 |  | Lovis Corinth, Eisbahn im Berliner Tiergarten, 1909 | |
Für Flaggen hatte Lovis Corinth immer ein besonderes Faible. „Wenn es wo Fahnen gab, war er schnell bei der Hand zum Malen“, erinnerte sich seine Ehefrau Charlotte Berend-Corinth später an den Spleen ihres Mannes. Lustig flattern die deutschen Reichsflaggen auch auf seinem Gemälde „Eisbahn im Berliner Tiergarten“ von 1909. Für das Motiv musste Corinth nicht lange laufen, das beliebte Ausflugsziel lag ganz in der Nähe seiner Wohnung. Mit flottem Pinselstrich hielt der Künstler die freizeitliche Atmosphäre fest, die sich wie auf den Winterbildern der alten Niederländer mit allerlei geübten Schlittschuhläufern füllt. Auf der Abendauktion moderner und zeitgenössischer Kunst bei Ketterer in München ist das Gemälde, das schon mehrmals, darunter zuletzt 1994 bei Christie’s in London, den Besitzer gewechselt hat und zuletzt 1996/97 in München, Berlin, Saint Louis und London öffentlich ausgestellt war, mit 250.000 bis 350.000 Euro einer der Hingucker.
1910, als Mitglied der Dresdner Künstlergruppe „Brücke“, bemalte Hermann Max Pechstein mit rauem Pinsel eine etwa einen halben Meter im Quadrat messende Leinwand mit zwei „Tänzern“. Der Mann und die ekstatisch verzückte Frau verschmelzen fast ohne Konturen mit dem Hintergrund. Noch vor kurzem war das Bild in einer Pechstein-Ausstellung in der Geburtsstadt des Künstlers Zwickau zu sehen, nun soll es am 6. Dezember für 600.000 bis 800.000 Euro versteigert werden. Erich Heckel war während des Ersten Weltkriegs als Sanitäter an der deutsch besetzten Nordseeküste Belgiens stationiert. Dort malte er 1916 eine scheinbar idyllische „Hafeneinfahrt“, als liege Europa in tiefstem Frieden. Aber blutrote Wolken zucken am Himmel und deuten das Gemetzel an. Aus dem Besitz des Hagener Sammlers Gustav Ferdinand Jung blieb das Gemälde bis heute in Familienbesitz und war erst seit Februar dieses Jahres im Buchheim Museum Bernried öffentlich ausgestellt (Taxe 250.000 bis 350.000 EUR). Selbe Provenienz besitzt Ernst Ludwig Kirchners 1920 in der Schweiz entstandenes farbenprächtiges Ölbild „Heimkehrende Ziegenherde“ (Taxe 400.000 bis 600.000 EUR).
Prominentes Mitglied der Münchner Bewegung „Blauer Reiter“ war Gabriele Münter, von der unter anderem die 1911 datierte Murnau-Impression „Tauwetter im Dorf“ (Taxe 250.000 bis 350.000 EUR) und eine stille blaue Berglandschaft mit Nebelstreif von 1944, auch „Moor im Herbst“ betitelt, für 150.000 bis 250.000 Euro zum Aufruf kommen. Bereits im Schweizer Exil malte Alexej von Jawlensky 1915 das träumerische Stillleben „Bunte Blumen“ (Taxe 140.000 bis 180.000 EUR) und zwei Jahre später als Teil der größeren Serie „Mystische Köpfe“ eine leider nicht näher identifizierbare „Dichterin“ (Taxe 300.000 bis 400.000 EUR). Zurück in Deutschland, begann der Künstler seine berühmte Reihe abstrakter Köpfe, zu der auch die farblich gedeckte „Winterstimmung“ von 1932 gehört. Emilie Esther „Galka“ Scheyer, die Jawlensky jahrelang finanziell und ideell unterstützte, nannte das kleine Bild seit 1933 ihr Eigen (Taxe 240.000 bis 280.000 EUR).
Wer es lieber mit den nicht so geläufigen Namen hält, sollte etwa zu Paul Kleinschmidts in buttrigen Farben und hoher Präsenz gemalter „Dirne, sich pudernd, im gelben Korsett“ von 1938 (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR) oder zu Dorothea Maetzel-Johannsens expressionistischem Portrait „Annemarie I (Am Fenster)“ von 1920 greifen (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Teils blasiert warten Damen und Herren der feinen Berliner Gesellschaft um 1932 auf Jeanne Mammens Tuschezeichnung „Vor der Theaterkasse“ (Taxe 25.000 bis 35.000 EUR). Von einem Gedicht Blaise Cendrars’ ließ sich Sonia Delaunay-Terk zu ihrer Gouache „Zenith“ von 1914 inspirieren, die in ihrer typischen Vermischung von leuchtenden Farben, geometrischen Formen und Schrift angelegt ist und als Reklameentwurf für die Schweizer Uhrenfirma Zenith diente (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR).
