Krasner-Retrospektive in der Schirn Der Pionierin des Abstrakten Expressionismus, Lee Krasner, widmet die Schirn Kunsthalle nach über 50 Jahren wieder eine Retrospektive in Europa. Die Ausstellung will Einblicke in das gesamte Schaffen der Künstlerin in einem Zeitraum von über einem halben Jahrhundert geben. Selbstporträts aus den 1920er Jahren, Aktdarstellungen in Kohle, Werkgruppen, wie etwa die geometrischen „Little Images“ aus den 1940er Jahren oder wegweisende Gemälde der „Prophecy“-Reihe aus den 1950er Jahren, experimentelle großformatige Arbeiten der Serien „Umber“ und „Primary“ aus den 1960er Jahren und späte Collagen der 1970er Jahre bilden die Inhalte der Schau. Philipp Demandt, Direktor der Schirn, verweist auf die noch immer oft vorrangig als männlich wahrgenommene Kunst des Abstrakten Expressionismus und betont die Würdigung Krasners, die mit dieser lange überfälligen Neubewertung einhergehe. Darüber hinaus sei es die einmalige Gelegenheit, die Arbeiten der Künstlerin im Original zu erleben, da sich nur wenige ihrer großformatigen Werke in europäischen Sammlungen befinden.
Der Parcours orientiert sich an den zentralen Aspekten ihrer Tätigkeit und beginnt mit dem frühen Schaffen von Lee Krasner, darunter ihrem Selbstporträt von 1928, mit dem sie sich an der National Academy of Design bewarb, kubistischen Aktzeichnungen in Kohle aus ihrer Studienzeit an der Hans Hofmann School of Fine Arts sowie Fotografien von Schaufenstergestaltungen für das War Services Project, für das Krasner Inspiration beim russischen Konstruktivismus fand. Der Umzug mit ihrem Ehemann Jackson Pollock nach Long Island bildete einen Kurswechsel innerhalb ihrer Kunst. Die abstrakten „Little Images“, die zwischen 1946 und 1950 entstanden, bezeugen die Abwendung vom Kubismus und der europäische Avantgarde. „Shattered Color“ von 1947 offenbart mit der kleinteiligen und scheinbar wirren Struktur die Nähe zu Pollock, jedoch arbeitete Krasner viel kontrollierter. Spätere Gemälde weisen strenge Raster auf, Krasner selbst bezeichnete diese Arbeiten als „hieroglyphisch“. In den 1950er Jahren griff die Künstlerin wieder auf ihre Frühwerke zurück und verarbeitete sie in den „Collage Paintings“, in denen sie Gemälde mit zerrissenen Zeichnungen kombinierte. Der Tod ihres Mannes leitete mit „Prophecy“ von 1956 den nächsten Wendepunkt ein und führte die Künstlerin wieder zu einer mehr figürlichen und kubistischen Bildsprache zurück.
Die 1960er Jahre dominieren großformatige Gemälde auf bis zu 2,5 Meter hohen Leinwänden mit hohem gestischem und zunehmend freiem kalligrafischem Ausdruck. Lee Krasner experimentierte dabei das Malen mit der linken Hand, nachdem sie sich den rechten Arm gebrochen hatte, oder drückte die Farbe direkt auf die Leinwand, um sie mit den Fingerspitzen zu bearbeiten. Ab 1969 entstanden parallel kleinformatigere Serien in Gouache auf handgeschöpftem Büttenpapier. Den Abschluss der Schau bilden zwei Zyklen aus dem Spätwerk, in denen sich die Nähe zur Farbfeldmalerei eines Mark Rothko oder Barnett Newman offenbart. 1976 fertigte Krasner Collagen mit scharfkantigen Formen, für die sie eigene Zeichnungen und Aktstudien in Kohle mit der Schere zerschnitt und neu zusammensetzte, etwa in „Imperative“. Eleanor Nairne und Ilka Voermann, Kuratorinnen der Ausstellung, erläutern: „Unsere Ausstellung zelebriert Krasners künstlerische Wandlungsfähigkeit und stellt den Facettenreichtum ihrer Kunst sowie ihren bedeutenden Beitrag zum Abstrakten Expressionismus vor.“
Die Ausstellung „Lee Krasner“ läuft vom 11. Oktober bis zum 12. Januar 2020. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt hat täglich außer montags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags zusätzlich bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 12 Euro, ermäßigt 8 Euro. Der Ausstellungskatalog kostet in der Schirn 35 Euro, im Buchhandel circa 45 Euro.
Schirn Kunsthalle Frankfurt
Römerberg
D-60311 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (0)69 – 29 98 82 0
Telefax: +49 (0)69 – 29 98 82 240 |