Die Kunst, online zu lesen.

Home


Magazin

News


Marktberichte


Ausstellungen


Journal


Portraits


Top Event


Netzkunst





Kunst kaufen
Werben

Translation EnglishFrench

Auktionsanzeige

Am 25.09.2024 Auktion 414: September-Auktion

© Neumeister Münchener Kunstauktionshaus

Anzeige

Ländlicher Garten (mit Bauernhaus) / Arnold Balwé

Ländlicher Garten (mit Bauernhaus) / Arnold Balwé
© Kunsthandel Ron & Nora Krausz


Anzeige

Am Strand Liegende, 1923 / Erich Heckel

Am Strand Liegende, 1923 / Erich Heckel
© Kunsthandel Ron & Nora Krausz


Anzeige

Sommertag im Moor, um 1928 / Otto  Modersohn

Sommertag im Moor, um 1928 / Otto Modersohn
© Galerie Neher - Essen


Anzeige

Weide 47 / Ewald Mataré

Weide 47 / Ewald Mataré
© Galerie Weick


Anzeige

Garten mit Rittersporn, Rudbeckia, Mohn und Mergeriten / Klaus Fußmann

Garten mit Rittersporn, Rudbeckia, Mohn und Mergeriten / Klaus Fußmann
© Kunsthandel Hubertus Hoffschild


Newsmailer Eintrag

Bestellen Sie bitte hier:


Suchen mit Google

Google
WWW
kunstmarkt.com

Ausstellungen

Aktuellzum Archiv:Ausstellung

Berlinde de Bruyckere präsentiert im Wiener Leopold Museum ihre fragilen Skulpturen voller Poesie

Natur und Mensch im Leiden vereint



Auf Holländisch ist „Kreupelhout“ ein schönes Wort mit mehreren Bedeutungen. Es bezeichnet Holz, Unterholz oder niederes Buschwerk und verweist ebenso auf einen Körper mit Handicap, der auf einen Stock zum Laufen angewiesen ist. „Glass Dome with Cripplewood“ lautet der Titel einer Arbeit von Berlinde de Bruyckere, die die belgische Künstlerin derzeit im Entree ihrer aktuellen Schau im Wiener Leopold Museum präsentiert: auf einer verwitterten, runden Baumscheibe arrangierte sie ein aufrecht montiertes, etwa 40 Zentimeter langes Rundholz, dessen Ende von einer dunklen Kappe abgeschlossen wird. Über den Stab montiert sind dunkle Stofffetzen, die vulvaartig an dem Holz herabhängen und von diesem durchstoßen werden. Weitere Fetzen, die mit ihren wachsüberzogenen und bemalten Oberflächen an menschliche Haut, Fleisch und Adern, an Knochen und amputierte Gliedmaßen erinnern, umhüllen das malträtierte Innere, das Berlinde de Bruyckere wie eine kostbare Reliquie oder ein medizinisches Präparat unter einem Glassturz präsentiert.


Im Vergleich mit anderen, zum Teil wesentlich größeren Werken veranschaulicht Berlinde de Bruyckere in „Glass Dome with Cripplewood II“ von 2013 ungeachtet der Größe jene Aspekte, die sie in ihrem beachtlichen Schaffen seit mittlerweile 30 Jahren thematisiert: die Verletzlichkeit von Mensch und Natur, das menschliche Bedürfnis nach Schutz und Wärme, nach Liebe und Verständnis, aber auch die oft brutale Realität, die durch Aggression und Gewalt, Schmerz und Angst beherrscht wird. 1964 als Tochter von Eltern, die eine Metzgerei führten, im flämischen Gent geboren, wo de Bruyckere seither lebt und arbeitet, erhielten ihre Skulpturen spätestens 2003 auf der Biennale in Venedig internationale Beachtung. Mittlerweile gehört Berlinde de Bruyckere zu den renommiertesten Künstlerinnen ihrer Generation. Stets rückt sie ihr Augenmerk auf den Körper in seiner rohen Schönheit und Verletzlichkeit. Ihre wesenhaften Gestaltungen, die Spuren von Erlebten in sich tragen und die davon zeugen, dass jeder Körper Metamorphosen durch persönliche, soziale und politische Prozesse erfährt, sind eine eindringliche Formwerdung von Zeit. Diaphane Oberflächen lassen manche ihrer Skulpturen wie Mischwesen zwischen Mensch, Tier und Pflanze erscheinen.

