 |  | Karl Tratt, Hauptwache (Straßenszene mit Gepäckmann), um 1930 | |
Wer sich heute an der Frankfurter Hauptwache aufhält, befindet sich an einem Knotenpunkt im Herzen der Großstadt. Menschen strömen in verschiedene Richtungen, besuchen Geschäfte oder gehen ihrer Arbeit nach. Das bunte Treiben mit all seinen Sinneseindrücken fing Karl Tratt schon um 1930 ein. 1924 entschloss sich der Künstler, von nahen Sindlingen in die Metropole am Main zu ziehen, um sich an der dortigen Städelschule einzuschreiben. Dies glückte ihm zwei Jahre später mit der Aufnahme in die Meisterklasse von Max Beckmann. Tratt erlebte zu jener Zeit die rasanten gesellschaftlichen und technischen Veränderungen der Weimarer Republik und stand künstlerisch unter dem Einfluss neusachlicher Strömungen. Seine bunte Straßenszene der „Hauptwache“ gilt als eines der Hauptwerke. Die dicht gedrängten Figuren befinden sich so nahe am Betrachter, dass dieser sich der Dynamik der Darstellung kaum erwehren kann und mit ins Geschehen gezogen wird. Die abgebildeten Personen blicken in verschiedene Richtungen und vermitteln so den Eindruck von Individualität. Trotzdem bleiben sie anonym in der treppenartig aufgeschichteten großstädtischen Bevölkerungsmasse verhaftet.
Das marktfrische Bild, vom Vorbesitzer aus dem Nachlass des 1937 früh verstorbenen Malers erworben, bietet Irene Lehr am 28. April bei ihrer Versteigerung moderner und zeitgenössischer Kunst in Berlin für 30.000 Euro an. Dass die Szene in der sich heute noch schnell verändernden Welt eine große Aktualität hat, dürfte die Bewertung stützen. Für 4.000 Euro steht von Karl Tratt zudem ein ausdrucksstarker Frauenakt, ebenfalls aus der Zeit um 1930, zum Verkauf. Die Gemalte liegt vom Betrachter abgewandt auf einer Decke in einem kargen Raum. Ihre nicht fertig ausgeführten Hände, die die Bleistiftvorzeichnung durchscheinen lassen, hat sie zu einer Gebetsgeste gefaltet. Zur selben Zeit widmete sich auch Karl Hubbuch einem solchen Motiv. Er führt seine Frau allerdings schlafend und auf dem Rücken liegend vor und liefert sie so unbedeckt dem Betrachter aus. Die Arbeit auf Malpappe ist auf 14.000 Euro geschätzt. Karl Hofer schlägt um 1947 bei seinem „Mädchen mit Waage“ ruhigere Töne an und lässt es nachdenklich die beiden Schalen über einem Tisch austarieren (Taxe 28.000 EUR). Gedankenverloren sitzt zudem Richard Zieglers „Mädchen im Café“ und raucht dabei eine Zigarette (Taxe 8.000 EUR). Auch Dorothea Maetzel-Johannsens Ölgemälde „Sitzender Akt“ verströmt eine melancholische Stimmung (Taxe 8.000 EUR).
Den Menschen im Blick
Dass Klara Borter bei Max Buri studierte, macht ihr farbenfroher „Mann in Uniform“ in klar abgegrenzten Flächen deutlich. Die Schweizerin malte 1918 einen französischen Soldaten, der sich zur Rehabilitation in der Alpenrepublik befand (Taxe 10.000 EUR). Dass Drama des Menschen nimmt Elfriede Lohse-Wächtler 1930 in ihrer intensiven Pastellkreidearbeit „Knollige Frau“ in den Blick, die den Betrachter aus dem derben Gesicht argwöhnisch fixiert (Taxe 25.000 EUR). Carl Lohse verfremdete um 1920 sein „Frauenbildnis“ zur einer schwarzen fratzenhaften Silhouette (Taxe 6.000 EUR). Existenziell geht es zudem bei Ernst Thoms zu. Mit leerem Augen zeigt er „Die Gefangenen“ auf einem Tuscheblatt des Jahres 1920 (Taxe 1.200 EUR), oder spielt auf die menschliche Grausamkeit in seiner zusätzlich aquarellierten „Erschießung“ von 1929 an (Taxe 3.000 EUR). Bei beiden Frauen Ernst Wolfhagens von 1939, die sich beim Spaziergang im Grünen erfreuen, herrscht dagegen ungetrübter Frohsinn (Taxe 4.500 EUR). Auch die drei Mädchen in Trachten, die der Ungar László Félegyházis 1930 in einen undefinierbaren Naturraum gesetzt hat, schauen sorglos in die Welt (Taxe 2.000 EUR).
