| | Giovanni Battista Piranesi, Le Antichità Romane. Opera del Cavaliere Giambattista Piranesi Architetto Veneziano divisa in quattro tomi, 1756 | |
Ungefähr 270 Radierungen fertigte Giovanni Battista Piranesi für sein monumentales Werk „Le Antichità Romane“ an und nahm dabei mit fast vollständigem Anspruch die antiken Anlagen in Rom und Umgebung in den Fokus. Nicht nur die Fülle beeindruckt, sondern auch seine qualitativ hochwertige Umsetzung mit ästhetisch reizvollen Ansichten, die einer gewissen Ruinenromantik nicht entbehren und die Antiken detailreich mit gekonnter Lichtregie in Szene setzen. Doch für Piranesi stand dabei nicht nur der optische Genuss im Vordergrund, die ausgemessenen Grundrisse und präzisen Details richten sich etwa an ein Fachpublikum. Bei der römischen Ausgabe von 1756, die Bassenge nun in vier Bänden anbietet, handelt es sich um einen besonders frühen Druck. Dort ist als Widmung noch Piranesis irischer Sponsor und Kunstmäzen James Caulfeild, Earl of Charlemont, verzeichnet, den der Künstler später aufgrund nicht eingegangener Zahlungen tilgte. Die Experten des Auktionshauses vermuten sogar, es könnte sich um eine Ausgabe handeln, die Piranesi in der Accademia di San Luca in Rom für potentielle Subskribenten auslegen ließ. Diese historischen Bezüge sowie die Qualität der frühen Abzüge sollen 38.000 Euro rechtfertigen. Wer weniger auf solche Einheit bedacht ist, kann auf Piranesis beinahe vollständigen Serien „Antichità d’Albano e di Castel Gandolfo“, „Descrizione e Disegno dell’Emissario del Lago Albano“ und „Pianta della Spelonca ornata dagli antichi in riva al Lago Albano“ in einem Band für 7.500 Euro zurückgreifen.
Der Berliner Versteigerer fährt am 27. November ein reichhaltiges Angebot auf: Die Druckgrafik des 15. bis 19. Jahrhunderts umfasst über 650 Offerten, zudem eine Privatsammlung mit 111 Positionen, aus denen die Kunden wählen dürfen. Neben Piranesi listet das 18. Jahrhundert weitere Darstellungen aus dem Sehnsuchtsland Italien. Giovanni Antonio Canal hielt sich weniger strikt als der Vorgenannte an die tatsächlichen Gegebenheiten und schuf eine „Imaginäre Ansicht von Padua“, die zu einem Hauptwerk seines druckgrafischen Œuvres avancierte (Taxe 3.500 EUR). Sein Neffe Bernardo Bellotto war bis zu seinem Lebensende im europäischen Norden, unter anderem in Dresden, tätig und radierte dort „Die Saturnbastei mit dem Wilschen Torturm“, neben der noch einige weitere Monumente der Stadt, wie Teile des Zwingers, zu sehen sind (Taxe 4.500 EUR). Den Mensch stellte sein Pariser Zeitgenosse Gabriel Jacques de Saint-Aubin in den Mittelpunkt, als er 1762/63 mit lockerer Hand in den berühmten Gärten auf zwei Blättern die „Spectacles de Tuileries: Les Chaises und Le Tonneau d’arrosage“ festhielt (Taxe 6.000 EUR). Ohne die Landschaft kommen Giovanni Domenico Tiepolos fantastische Motive des „Studienblatts mit Zwergen und Hunden“ aus, die er seinen verschiedenen Fresken entnahm und neu kombinierte (Taxe 4.000 EUR).