In zeitlosen Figuren setzt sich de Bruyckere mit existenziellen Fragestellungen von Leben und Tod sowie Schmerz und Leid auseinander und betont die Verankerung der menschlichen Existenz im fleischlichen Körper. Waren ihre frühen Arbeiten noch an die Arte Povera angelehnte Plastiken aus Stahl und Beton, arbeitete de Bruyckere Anfang der 1990er Jahre mit aufeinandergestapelten Wolldecken. Inspiriert von Medienbildern des Völkermordes in Ruanda von 1994 begann sie mit figürlichen Darstellungen, die an das Schicksal namenloser Flüchtlinge erinnern. Anlässlich einer Einladung des Flanders Fields Museum in Ieper im Jahr 2000 – ein Museum, das dem Leben des einfachen Soldaten im Ersten Weltkrieg gewidmet ist – entdeckte sie Fotografien mit toten Pferden im Archiv. Dies führte zu ersten Skulpturen aus Pferdehäuten. Mit den Bäumen als Symbol des Lebens und den menschlichen Figuren bilden sie parallel verlaufende Werkstränge, die von der Künstlerin ineinander überführt, vermischt und zu neuen Kompositionen zusammengesetzt werden. Ein Werk scheint das nächste im Ansatz bereits in sich zu tragen, oder den Gedanken, der im vorhergehenden angelegt ist, weiterzuführen und zu vertiefen.

Die Wiener Ausstellung präsentiert mit „Les Deux“ aus dem Jahr 2002 eine Installation, bei der zwei leblose Pferdekörper zwischen den metallenen Stangen von zwei Industrieböcken aufgebahrt wurden. Aus dem Fell der Tiere, Wachs, Textilien und Metall formte de Bruyckere die Körper der Tiere. Die Verwendung des echten Fells verstärkt die Authentizität des leblosen Geschöpfs. Die Pferdekörper sind lediglich ausgeformt, weisen aber keine identifizierbaren Züge auf, weder Augen noch Nüstern. Im Umschreiten der Installation verstärkt sich die Beklemmung. Das weiche und glänzende Fell der Tiere rückt deren Ableben in die Nähe, ihre Versehrtheit verweist hingegen auf den Tod und ihre Platzierung auf eine Ordnung. Von einer Seite betrachtet, wirken die Pferdekörper wie ein Paar, das Sex miteinander hat, von der anderen Seite sind es zwei tote Körper. Neben den Pferdekörpern, als Sinnbild für Leid, Schmerz und Vergänglichkeit, kommt mit den installativ angeordneten und mit Gebrauchsspuren versehenen Eisenstangen noch eine weitere Projektionsfläche hinzu. Die Stangen, zwischen denen die leblosen Körper geschichtet sind und die auf ein Ordnungssystem verweisen, stehen stellvertretend für namenloses Leid, das wir noch nicht kennen, nicht mehr sehen können und vielleicht auch nicht sehen wollen.

Zu „Met Tere Huid VI“, einer plastischen Arbeit von 2002, sowie den im selben Jahr entstanden gleichnamigen Zeichnungen, wurde Berlinde de Bruyckere durch ein türkisches Fotoalbum aus dem 19. Jahrhunderts inspiriert. Darin sind Frauen in Tracht zu sehen, die über einer großen Narbe am Bauch die Kleidung öffnen. Es sind Narben, die durch Kaiserschnitte oder Tumorentfernungen hervorgerufen wurden. Hermaphroditen sind mit Detailaufnahmen ihrer Genitalien darin vertreten, auch Beschneidungen sind Thema. „Met Tere Huid“ lässt mehrere Assoziationen zu – solche an den koitalen Beginn des Lebens, an Verletzungen, an Schutzbedürftigkeit und das Ausgeliefert-Sein menschlicher Geschlechtlichkeit.

Die Visualisierung purer Ästhetik bei gleichzeitigem Transfer beängstigender Botschaften erreicht in Werken wie „Eén“ von 2003/04, „Pièta“ von 2008 oder „Invisible Love“ von 2011 eine Eindrücklichkeit, der man sich noch ungleich schwerer entziehen kann. Den Formationen und Deformationen des menschlichen Körpers als Ort historischer Einschreibungen nimmt sich de Bruyckere mit ihren Skulpturen an, indem sie sich nicht nur von Fotos und Medienbildern, sondern vor allem von der klassischen Ikonografie der Kunstgeschichte, im Besonderen der Malerei der Renaissance und des Barock, inspirieren lässt und sie durch ihre Arbeit aktualisiert. Insbesondere der Motivschatz der christlichen Ikonografie und die sich darin widerspiegelnde Schmerzenskultur dienen de Bruyckere als Ausgangspunkt ihrer Reflexionen.

Mit einer vergleichbar zärtlichen Sorgsamkeit, mit der Lucas Cranachs Maria in der „Pieta unter dem Kreuz“ um 1510 ihren toten Sohn in den Armen hält, bettet Berlinde de Bruyckere die hingestreckte geschundene Gestalt ihrer „Pieta“ sanft auf Kissen. Wie Cranach erklärt die Künstlerin das Leiden, das nach abendländisch-christlichem Verständnis eine der Voraussetzungen für Selbsterkenntnis, Empathie und Erbarmen ist, zur Conditio sine qua non, zur Grundbedingung des menschlichen Seins. De Bruyckere möchte mit ihren Arbeiten nicht schockieren. Vielmehr sieht sie sie als eine Art Katalysator, um die thematisierten Tabus im Dialog zwischen den Arbeiten und den Betrachtern aufzubrechen. „Ich verstehe den Körper als Gefährt. Er ist das Gefährt, welches wir am besten kennen, weil wir in ihm feststecken. Wenn ich diese Plastiken mache, die aus einer sehr starken physischen Erfahrung entstehen, bewirke ich häufig ein Gefühl der Konfrontation. Unbewusst beginnt man sich mit dem eigenen Körper zu vergleichen.“

