Egger-Lienz trifft Dix in Innsbruck  |  | Albin Egger-Lienz, Kriegsfrauen, 1918-1922 | |
Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum präsentiert ab heute in der Ausstellung „Bilderwelten zwischen den Kriegen“ ausgewählte Werke von Albin Egger-Lienz und Otto Dix. Der Erste Weltkrieg prägte sowohl den Tiroler Egger-Lienz als auch den Deutschen Dix. Zum einen nahmen sie als kämpfende Soldaten beziehungsweise Kriegsmaler am Geschehen dieser Zeit teil, zum anderen erlebten sie in ihrer zivilen Welt die persönlichen Erfahrungen von Vergänglichkeit, Schmerz, Angst, Wut und Trauer. Mit insgesamt rund 200 Gemälden, Zeichnungen und Grafiken lässt Kuratorin Helena Pereña in der Schau den komplementären Blick der beiden Künstler auf diese Zeit anschaulich werden.
Zunächst wird eine zwiespältige Faszination für Krieg und Gewalt thematisiert, die die Kunstwelt zu Beginn des Ersten Weltkrieges prägte. „Wer sich Dix’ farbenprächtigen Gemälden nähert, die ob ihrer künstlerischen Vollkommenheit imponieren, wird mit dem Grauen schonungslos konfrontiert. Menschen, die unvorstellbare Qualen erleiden, im Sterben liegen oder bereits tot sind, bevölkern die brutalen Bilderwelten. Dix gelingt es, den Abschaum auf ästhetische Weise zu verarbeiten“, erläutert Helena Pereña. Im nächsten Abschnitt sind keine Leichenfelder mehr zu sehen, sondern die Hinterbliebenen in der Nachkriegszeit: Witwen und Prostituierte sowie Kranke und Kriegsversehrte. Als zentraler Knotenpunkt dient Dix’ „Irrsinnige“ von 1925, eine halb entblößte Witwe, über deren Kopf feuerrote Dämonen kreisen. Allein zurückgebliebene Frauen sind ein Schwerpunkt der Ausstellung. Dix gestaltete sie oft ähnlich wie die Prostituierten und thematisierte so die zwiespältige Rolle der Frau in der Zwischenkriegszeit. Egger-Lienz stellte die Witwen als „Kriegsfrauen“ mit verzerrten, maskenhaften Mienen dar. Sie erinnern an Klageweiber, denen Mitsprache und Mitwirkung an ihrer misslichen Lage entzogen wurde. Die Trauer um verlorene Männer und Söhne manifestiert sich in ihren resignierten Gesichtern.
Anders als Dix reduzierte Egger-Lienz das Menschliche in seinen Figuren, von subjektiven Gesichtszügen bis hin zu auffälliger Kleidung, auf ein Minimum, ebenso seine Farbpalette. Ohne ihren individuellen Charakter werden seine Figuren so zu allgemeingültigen Repräsentanten verschiedener sozialer Gruppen. Dix dagegen fertigte ohne jede Beschönigung individuelle, mal ehrlich realistische, mal fast schmerzhaft überspitzte und karikierende Menschenbilder in greller expressiver Farbigkeit. Trotz dieser formalen Unterschiede gleichen sich die beiden Maler in ihrer Auseinandersetzung mit allgemeingültigen Themen und Fragen nach Leid, Tod und Verlust. Anstatt den Ersten Weltkrieg und seine Folgen dokumentarisch abzubilden, kreierten Dix und Egger-Lienz universelle und bis heute berührende Ikonen des Leids und der Verwüstung.
Die Ausstellung „Egger-Lienz und Otto Dix. Bilderwelten zwischen den Kriegen“ ist vom 17. Mai bis zum 27. Oktober zu sehen. Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum hat dienstags bis sonntags von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Ein Kombiticket für alle Häuser der Tiroler Landesmuseen kostet 11 Euro, ermäßigt 8 Euro. Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre haben freien Eintritt. Begleitend zur Ausstellung ist im Museumsshop ein Katalog aus dem Hirmer Verlag für 38,50 Euro erhältlich.
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
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A-6020 Innsbruck
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