 |  | Franz Anton Bustelli, Figur der Isabella aus der Commedia dell’Arte, 1759/60 | |
Deutschland hat nicht viele Galerien und Kunsthandlungen, die auf eine hundertjährige Geschichte zurückblicken können. Und schon gar keine, deren Geschicke über drei Generationen hinweg von Frauen gelenkt werden, wie die des Kunsthandels Langeloh Porcelain. Bei Friedel Kirsch, der heutigen Inhaberin und Enkelin der Firmengründerin Elfriede Langeloh, ruft das Auswärtige Amt inzwischen nicht mehr an, um wie 1959 für den amerikanischen Präsidenten einen Satz Meißner Kakaotässchen als Gastgeschenk zu erwerben. Die Präsidenten haben sich geändert. Die Präsente auch. Und nicht zuletzt unterscheidet der Käuferkreis für frühe europäische Porzellane streng zwischen High und Low und hat wenig übrig für das Mittlere. „Der Markt ist heute viel anspruchsvoller geworden, Museen und Sammler wollen vor allem bedeutende Stücke“, sagt Friedel Kirsch. Keine 24 Stunden stand das stattliche Paar Meißner Mandelkrähen von 1730 nach Modellen von Johann Joachim Kändler vor zwei Jahren an ihrem Messestand auf den Highlights in München. Es ist das einzige noch existierende Paar von dreien. Der Preis war sechsstellig.
Auch die kleinen Häuschen und Stallungen aus dem sogenannten „Holländischen Dorf“, das der sächsische Minister Graf Brühl 1743 als Porzellandekoration für den Dessertgang anfertigen ließ, gingen einst in Windeseile in Sammlerhand. Seit 1979 befasst sich Friedel Kirsch mit dem Weißen Gold. Vieles übernahmen Museen, wie das exquisite Kofferservice mit Bemalungen von Johann Gregorius Höroldt. Für seltene Stücke, wie den Meißen-Teller aus dem Krönungsservice Augusts des Starken oder die verführerische Isabella von 1759/60 aus der Commedia dell’Arte-Serie nach Modellen Franz Anton Bustellis aus der Nymphenburger Porzellanmanufaktur, die gerade für etwas mehr als 100.000 Euro den Besitzer wechselte, gibt es auf dem internationalen Porzellanmarkt keine Absatzprobleme. In ihrem Haus in Weinheim bei Heidelberg, wo sie heute ihre Galerie betreibt, korrespondiert Friedel Kirsch mit Sammlern und Museen in den USA, in Japan, neuerdings in Lateinamerika, aber auch in ganz Europa.
Gut vernetzt war schon die Firmengründerin. Anders hätte Elfriede Langeloh kaum den Aufstieg von der Hausdame eines Arztes und Porzellansammlers zur „Porzellankönigin“, wie ein Zeitgenosse sie nannte, geschafft. Ein Jahr nach Ende des Ersten Weltkrieges eröffnete die alleinstehende 37jährige Langeloh in Köln ihr erstes Geschäft. Andere Kunsthändler agierten immer noch als Generalisten mit Orientteppichen, Bartmannkrügen und gotischen Madonnen; sie konzentrierte sich ausschließlich auf Porzellan und Fayencen des 18. Jahrhunderts. Selbstbewusst steht sie auf einem Foto aus dieser Zeit neben einem Propellerflugzeug. Während die deutsche Nation über den verlorenen Krieg lamentierte, tauschte sie sich mit so bedeutenden internationalen Händlern wie Willy Lissauer in London aus und knüpfte Kontakte nach Amerika. Elfriede Langeloh war in Kunsthändlerkreisen eine Ausnahmeerscheinung: weiblich, wissbegierig, unverheiratet und erfolgreich – und bald eine Instanz in Echtheitsfragen.
Im Zweiten Weltkrieg konnte sie viele Kunstwerke ins Schloss der Grafen von Schönborn nach Wiesentheid in Franken auslagern. Handel war ihr Lebenselixier. Kaum war das Bombardement vorbei, erwarb Elfriede Langeloh mit einem Berliner Kollegen das Jagdservice des Kurfürsten Clemens August. Die wunderbaren Fayence-Schaugerichte sind heute zum Teil wieder in Schloss Clemenswerth in Norddeutschland zu sehen. Mit 66 Jahren wagte sie 1948 zum zweiten Mal, in Köln ein Geschäft zu eröffnen. Hier ging bald die deutsche Großindustrie ein und aus: Grundig, Thyssen, Oetker. Peter Ludwig, der später die Pop Art liebte, gehörte auch dazu. Viele Sammler blieben treue Kunden, als Langelohs Tochter Paulette Neuhaus Anfang der 1960er Jahre das Geschäft übernahm. Die Porzellanforscher horchten auf, als sie ein sogenanntes Kofferservice mit Bemalung und Signet von dem nicht in der Meißner Manufaktur, sondern frei arbeitenden Hausmaler Bartholomäus Seuter zu Tage förderte. Es ermöglichte erstmals, die Arbeiten der zwei bedeutendsten Augsburger Porzellan-Hausmaler-Werkstätten Seuter und Auffenwerth zu unterscheiden. Gekauft hat es Peter Ludwig, zu sehen ist es in der Sammlung Ludwig in Bamberg.
Nicht weniger spektakulär in der kleinen Welt der Porzellanenthusiasten war kurz darauf ein kompletter Neptunbrunnen des Bildhauers Johann Gottlieb Kirchner, um 1730 Modellmeister in der Meißner Manufaktur und gleichrangig mit Kändler. Die Tischfontäne war ein fürstliches Prestigeobjekt, mit dem sich nicht nur die Wettiner in Sachsen, sondern nachweislich auch die Habsburger und die Hohenzollern königlich amüsiert haben. Denn zur Zeit Augusts des Starken strömten Wein oder Duftwässer aus dem oberen Becken in das reich bemalte Bassin. Die Chance, es zu erwerben, nutzte damals das Hetjens-Museum in Düsseldorf. Kunsthandel und Forschung gaben sich im Hause Langeloh immer die Hand. Der 800 Seiten starke Jubiläumsband ist ein wissenschaftliches Kompendium der bedeutendsten Stücke aus der hundertjährigen Firmengeschichte.
In diesem Jahr nun hat die ebenso traditionsreiche wie renommierte Kunsthandlung ihren „Ritterschlang“ bekommen, wie Friedel Kirsch es nennt. Die Königin der Kunstmessen, die TEFAF in Maastricht, hat Langeloh Porcelain eingeladen, an der Messe im Frühjahr 2020 teilzunehmen. Nur die Tradition, dass Frauen hier die Geschäfte führen, wird demnächst wohl unterbrochen. Juniorchef im Hause Langeloh ist der 40jährige Schwiegersohn Christian Kirsch. |