Internationale alte Drucke zur Bibel
Mehr als nur einen einfachen Heiligen mit Attribut setzte der Florentiner Renaissance-Künstler Domenico del Barbieri für seine „Steinigung des heiligen Stefan“ um. Eine Horde wilder Männer führt vor einer detailreichen Stadtkulisse zum Tod des ersten christlichen Märtyrers, der zu Gott und Christus in der oberen Himmelssphäre fleht (Taxe 7.500 EUR). Dynamisch und aufwändig gearbeitet ist ebenso Barbieris Kupferstich des Amphiaraos, eines Sehers des Zeus und Feldherrn aus Argos, den er um 1544/46 nach Rosso Fiorentino gestaltete (Taxe 6.000 EUR). Deutlich statischer ist Israhel van Meckenems spätgotische stehende heilige Katharina vor weißem Grund, die ein großes Schwert als Instrument ihres Martyriums hält und zu deren Füßen das zerbrochen Rad als Symbol ihrer gescheiterten ersten Hinrichtung liegt (Taxe 6.000 EUR). Aufs Neue Testament griff Claude Lorrain zurück und inszenierte „Die Flucht nach Ägypten“ um 1630/33 in einer pittoresken querformatigen Landschaft (Taxe 4.500 EUR). Mit der „Geißelung Christi“ griff sich Luca Cambiaso einen späteren Moment der Jesus-Geschichte heraus, den er im 16. Jahrhundert mit den Mitteln des Holzschnitts grob linear illustrierte und wohl eigenhändig lavierte (Taxe 4.500 EUR). Die „Verklärung Christi“, die Jesus als göttlich scheinend zwischen die Propheten Mose und Elija rückt, radierte sein Landsmann Camillo Procaccini ausdrucksstark um 1587/90 (Taxe 7.500 EUR).
Glück, Tragik und dazwischen der Alltag
Jan Harmensz Mullers figurenreicher manieristischer Kupferstich „Das großes Glück“ von 1590 geht auf ein Motiv Cornelis Cornelisz van Haarlems zurück. Im Zentrum steht die Personifikation des Glücks, die den zahlreichen Menschen allerlei Reichtümer zuwirft. Gierig und ohne Rücksicht kämpfen alle um ihren Anteil, was der üppigen Grafik von zwei Platten eine moralisierende Note verleiht (Taxe 15.000 EUR). Über derartig irdische Belange erhaben scheint die Göttin der Liebe und Schönheit. Drei Grazien bemühen sich bei der Toilette um das Äußere der Venus und sind auf der Radierung nach Francesco Primaticcio mit ihr im Zentrum auf einem Bogen komponiert, der auf ein Wandgemälde als Vorlage verweist (Taxe 6.000 EUR). Dramatisch, aber dennoch mit einer ähnlich ruhigen schönen Dame umgesetzt, ist dagegen Jacques Bellanges „Tod der Portia (Femme au brasier)“. Die Ehefrau des Caesar-Mörders Brutus greift zu der glühenden Kohle in einem prachtvollen Gefäß, die sie sich zum Selbstmord einverleibt, während sie mit der anderen Hand trauernd ein Tuch vors Gesicht hält (Taxe 7.500 EUR).
Alltägliches des niederländischen Lebens erhielt Adriaen van Ostade der Nachwelt. Um 1665/71 nahm er einen umherziehenden Scherenschleifer bei seiner Tätigkeit am mobilen Werkstattwagen in den Fokus, der sein Geld in einem einfachen Dorf verdient. Nachträglich überarbeitete der Künstler die Radierung in den Schatten, doch gerade dieser seltene erste Zustand soll 4.800 Euro legitimieren. Noch skizzenhafter sind Rembrandts „David und Goliath“ aus den „Vier Darstellungen zu einem Spanischen Buche“ von 1655. Grob linierte Zuschauer verfolgen den spektakulären Kampf des gut gerüsteten Riesen mit dem einfachen Jungen im Vordergrund des charmanten kleinen Blattes (Taxe 7.500 EUR). Dass der mehrfach vertretene Großmeister genauso zu detailreicherem Gestalten fähig war, bestätigt die Radierung „Medea“ von 1648, die auch als „Hochzeit des Jason und der Creusa“ geführt wird. In einer hohen überwölbten Halle hat sich die entsprechende Gesellschaft eingefunden, die von einem niedrigeren Standpunkt aus zu sehen ist. Gerade Rembrandts gekonnte Licht- und Schattenregie tritt in dieser Raumgestaltung zutage (Taxe 12.000 EUR). Ausdrucksstark hat er 1628 seine alte Mutter von vorn auf gerade einmal briefmarkengroßem Blatt radiert (Taxe 3.000 EUR).