Die Zeit der Weimarer Republik brachte einiges an gesellschaftskritischer Kunst hervor. Dies manifestiert sich unter anderem im Œuvre von Otto Dix. 1924 fertigte er die Tuschzeichnung einer Bettlerin. Karikierend sitzt die alte Frau vor einem edlen Gartenzaun, der die Grenzen ihres Daseins aufzeigt (Taxe 12.000 EUR). Lotte Laserstein sah Menschen ärmerer Schichten ebenso für bildwürdig an. Im Jahr 1934 entstand ihr Ölgemälde „Alter Mann mit Mädchen auf der Treppe“. Beide sitzen vor einem ländlich anmutenden Holzverschlag. Während der Mann gebeugt zu Boden blickt und von seiner schweren Arbeit gezeichnet ist, schaut das Mädchen direkt zum Betrachter. Sie fixiert ihn in trotz ihrer schwierigen Situation selbstbewusst (Taxe 30.000 EUR). Eine künstlerische Selbstbefragung unternimmt 1963 noch im hohen Alter Ludwig Meidner auf einem Ölgemälde, das ihn im Halbprofil mit Malerkappe vorstellt (Taxe 9.000 EUR). Selbstbildnisse liegen zudem von Herbert Tucholski mit unsicherem Blick unter einer Schiebermütze (Taxe 1.000 EUR) oder in dandyhafter Aufmachung von Clemens Gröszer mit Glaskugel auf den Fingern aus dem Jahr 2006 vor (Taxe 5.000 EUR). Bernhard Heisigs eigenes Konterfei und das seiner Frau Gudrun Brüne verdrängt auf dem Ölgemälde „Als ich versuchte Puppen zu malen“ von 1998 ein monströser, sich aufblähender Puppenkopf (Taxe 18.000 EUR). Kopflos und zur kompakten Fleischmasse verschmolzen ist die „Akrobatin“, die Dieter Krieg 1967 auf seiner fahlen Leinwand auftreten lässt (Taxe 3.000 EUR).
Idyllisch geht es bei Georg Schrimpfs 1931 gemalter „Landschaft bei Aibling“ zu. Die Farben lassen die weite Natur mit Baumgruppen und einem grünblauen Himmel geradezu erleuchten (Taxe 25.000 EUR). Beinahe steril wirken hingegen Josef Mangolds „Anemonen in Vase“, ebenfalls ein neusachliches Gemälde aus den 1930er Jahren. Vor einem schwarzen Vorhang, der links durch ein Fenster den Blick ins Freie zulässt, stechen die Blütenfarben der Pflanzen besonders hervor. Irene Lehr rechnet mit 12.000 Euro. Zur Novembergruppe gehörte die 1996 in den USA verstorbene, heute vergessene Malerin Anne Ratkowski, die sich 1945 in ihrem Stillleben mit einem Paar Kinderschuhe wiederum mit der Neuen Sachlichkeit beschäftigte (Taxe 2.000 EUR). Die lichterfüllten Farben des Südens entdeckte Theodor Rosenhauer in Griechenland und gestaltete mit ihnen in den frühen 1980er Jahren seine stillen menschenleeren Veduten von Gennadi auf Rhodos und einer Kirche am Meer auf Paros (Taxe je 20.000 EUR).
Stefan Plenkers übt sich dagegen bei seinem unaufgeregten Zimmer samt einem „Stillleben mit Kanne und Zitronen“ von 1977 in einer abgemischten brauen Farbpalette (Taxe 20.000 EUR). In eine lyrische Abstraktion schreitet Hans Reichel mit seinem zarten Aquarell „Der Fisch“ von 1952 voran (Taxe 3.000 EUR). Völlig ungegenständlich sind dann schon die schwebenden Formen auf Rudolf Bauers Pastell „Dreiklang“ (Taxe 10.000 EUR) oder die kräftigen Farbspiele auf den beiden Aquarellen „Bach, Bäume“ aus dem Jahr 1919 und „Froher Mittag“ aus dem Jahr 1920 von Fritz Schaefler, die der umfangreiche Nachlass des im Oktober 2017 verstorbenen Bremer Galeristen Rolf Ohse zur Verfügung stellt (Taxe je 2.000 EUR).
