| | Johann Anton Ramboux, Der hl. Franziskus predigt den Vögeln | |
„Ich muss gestehen, dass unter der großen Zahl an Schülern, die ich ausgebildet habe, niemand je mehr Talent gezeigt hat als der junge Ramboux; und ich fürchte nicht, dass jemand diesen lobenden Aussagen über ihn und seinen Anlagen widerspricht; er ist geboren, um dieser Kunst im Land seiner Geburt Ehre zu machen.“ Kein Geringerer als der Hauptmeister des französischen Klassizismus, Jacques-Louis David, stellte dem jungen Ramboux dieses berühmt gewordene Zeugnis aus. Allerdings: Davids streng komponierte, heroisch-realistische Malerei von bestechender Klarheit und Strenglinigkeit interpretierte Johann Anton Ramboux unverkennbar milder, nachdem er auf seiner ersten längeren, 1816 gestarteten Rom-Reise sich den Nazarenern angeschlossen hatte. Bis 1822 sowie insbesondere während seines zweiten ausgedehnten, von 1832 bis 1842 andauernden Italien-Aufenthalts durchstreifte er zeichnend und kopierend das Land von der Toskana bis in den Süden.
Bemerkenswert sind vor allem die währenddessen angefertigten Abbilder von Mosaiken und Fresken bedeutender Künstler in Kirchen des christlichen Mittelalters bis zur Reformationszeit, also vom 4. bis zum 16. Jahrhundert. Da diese Werke schon damals als wichtig für den Verlauf der Kunstgeschichte angesehen wurden, trug Ramboux die Motive für ein Kopienmuseum der italienischen Kunstgeschichte zusammen. Heute sind die im Stil der Nazarener gehaltenen, dabei detailgenauen Nachahmungen eine wichtige Quelle, da sie teils zerstörte oder beschädigte Werke dokumentieren. Von den über 400 Aquarellen wurden 325 für die Kunstakademie Düsseldorf als Lehr- und Studiensammlung angekauft und von 1841 bis 1918 unter der Bezeichnung „Museum Ramboux“ ebendort ausgestellt. Später gingen sie in den Fundus der städtischen Kunstsammlung Düsseldorfs über, des heutigen Museums Kunst Palast.
Seit dem Wochenende macht nun das Clemens-Sels-Museum in Neuss auf dieses von Johann Anton Ramboux erstellte, imaginäre Museum der italienischen Kunst aufmerksam. 98 der insgesamt rund 130 Exponate wurden hierzu aus dem Düsseldorfer Bestand entliehen. Sechs Zeichnungen und das ins Jahr 1820 datierte Gemälde „Das Opfer Abrahams“ stammen aus den Sammlungen des Clemens-Sels-Museums. Die religiöse Thematik ist untrennbar mit Symbolen verbunden, weshalb es naheliegend schien, im Neusser Museum als einem Zentrum des Symbolismus sie nun unter der Losung „Italien so nah“ erstmals seit 1918 in einer großen Auswahl zu präsentieren.
Den Besucher erwartet ein Rundgang durch Italiens berühmteste Kunststätten. Sortiert nach Orten, entfaltet sich eine kunsthistorische Reise im Kleinen: Die umfangreichste Serie aus insgesamt 28 Aquarellen entführt in die Kirche San Francesco in Assisi, wo die Fresken von Giotto di Bondone und anderen an den Nord- und Südwänden der Oberkirche nun in beseligender Klarheit und Prägnanz bestechen. Dabei wurde die originale Platzierung in einem geschickten Arrangement nachgestellt. Hier besonders offenbaren sich die Eigenschaften des Mediums Aquarell, die die Mattheit des Freskos kongenial zum Ausdruck bringen.
Bei Vergleichen – alte Schwarzweißfotografien aus den Kirchen sind den Werken Ramboux’ zur Seite gestellt – werden allerdings dessen künstlerische Interpretationen deutlich. Ästhetische Eingriffe musste er vor allem bei gewölbten Untergründen vornehmen und erhöhte damit die künstlerische Verklärung. Zudem idealisierte er farbliche Abstufungen. So fand Johann Anton Ramboux in seinen „Nachahmungen“ zu einer eigenständigen Ästhetik. Klar wird auch: Nicht nur die Zugänglichkeit zu bedeutenden Werken der Kunstgeschichte im Sinne einer „Demokratisierung des Bildes“ stand im Raum, sondern auch deren wichtige farbliche Verbreitung zu einer Zeit, als noch keine Vervielfältigung mittels Farbfotografien existierte. Aufwendig muss man sich das erste genaue Nachzeichnen vorstellen. Ramboux benutzte auf die Originale gelegte, ölgetränkte Papiere zum Durchzeichnen mit dem Ergebnis größengleicher Abbildungen, deren reduzierte Liniengerüste er dann in einem weiteren Schritt in kleinformatigere Aquarellfassungen mit hoher Präzision und hell strahlender Farbigkeit überführte.
Von den 30 Orten, die Johann Anton Ramboux in Italien aufsuchte, um zu kopieren, sind 13 in der Neusser Zusammenstellung vertreten. Den Auftakt bestreitet Ravenna mit einer großformatigen Sepiazeichnung vom Mausoleum des Theoderichs, einer bemerkenswert farbenfrohen Illustration vom Inneren des Baptisteriums der Orthodoxen an der Kathedrale oder einem Blatt mit den berühmten Mosaiken von Kaiserpaar Justinian und Theodora in San Vitale. Weiter geht es mit einer Zeichnung des Apsisgewölbes der venezianischen Kathedrale San Marco mit der Figur Gottvaters und Studien zu den kostbaren Fußbodenmosaiken. Eine Gouache illustriert dann die prachtvolle Fassade des Domes von Siena. Arezzo, Urbino, San Gimignano sind weitere Stationen neben Rom und der vor allem bei Weinkennern beliebten Stadt Orvieto.
Geboren wurde Johann Anton Ramboux am 5. Oktober 1790 in Trier. Mütterlicherseits entstammte er der bekannten Kölner Goldschmiedefamilie Welcken. Nach der Ausbildung in Paris und einem Studium an der Münchener Akademie kehrte er immer wieder für längere Zeitabschnitte in seine Geburtsstadt zurück, wo er viele Ansichten von den römischen Sehenswürdigkeiten, von Trier im allgemeinen und der Mosellandschaft schuf, die aber nicht Thema dieser Ausstellung sind. Im Jahr 1858 avancierte er zum ersten Ehrenbürger der Stadt. Heute erinnert an den Maler der seit 1961 in Trier verliehene Ramboux-Preis. Nach vielen Jahren des Reisens durch Italien trat Johann Anton Ramboux 1844 die Stelle des Konservators der Wallrafschen Sammlung in Köln an, Vorgänger des heutigen Wallraf-Richartz-Museum. Darüber hinaus engagierte er sich auch Denkmalpfleger und betreute die Restaurierung des Klaren-Altars im Kölner Dom. Drei Tage vor seinem 76. Geburtstag, am 2. Oktober 1866, verstarb er in Köln, wo er auf dem Friedhof Melaten seine letzte Ruhe fand.
Die Ausstellung „Italien so nah. Johann Anton Ramboux (1790-1866)“ ist bis zum 22. Mai zu besichtigen. Das Clemens-Sels-Museum hat täglich außer montags von 11 bis 17 Uhr, sonn- und feiertags bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Begleitkatalog erschienen, der im Museum 29,90 Euro kostet. |