Grafikklassiker in Serie
Die druckgrafische Umsetzung seiner Folge von Illustrationen zu Ovids Metamorphosen überließ Hendrick Goltzius 1589/90 seiner Werkstatt. Diese verbreitete seine Kompositionen als 52 Kupferstiche zu einem der wichtigsten und am meisten rezipierten literarischen Werke der Antike. Das ambitionierte Projekt führte Robert Willemsz de Baudous wohl nach Goltzius’ Abreise nach Italien fort und ergänzte zwölf Blätter. Die komplette Serie ist für 4.500 Euro zu haben, genauso wie die nach 1586 entstandenen, inhaltlich weniger komplexen „Zwölf Monate“ des Adriaen Collaert und Jan Coellart d.J. mit typischen Natur- und Arbeitsszenen, passend zur entsprechenden Jahreszeit. Beide inspirierte der flämische Landschaftsmeister Josse de Momper zu ihren insgesamt 13 Kupferstichen. Frederick Bloemaert fand sein Vorbild in den Skizzen, Studien und Entwurfszeichnungen seines bekannteren Vaters Abraham Bloemaert, die er als „Oorsprongkelyk en Vermaard Konstryk Tekenboek“ oder „Das Zeichenbuch“ publizierte. Die acht Teile und 155 Kupferstiche umfassende, aufgrund ihrer schon zeitgenössischen Beliebtheit 1740 zum zweiten Mal aufgelegte Folge soll gleichfalls 4.500 Euro kosten.
Häufig vertreten ist der Grafikmeister Albrecht Dürer, der ebenfalls in Serien arbeitete. 1511 erschien etwa seine „Große Holzschnittpassion“, die neben den durchdachten Kompositionen vor allem durch den virtuosen Umgang mit der Technik überzeugt. Ihr Titelblatt zeigt Christus als Schmerzensmann, der auf das tragische Ende der Geschichte vorausweißt (Taxe 4.500 EUR). Im Kupferstich setzte Dürer um 1498 seine friedvolle „Madonna mit der Meerkatze“, benannt nach dem exotischen Tier unten links um, die fein ausgeführt vor einer idyllischen Landschaft sitzt, während das Jesuskind auf ihrem Schoß mit einem Vogel spielt (Taxe 12.000 EUR). Noch detailreicher ist der um 1501 entstandene „Heilige Hubertus“, auch „Eustachius“ genannt, dem im Wald ein Hirsch mit Kreuz im Geweih erscheint und den seine Hunde und Pferd umgeben. Im Hintergrund der reichen Vegetation ist eine urige Burg auf einem Berg angesiedelt (Taxe 18.000 EUR). Mit der berühmten „Melencolia I“ gibt Dürer der kunsthistorischen Forschung bis heute Rätsel auf. Wohl auch deshalb, weil sich einige Symboliken darin nie ganz entschlüsseln lassen, stieg der Kupferstich von 1514 zu einem der bekanntesten des Nürnbergers auf. Bassenge fordert dafür 120.000 Euro.
Von weißen Stühlen bis zu tanzenden Hunden im 19. Jahrhundert
Sachlich neutral positionierte Peter Ilsted einen weißen Stuhl vor einem nur schemenhaft erkennbaren Sekretär. Die Wände des Raumes beließ er ebenso kahl. Sein radikales Interieur als Schabkunst-Probedruck von 1915 weist damit auf den immer stärkeren Verzicht auf das Ornament in der Moderne voraus (Taxe 3.500 EUR). Viel volkstümlicher sind die von Charles François Gabriel Levachez nach Antoine Charles Horace Vernet farbradierten „Dog dancing – La danse des chiens“, die um 1810/20 im Kreis der Stadtbewohner artistische Kunststücke vorführen (Taxe 1.800 EUR). Victor Adam beschäftigte sich mit anderen Geschehnissen auf den Straßen. 1828 erschien die zwölfteilige, von Charles Motte als Lithografien umgesetzte Serie „Panidochème ou toutes sortes de voitures“ über neuartige Verkehrsmittel (Taxe 1.800 EUR). Die symbolisch stärker aufgeladenen Tendenzen des Fin de Siècle vertritt etwa Max Klinger, dessen Aquatinta „Und doch!“ einen selbstbewussten stehenden Männerakt mit erhobenen Armen in freier dunkler Landschaft darstellt. Das achte Blatt der Folge „Vom Tode, Zweiter Teil, Opus XIII“ als Abzug einer verworfenen kleineren Platte hat Seltenheitswert und soll 2.500 Euro einspielen.