Optische Finessen der Nachkriegszeit
Die Op-Art und die Konkrete Kunst gediehen in einem Klima des Stilpluralismus und der Experimentierfreudigkeit der Nachkriegszeit. Erstmals stellten diese Richtungen unter anderem optische oder mathematische Effekte in den Mittelpunkt ihres kreativen Schaffens. Bei der Versteigerung nehmen diese Kunstrichtungen eine wichtige Rolle ein. Einer der konstruktiv arbeitenden Hauptvertreter ist Günter Fruhtrunk. Geometrische Grundformen wie Rechtecke und Kreise in Grau- und Gelbtönen lassen auf seinen „Steigenden Rhythmen in Gelb“, eine hochformatige Ölmalerei auf Hartfaser von 1959/60, das Auge des Betrachters springen, während der Komposition aufgrund ihrer Konstruktion trotzdem eine gewisse Ruhe innewohnt (Taxe 20.000 EUR). Mit optischen Effekten beschäftigte sich zu jener Zeit besonders Victor Vasarely. Seine oft die Augen täuschenden Werke sind teils in großen Auflagen erschienen und somit für weniger gut betuchte Freunde der Op-Art interessant. Ein titelloser dynamischer Farbsiebdruck mit Kreisen vor blaugrauem Hintergrund, die von schwarz-weißen Streifen durchzogen werden, ist auf 350 Euro taxiert. Geometrische Spielereien vollführt gleichfalls Heinz Kreutz 1970 auf seiner farbenfrohen Acryl-Collage „Zweimal neunundvierzig Quadrate über weiß und grau“ (Taxe 2.500 EUR).
Als Klassiker der ZERO-Kunst kann Heinz Mack gelten. Er experimentierte nicht nur mit neuen Formensprachen, sondern auch mit unterschiedlichen Arbeitsmaterialien. Bei seinem „Chromrelief“ von 1971 handelt es sich beispielsweise um einen verchromten Zinkdruckguss mit einer Gitternetzstruktur, die teilweise von kreisförmigen Elementen gefüllt ist (Taxe 4.500 EUR). Günstiger, aber nicht weniger interessant, ist Macks „Galaxis“, ein Sieb- und Prägedruck auf Aluminium-Folienkarton von 1973. Je nach Blickwinkel scheint sich ein blauer Streifen durch das Werk zu ziehen. Die Arbeit erinnert an die kontrastreiche metallische Ästhetik von Röntgenaufnahmen und soll für 400 Euro zu haben sein. Mack war zusammen mit Günther Uecker in der Künstlergruppe ZERO tätig. Seine „Hommage à Achim von Arnim und Clemens Brentano“ aus einem Büchlein und Kissen mit Stecknadeln, erschienen 1969 in einer Auflage von 200 Exemplaren, ist für 6.000 Euro zu haben, ebenso wie sein Nagelprägedruck einer „Spirale“ von 1984 mit besonderer Widmung. Ins Auge sticht ebenfalls Ueckers „Optische Partitur – Beethoven“, eine Lithografie mit Prägungen aus dem Jahr 2000 für 2.000 Euro, die jeglichen musikalischen Nutzen zugunsten einer optischen Visualisierung verloren hat.
Die konstruktive Kunst fand ihre Ausdrucksformen ebenso im dreidimensionalen Raum. Klaus Staudt schuf 1970 beispielsweise das technisch bezeichnete „Auflagenobjekt XI (MU XI O)“. Die Plastik mit orangefarbenen verschieden angewinkelten Kartonquadraten in einem schwarzen Objektkasten wurde 30 Mal hergestellt (Taxe 3.500 EUR). Sein „Wirbel“ von 2007 mit weißen geometrischen Formen in einem tiefen Kubus aus Plexiglas wurde nur fünf Mal produziert, soll aber denselben Preis erzielen. Kuno Gonschiors „Rund Vibration Rot-Grün“ von 1968/69 sticht durch die verwendete Leuchtfarbe auf einem roten Holzkreis mit grünen Punkten besonders hervor. Umgeben ist dieses Werk wieder von einem durchsichtigen Kasten (Taxe 10.000 EUR). Bei Anton Stankowski verlassen die Binnenelemente den fest vorgegebenen Rahmen. Aus einem metallen erscheinenden hochgestellten Quader treten geometrische bunte Trapeze und Quadrate hervor. Die Arbeit liegt als Modell des Bildhauers von 1987 und als größere Multiple-Version mit der Auflage von drei Exemplaren aus dem Jahr 1988 vor (Taxe 6.000 EUR). Weniger mit der Farbe als mit der Form experimentierte Hermann Glöckner. 1983/85 entstand aus dieser Beschäftigung heraus sein „Geöffnetes Quadrat“. Für 5.000 Euro steht damit eine konstruktive Messingplastik zum Verkauf, die die Fläche ihrer titelgebenden Form auflöst.