Die Abstraktion der frühen Nachkriegszeit repräsentiert Ernst Wilhelm Nays buntes „Persisches Gedicht“ von 1949 aus der Werkserie der „Fugalen Bilder“, auf dem sich allerdings auch einige gegenständliche Elemente wie Augen und eine Malpalette eingeschlichen haben (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR). Später erweiterte sich der Kunstbegriff, die klassischen Gattungen wurden gesprengt, wofür ein leuchtendes gelb-orangefarbenes Kissenbild Gotthard Graubners von 1996/97 (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR) und die Nageleien Günther Ueckers wie ein „Bewegtes Feld“ von 1983 (Taxe 140.000 bis 180.000 EUR) und das eineinhalb Meter im Quadrat messende „Weiße Feld“ von 1994 für 500.000 bis 700.000 Euro stehen. Ein abstraktes Bild mittlerer Größer Gerhard Richters in dominierendem Grün mit der Werknummer 605-2 und der Datierung 1986 schlägt mit 600.000 bis 800.000 Euro zu Buche. Betont verrätselt gibt sich Konrad Klaphecks „Verschwörung“ von 1967, auf der zwei traditionelle Keramikisolatoren und die Stromkabel einen seltsamen Schatten an die hinter ihnen befindliche weiße Wand werfen (Taxe 250.000 bis 350.000 EUR).
International wird es mit Barbara Hepworths durchlöcherter Rhombenstele „Square Forms (Two Sequences)“ aus der Serie der „Pierced Forms“ von 1963 (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR). Ihren schottischen Kollegen William Turnbull findet man ebenfalls nicht so häufig auf dem deutschen Kunstmarkt. Ketterer offeriert in seinem „Evening Sale“ gleich zwei Bronzearbeiten des Briten in abstrahierter Menschengestalt aus süddeutschem Privatbesitz: die totemartige „Female Figure“ von 1989 mit archaischen Ritzzeichen und die „Figure“ von 1992 als schlanke Stele mit großem rundem Bauch für jeweils 100.000 bis 150.000 Euro. Aus der amerikanischen Pop Art winkt Andy Warhol mit dem gedruckten und malerisch übergangenen „Portrait of a Lady“ von 1984, hinter dem die New Yorker Society-Dame Joan Robbins steht, für 400.000 bis 600.000 Euro herüber.
Nach Frankreich geht es dann mit Pablo Picassos farbiger Kreidezeichnung „Les Déjeuners“ von 1961 nach Edouard Manets berühmtem Gemälde im Musée d’Orsay in Paris (Taxe 300.000 bis 400.000 EUR). Zwei strichmännchenartige Figuren irren auf Jean Dubuffets wild-informeller „Esplanade rose“ von 1953 umher (Taxe 400.000 bis 600.000 EUR). Yves Klein setzte dagegen auf ein von ihm entwickeltes tiefes Blau, das er 1958 auf einer runden Steingutscheibe (Taxe 180.000 bis 240.000 EUR) oder etwa ein Jahr später auf einer querrechteckigen Hartfaserplatte aufbrachte (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR). Die polnisch-französische Variante der Op-Art vertritt Wojciech Fangor mit einem nach außen hin zunehmend unscharf werdenden schwarzen Kreis und einer genauso angelegten Ellipse auf einer Leinwand mit dem sachlichen Titel „# 4“ von 1963 (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR).
Die jüngste Kunst repräsentieren Norbert Biskys drei Meter breite Leinwand „Sturz der Giganten“ von 2003, auf der sich Jungmänner im Schießen und Raufen üben (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR), oder Tony Craggs konturenreiche und hochglänzende Edelstahlplastik „Runner“ von 2013 (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR). Eine abstrakte, von Linien durchzogene Komposition von André Butzer aus dem Jahr 2008 (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR) erinnert ein wenig an Max Ernsts „Manifestation Vietnam“, auf der er 1966/69 über blau-grünem Grund mit der Technik der Oszillation rote Farbspuren legte (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR). Eine unbetitelte Acryl-Abstraktion Katharina Grosses von 2015 besteht aus sich überlagernden Farbseen (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR). Adrian Ghenie holt wieder etwas mehr Gegenstand in die Malerei, wenn er 2003/04 auf dunklem Grund den gotischen Turm des Wiener Stephansdoms aufschießen lässt (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR). Und der inzwischen über neunzigjährige Amerikaner Alex Katz steuert den altersberuhigten, fast fünf Meter breiten Landschaftsausschnitt „White Pine 2“ von 2003 für 300.000 bis 400.000 Euro bei.
Die Auktion „Evening Sale“ von Ketterer beginnt am 6. Dezember um 17 Uhr. Die Besichtigung ist am 4. Dezember von 10 bis 20 Uhr und am 5. Dezember von 10 bis 18 Uhr möglich. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.kettererkunst.de. |