Woher die Strenge vieler früher Fotografien stammt, lässt sich in François Aubertins Aquatinta „Le Fumeur (Bildnis des Malers Jacques-Luc Barbier)“ nach Jean-Baptiste Isabey nachvollziehen. Die Manier der Zeit um 1804 porträtiert den Raucher edel gewandet vor neutral dunklem Grund (Taxe 1.800 EUR). Intimer ist Dominique Vivant Denons Lithografie „Der Kuss“ von 1813/18. Den Bezug auf ein inniges Paar des venezianischen Barockmalers Pietro Muttoni macht schon die historische Kleidung deutlich. Vivant Denon legte seinen Fokus auf die Gesichter der umschlungenen Liebenden und schuf damit trotz der kunsthistorischen Referenz ein eigenständiges Werk (Taxe 1.800 EUR). Noch freier formulierte Paul César Helleu um 1900 dem „Bildnis der Consuelo Vanderbilt, Duchess of Marlborough“ aus. Die feinen Linien der edlen Dame mit Hut und grazilem Gesicht verlieren sich unter dem vom Pelz verdeckten Hals in eine immer gröbere Skizze (Taxe 3.500 EUR). Abstrakter ist Jacques Villons flächig gestaltete Grafik „Premiers beaux jours, ou La Dame en bleu“ von 1902, die die titelgebende Frau mit ausladendem blauem Kleid ins Zentrum einer nur angedeuteten Umgebung rückt (Taxe 2.400 EUR).
Eine Privatsammlung großer Namen und mit kritischem Potenzial
Die Privatkollektion, der Bassenge diesmal einen eigenen Katalog gewidmet hat, glänzt mit vielen angesehenen Künstlern. Nach Pieter Bruegel d.Ä. stach Pieter van der Heyden 1563 etwa „Die magere Küche“. In einer einfachen Stube ernähren sich ausgehungerte Gestalten teils im gierigen Wettstreit um die wenigen Lebensmittel. Einen wohl genährten Mann befördert eine jener schlaksigen Figuren hinten zur Tür nach draußen (Taxe 4.500 EUR). Im Gegenstück „Die fette Küche“ herrscht indessen die Völlerei dicker Menschen, die nun einen dünnen Dudelsackspieler im Hintergrund mit einem beherzten Tritt hinauswerfen (Taxe 6.000 EUR). Die extreme Gegenüberstellung von Armut und Not sowie Reichtum und Überfluss provozierte, trägt aber ebenfalls bis heute zum Ruhm Bruegels bei. Ähnlich moralisierend ist der gleichsam von Pieter van der Heyden für Bruegel um 1558 umgesetzte Stich „Nemo Non – Niemand (Jeder schaut auf seinen Vorteil)“ mit Menschen, die um materialistische Güter zerren (Taxe 7.500 EUR). Sozialkritik lässt sich versteckter in der „Kirmes am St. Georgstag“ finden, die Joannes und Lucas van Doetecum für Pieter Bruegel reproduzierten und in der zwei Männer einer Prügelei neben Tanzenden im Vordergrund eher zujubeln, anstatt sie zu unterbinden (Taxe 8.000 EUR).
Auch für den frühen deutschen Grafiker Martin Schongauer konnten sich die Sammler begeistern, etwa für den Kupferstich „Der Heiland krönt die heilige Jungfrau“, in dem Christus auf einem monumentalen Thron sitzt und die fein ausgeführte Maria vor ihm kniet (Taxe 12.000 EUR). Profanerem wandte sich der Meister MZ zu, hinter dem Matthäus Zasinger steht. Mit „Aristoteles und Phyllis“, die den unter ihr liegenden Mann auspeitscht, reiht er sich in die im 15. und 16. Jahrhundert beliebten Darstellungen der Männertorheiten um die Gunst der Frau ein (Taxe 6.000 EUR). Innerhalb dieser klassisch ausgerichteten Grafiksammlung dürfen Dürer und Rembrandt nicht fehlen. Von Ersterem sticht besonders der technisch virtuose und detailreiche Holzschnitt „Das babylonische Weib“ aus der der „Apokalypse“ um 1496/98 hervor (Taxe 9.000 EUR). Außerdem gibt es von Dürer den seltenen Kupferstich „Die Heilige Familie“ um 1512 für 4.500 Euro. Mit seiner schon zu Lebzeiten hochpreisigen und deshalb „Hundertguldenblatt“ genannten Szene „Christus heilt die Kranken“ glänzt Rembrandt noch heute. Neben der gelungenen Komposition überzeugt er wie Dürer mit technischer Raffinesse, die den Interessenten 18.000 Euro abverlangen soll.
Am 27. November versteigert Bassenge in Berlin ab 10 Uhr die Druckgraphik des 15. bis 17. Jahrhunderts, die Privatsammlung und im Anschluss ab 15 Uhr die jüngeren Positionen bis ins 19. Jahrhundert. Alle Lose sind vom 21. bis zum 25. November von 10 bis 18 Uhr und am 26. November von 10 bis 17 Uhr zu besichtigen. Zudem sind sie unter www.bassenge.com online abrufbar. |