordpreise von 90.000 Pfund für ein achtteiliges Ensemble asu Farbexperimenten des 1980 geborenen Israel Lund von 2013 (Taxe 80.000 bis 120.000 GBP) und 260.000 Pfund für Danh Vos „9“ aus einer „Numbers“-Serie mit Blattgold auf hochformatiger Pappe von 2011 (Taxe 100.000 bis 150.000 GBP). Auch David Ostrowski und der gerade einmal 25jährige Jungstar Lucien Smith enttäuschten nicht, wenngleich ihre spartanischen Abstraktionen mit 60.000 Pfund und 50.000 Pfund keine neuen Marken setzen konnten.
Einige Enddreißiger profitierten von allmählich wieder steigendem Interesse an Gegenständlichem, wie 230.000 Pfund für Dana Schutz’ kubistisch anmutendes „Singed Picnic“ von 2008 (Taxe 150.000 bis 200.000 GBP) oder 560.000 Pfund für ein im wahrsten Wortsinn wirres Astronautenbild Jia Ailis von 2009 (Taxe 250.000 bis 350.000 GBP). Auch die 850.000 Pfund für Adrian Ghenies opulent-surreale Künstlerhommage „Duchamp’s Funeral I“ von 2009 bewiesen die Zugkraft dieser Generation, ohne dass da freilich die bereits bisher erreichten Höchstwerte geknackt werden konnten (Taxe 400.000 bis 600.000 GBP).
Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. |