Lang ist die Liste der Künstler, die die American Contemporary Art Gallery vertritt, nicht. Aber von einigem Gewicht. Lediglich sechs US-amerikanische Abstrakte der Nachkriegszeit gehören zu ihrem Portfolio. Aber sie alle haben jene Phase der Kunstgeschichte kräftig mitgestaltet, als sich die Szene der Vereinigten Staaten gerade von Europa emanzipierte und in New York eine neue Malerei ausgerufen wurde: der Abstrakte Expressionismus. Adolph Gottlieb, der mit seinen Piktografien und „Imaginären Landschaften“ mit den sonnenähnlichen, strahlenden runden Formen einen neuen Ton in die amerikanische Nachkriegskunst brachte, ist einer von ihnen. Oder auch Jack Tworkov, dessen wilde expressive Phase als Action Painter in den 1960er Jahren dann in eine geometrischen Malerei mündete, sowie der impulsive, farbintensive und vom Tachismus beeinflusste Sam Francis. „Etwas mehr als einen Handvoll Künstler – das reicht“, sagt der Galerist Otto Hübner. Recht hat er, wenn man wie er nicht nur schnell einen Hype erzeugen, sondern ein paar wirklich bedeutende Künstler langfristig in wichtigen Sammlungen und Museen platzieren will.
Seit dreißig Jahren besteht die Galerie, die ihren Sitz in der eleganten Münchner Maximilianstraße hat und in den frühen Jahren ihres Bestehens mit impressionistischer Kunst handelte. Vor mehr als 20 Jahren gab es die ersten Berührungen mit der amerikanischen Nachkriegskunst und Kontakte mit deren Nachlassbetreuern. Die erste Verkaufsschau mit Werken Jackson Pollocks, die je in Deutschland gezeigt wurde, fand in der American Contemporary Art Gallery statt. Auch mit Ausstellungen von Joan Mitchell und Willem de Kooning hat sich die Galerie hervorgetan. Dass bei solchen Namen hinter den Kulissen viel geschubst, gezerrt und gepokert wird, kann man sich leicht vorstellen. Das kostet Kraft, die an anderer Stelle verloren geht. Vor allem garantiert es keine Kontinuität. Das Galeristen-Ehepaar Otto und Kirstin Hübner aber bevorzugt die klare Absprache und das gegenseitige Vertrauen. Für Jackson Pollock und de Kooning oder Joan Mitchell hatten sie nie die Lizenzen in der Hand. Aber ganz aus dem Auge gelassen hat man sie nie.
Doch seit mehr als 20 Jahren besitzen sie für die anderen Künstler die exklusiven Vertriebsrechte in Europa, aber auch für den Nachlass des form- und farbstrengen Gründers der sogenannten New York School, Hans Hofmann, und des Malerbruders Charles Cecil Pollock, der für seine schwarzen kryptischen und blockhaften Formen – ob als Collage oder als Malerei – bekannt ist und erst kürzlich von der Peggy Guggenheim Collection in Venedig in Europa jedenfalls aus dem Schatten seines Bruders herausgeholt wurde. Wer in London, Paris oder Moskau marktfrische, bislang verborgene Werke oder auch Arbeiten aus Werkphasen, die erst in den letzten Jahren in den Fokus geraten sind, erwerben will, wird an der Galerie im Herzen Münchens nicht vorbei kommen. Wer Museumsausstellungen plant übrigens auch nicht. Sie ist die Brücke zu den Nachlässen und den oft noch gar nicht bis ins Letze aufgearbeiteten Konvoluten großer US-Künstler.
Zum 30. Jubiläum heißt es in der Galerie business as usual. Der Amerikaner Richard Pousette-Dart wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden, und das war für die Galeristen Anlass, in diesem Herbst Werke aus sieben Jahrzehnten dieses philosophisch-transzendentalen Malers und Zeichners zu zeigen. Viele nennen seine Gemälde Farbsymphonien. Dem Künstler, der 1959 an der Documenta 2 in Kassel teilgenommen hat, ging es in seinen Arbeiten stets um das Kosmische und um die innere und äußere Ordnung. Wie ein Blick in die Unendlichkeit des Universums, zusammengefügt aus dicht gesetzten knappen Pinselstrichen, wirken die großen Leinwände, die in der Galerie zu sehen sind. Als hätten molekulare Strukturen den Duktus für das von verschiedenen Farbgalaxien durchzogene Rundbild „Palm Sight“ von 1991 bestimmt, ergibt sich ein geordnetes Chaos. Die Preise für die ausgestellten Werke in der American Contemporary Art Gallery liegen zwischen 70.000 und 700.000 Euro.
Richard Pousette-Dart, der in den USA von der renommierten Pace Gallery vertreten wird, ist ein gutes Beispiel, wie die American Contemporary Art Gallery agiert. Während viele sich permanent auf die Jagd nach neuen hoffnungsvollen Blue Chip-Künstlern von morgen machen, verlassen sich Otto und Kirstin Hübner auf die Kraft der Künstler im eigenen Portfolio, deren Bedeutung nicht mehr kleiner werden wird und deren Wert nicht nur in Zahlen festgeschrieben ist. Immer wieder kreisen die hauseigenen Ausstellungen um die amerikanische Abstraktion, sind Werke in das Frankfurter Städel Museum oder an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und in zahlreiche bedeutende Privatsammlungen verkauft worden. Vor drei Jahren hat das Museum Pfalzgalerie in Kaiserslautern eine Ausstellung zu Pousette-Dart präsentiert, die ohne die Münchner Galerie wohl schwerlich zustande gekommen wäre.
Privatsammler schätzen, dass eine Galerie nicht marktschreierisch mit der Kunst umgeht, dass hier ein Teil eines Œuvres eröffnet wird, das noch nicht durch den Fleischwolf des Marktes gedreht wurde. „Natürlich“, sagt Otto Hübner, „haben sich die Preise für Adolph Gottlieb und für Pousette-Dart in den letzten Jahren verdreifacht.“ Rekordmarken von 4,5 Millionen britischen Pfund, die Sotheby´s für Gottliebs „Transfiguration“ erzielte, und von 2,6 Millionen US-Dollar für Pousette-Darts „Bloody Wedding“ bei Christie’s sprechen für sich. Aber die Preise in der American Contemporary Art Gallery sind von den Foundations vorgegeben. Und das heißt, es gibt keine Preistreiberei, kein spekulatives Ausreizen des Preises, weil ein ähnliches Werk auf dem Zweitmarkt gerade die Millionengrenze geknackt hat. „Schlüsselwerke müssen in gute Sammlungen und dürfen der Spekulation nicht ausgeliefert werden“, meint der 56jährige Hübner. Wie gut das dem Galeristenpaar in den letzten Jahrzehnten gelungen ist, zeigt vielleicht die Tatsache, dass bislang nur ein einziges Werk aus ihrer Galerie wieder auf einer Auktion gelandet ist.
Die Ausstellung „The Centennial of Richard Pousette-Dart“ ist bis zum 30. November zu sehen. Die Galerie hat mittwochs bis samstags von 11 bis 15 Uhr sowie nach Vereinbarung geöffnet. |