Bunt ist schön
Für seine informellen Farbkompositionen ist Ernst Wilhelm Nay berühmt. Fleckenhaft erscheint sein titelloses Aquarell von 1955 mit blauen, gelben, grünen und schwarzen Elementen. Bei genauerem Betrachten ist darin eine wohl sortierte organische Komposition erkennbar (Taxe 20.000 EUR). Geordneter geht dagegen Georg Karl Pfahler vor. Seine Hard Edge-Leinwand „B-SB I“ von 1968/69 kontrastiert auf einem Quadrat mit abgerundet Ecken einen roten und einen braunen Farbbereich (Taxe 12.000 EUR). Verspielter geht es dagegen auf einem bunten, aus einzelnen geometrischen Sperrholzteilen zusammengesetzten Relief von Jan Voss mit Ohse-Provenienz aus dem Jahr 2003 zu (Taxe 3.000 EUR). Wie kaum ein anderer Künstler versteifte sich Rupprecht Geiger auf Farben und ihre Tonabstufungen. Selten sind seine plastischen Arbeiten, etwa eine „Modulation“ aus dem Jahr 2001. Das senkrechte Objekt ist mit zwei rot und gelb bemalten gebogenen Kartons bestückt, die konkav einen Holzkasten einkerben (Taxe 6.000 EUR).
Wie Geiger waren Helmut Sturm und Lothar Fischer in München tätig und gehörten zur Gruppe SPUR, die unter anderem mit provokanten Aktionen Schlagzeilen machte und von 1958 bis 1965 bestand. Die wilden abstrakten Sturms, wie seine titellose hauptsächlich rot-schwarze Gouache auf typografisch bedrucktem Karton von 1977 für 1.000 Euro, stehen in Gegensatz zu Fischers figürlichen Arbeiten. Dieser beschäftigte sich unter anderem intensiv mit dem menschlichen Torso und modellierte im Jahr 1981 die Tonskulptur „Kleiner liegender Flügeltorso I“ (Taxe 1.200 EUR). Weit früher verfremdete schon Wilhelm Lehmbruck Körper und war mit seinem Werk dem Bildhauerkollegen Fischer präsent. Das Fragment der 1940 im Krieg zerstörten Steinguss-Skulptur „Mutter und Kind“ von 1918 macht aber nicht nur der abstrahierende Gestaltungswille, sondern auch die leidvolle Geschichte eines eigentlich liebevollen Themas interessant (Taxe 6.000 EUR).
Aus der Klassischen Moderne gesellt sich in der Skulpturenabteilung, die bei Irene Lehr immer gut bestückt ist, noch Philipp Harth mit einem eleganten stehenden Tiger von 1932 in schwarzbrauner Bronze für 3.000 Euro hinzu. Mit der Thematik Tier befasste sich 1961 auch Bernhard Heiliger, fand aber in seiner Skulptur „Vogeltod“ mit zerfurchter Oberfläche zu einer abstrakten Lösung, die die Diagonale betont (Taxe 9.000 EUR). Bei Alicia Penalbas goldbrauner Bronze „Eclat no. 1“ von 1974 steht die Dynamik der aufsteigenden Dreiergruppe im Vordergrund (Taxe 6.000 EUR). „Windschatten“ haben Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff ihre Plastik aus aneinander gelöteten Drähten getauft, die einmal als kompakter Bogen, dann als offenes Bündel auftreten (Taxe 12.000 EUR). Aus braunem Holz hat László Szabó seinen in die Höhe strebenden „Lebensbaum“ in organischen Tropfenformen geschnitzt (Taxe 3.000 EUR). Als Gastgeschenk brachte Edward Kienholz zu einem kleinen Fest, das der Museummann Jörn Merkert dem Amerikaner Mitte der 1970er Jahre in Berlin ausrichtete, die „Kristallvase mit Drahtblumen“ mit, die heute 6.000 Euro kosten soll. Den Menschen nehmen dann etwa wieder Gertraud Möhwald in ihrer glasierten Keramik „Halbliegender Kopf“ um 1990 (Taxe 4.000 EUR) oder Stephan Balkenhol in seiner schwarz patinierten Bronze eines entindividualisierten „Nackten Mannes“ von 1999 in den Blick (Taxe 6.000 EUR).