Mit ihren aus vielen Einzelelementen zusammengesetzten, wächsernen Torsi, die sie von lebenden Modellen, meist Tänzern, abformt, weist de Bruyckere auf die Fragilität und Verletzlichkeit unserer Existenz hin, auf Aggression und Gewalt, aber auch auf ein Bedürfnis nach Verständnis, Schutz und Wärme. „Ich bin mir darüber im Klaren, dass meine Arbeiten eine dunkle Seite besitzen. Zugleich bin ich jedoch davon überzeugt, dass ebenso Poesie in jedem Stück meiner Arbeit steckt. Die Schönheit des Materials, der generell ästhetische Charakter tröstet mehr, als dass sie beunruhigt.“ Dass ihrer „Pieta“ Kopf und Arme fehlen, lenkt den Blick auf die hell schimmernde Haut. Fasziniert von der perlmutternen Farbigkeit, nähert man sich den feinen Adern, die unter der Oberfläche durchschimmern, erkundet die kleinen Erhebungen, die Knochen unter der zarten Oberfläche erahnen lassen, sieht sich nicht satt an den täuschend echt geformten Zehen und Nägeln und der zarten Geste, mit der sich eine Hand in das weiche, unter der Figur liegende Polster drückt, um jäh wieder aufzuschrecken, sobald das Auge den qualvoll mutierten Rumpf gewahrt.

Berlinde de Bruyckeres Personale im Leopold Museum, die sich einer losen Chronologie folgend in einzelne Kapitel unterteilt, ist um das Motiv der Naht konzipiert, die als plastische Metapher des skulpturalen Denkens der Künstlerin verstanden wird. Die Naht als zentrales Motiv von de Bruyckeres Œuvre verweist damit nicht nur auf die Methode der Künstlerin, einzelne Körperfragmente mit diversen Materialien zu vernähen. Sie streicht vor allem die Verletzlichkeit des Menschen als eines der zentralen Themen von de Bruyckeres Werk hervor.

So wie ihre Skulpturen stetes ein Amalgam aus verschiedenen Materialen, ein Zusammenfügen von unterschiedlichsten Anregungen sind, so provozieren ihre Arbeiten gleichermaßen divergierende Gefühle und Emotionen. Indem Berlinde de Bruyckere gefundenes oder gebrauchtes Material in ihren Werken verarbeitet, entsteht ein neues Ganzes, das den materiellen Bestandteilen eine zusätzliche Bedeutung verleiht. Ihre Passion für Fundstücke und gebrauchte Objekte äußert sich auch darin, dass sie in vielen ihrer Arbeiten alte Schaukästen, Sockel und Möbel als zentrale Bestandteile integriert. Die gefundenen Vitrinen verleihen den Objekten jedoch nicht nur eine besondere Patina und die Aura des Vergangenen, sondern verweisen auch auf den von der Künstlerin bewusst intendierten Aspekt der Verletzlichkeit der Skulpturen. Indem Berlinde de Bruyckere ihre fragilen Wachsfiguren durch gläserne Vitrinen schützt, auf Kissen bettet oder gleichsam mit Wolldecken umhüllt, betont sie ihre Fragilität und Verwundbarkeit.

Die Ausstellung „Berlinde De Bruyckere. Suture“ ist bis zum 5. September zu sehen. Das Leopold Museum hat täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags zusätzlich bis 21 Uhr und im August zu den angegeben Zeiten täglich geöffnet. Der Eintritt beträgt regulär 13 Euro, es gibt mehrere Ermäßigungsstufen. Der Katalog kostet 24,90 Euro.

Kontakt:

Leopold Museum

Museumsplatz 1

AT-1070 Wien

Telefon:+43 (01) 525 700

Telefax:+43 (01) 525 701 500

E-Mail: leopoldmuseum@leopoldmuseum.org

Startseite: www.leopoldmuseum.org



08.08.2016

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Jacqueline Rugo

Drucken

zurück zur Übersicht


Empfehlen Sie den Artikel weiter:
an


Weitere Inhalte:

Veranstaltung vom:


08.04.2016, Berlinde De Bruyckere: Suture

Bei:


Leopold Museum

Bericht:


Altenbourg-Preis für Asta Gröting

Bericht:


Iserlohner Kunstpreis für Berlinde de Bruyckere

Bericht:


Sammlungszuwachs für die Hamburger Kunsthalle

Bericht:


Schräge Bilder im Leopold Museum

Künstler:

Berlinde de Bruyckere










Copyright © '99-'2024
Kunstmarkt Media
Alle Rechte vorbehalten


Impressum





Zum Seitenanfang Magazin

 Amazon export/import Schnittstelle xt:commerce u. oscommerce  Amazon ebay rakuten yatego meinpaket export/import Schnittstelle xt:commerce u. oscommerce