Facettenreiche Druckgrafik
Hochkarätige Werke sind bei der Versteigerung im Bereich des Expressionismus vertreten. Erich Heckel schuf beispielsweise 1908 einen ausdrucksstarken monochromen Holzschnitt mit zwei angriffslustigen sich gegenüberstehenden Stieren. Die Bedrohlichkeit des Augenblicks weiß der Künstler mit seinem reduziert flächigem Stil momenthaft einzufangen (Taxe 12.000 EUR). Zeichnerischer arbeitete Otto Mueller. In Schwarz- und Gelbtönen zeigt er rücklings „Zwei Badende im Bach“. Die Lithographie aus der Zeit um 1922 verbildlicht sowohl seine Vorliebe für das Exotische, als auch das bei Mueller häufige Thema der Einheit von Natur und Mensch (Taxe 10.000 EUR). Heimatverbundener und bei weitem günstiger ist der Holzschnitt „Buttelstedt“ von Lyonel Feininger. Die umrisshafte Ansicht des thüringischen Städtchens ist auf 200 Euro taxiert. Wieder hochpreisiger wird es mit 10.000 Euro bei Karl Schmidt-Rottluffs kantigem Holzschnitt „Boote auf See“ von 1913, der viel weiße Fläche ausspart und nur durch wenige schwarze Linien das Meer und die beiden Segelboote formt.
Die facettenreichen Möglichkeiten druckgrafischen Arbeitens macht der wandelbare Pablo Picasso deutlich. Vor grauem Hintergrund hat er 1955 auf seiner Aquatintaradierung „Göttliche Besucher im Atelier“ mehrere Figuren angeordnet: Links ist ein Maler mit Staffelei zu sehen, rechts eine Familie mit Kindern. 8.000 Euro soll das 50 Mal gedruckte Blatt erreichen. In der lasziven Kaltnadelradierung „Raphael et la Fornarina XIV“ von 1968 verliert sich dieser Stil zugunsten einer weiter abstrahierenden und allein aus Umrissen aufgebauten Figurenkomposition beim Geschlechtsakt (Taxe 2.500 EUR). In der Entstehungszeit dieses Bilds erhob Andy Warhol das serielle Arbeiten zu einem Hauptelement seines Œuvres. Legendär ist seine „Tomato Soup“ aus der Serie „Campbell’s Soup“. Der großformatige Siebdruck machte das amerikanische Alltagsprodukt zu einer Ikone (Taxe 30.000 EUR). Schon vor dem Erfolg seiner Pop Art kreierte Warhol Druckgrafiken, beispielsweise die aquarellierte Lithografie „Two girls“ aus der Zeit um 1954. Für die keck lachenden Mädchen erwartet Irene Lehr 8.000 Euro.
Pop Art-Kollege Tom Wesselmann meldet sich mit dem flächigen, knallig bunten Farbsiebdruck „Still life with blowing curtain (red)“ von 1998 bei 6.000 Euro zu Wort. Gerhard Richter schlug einen anderen Weg ein. Sein grauer Offsetdruck „Augenklinik“ von 1966 mutet wie eine verschwommene Fotografie an. Heraussticht der Künstlername, der in fetten schwarzen Lettern mit klaren Konturen über den Vorsprung des abgebildeten Klinikums prangt (Taxe 10.000 EUR). Auch Anne Imhof weiß um die Ausstrahlungskraft einer Künstlerpersönlichkeit und hat sich 2017 auf einem bei den „Texten zur Kunst“ erschienen, ebenfalls grauen Siebdruck selbst in Szene gesetzt (Taxe 300 EUR). Aus der jüngeren Künstlergeneration nehmen etwa noch John Bock mit seiner humorvollen Bleistift-Collage „Polke hat Bauchweh“ von 1998 (Taxe 500 EUR) oder Neo Rauch mit dem Farbsiebdruck „Zeit“ von 1988 teil, auf dem ein Mann in einem spiralförmigen Gebilde schwebt (Taxe 900 EUR).
Die Auktion beginnt am 28. April um 13 Uhr im Hotel Bristol am Kurfürstendamm 27 in Berlin. Eine Vorbesichtigung der Werke ist bis zum 26. April von 12 bis 19 Uhr möglich. Der Katalog ist online unter www.lehr-kunstauktionen.de abrufbar. |