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Marktberichte |
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Moderne und zeitgenössische Kunst bei Bassenge in Berlin  Schiele revisited

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 |  | Max Liebermann, Stillleben – Alter Stuhl, Dreimaster, Buch mit Siegel, 1869/70 | |
Als Max Liebermann im Januar 1868 nach nur gut einem Jahr wegen „Studienunfleiß“ von der Universität Berlin exmatrikuliert wurde, hatte er erst einmal einen großen Krach mit seinem Vater. Dieser, ein wohlhabender Kaufmann, hielt wenig von den Neigungen und Lebensentwürfen seines Sohnes. Dennoch unterstützten die Eltern den Anfang Zwanzigjährigen weiterhin finanziell und ermöglichten ihm den Besuch der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar. Hier wurde er Schüler des belgischen Historienmalers Ferdinand Pauwels, der ihn offenbar in die richtige Spur brachte und nicht zuletzt mit dem Werk Rembrandts bekanntmachte. Einem der frühesten bekannten Bilder Liebermanns ist dieser Einfluss anzumerken: Eine konzentrierte Stille geht von dem 1869/70 geschaffenen „Stillleben – Alter Stuhl, Dreimaster, Buch mit Siegel“ aus, mit tastendem Pinselstrich sind die Gegenstände aus dem olivgrünen Grund herausgearbeitet. Fast dreißig Jahre später, als Liebermann bereits eine veritable Berühmtheit war, wurde das kleinformatige Bild auf der Großen Berliner Kunstausstellung präsentiert. Jetzt bildet es mit einer Schätzung von 30.000 Euro eines der Hauptlose der Versteigerung moderner Kunst bei Bassenge in Berlin.
Zugleich ist Liebermanns Gemälde am 6. Juni eines der ältesten Werke. Ebenfalls noch aus dem 19. Jahrhundert stammen Paul Gauguins jugendstilartiger Holzschnitt „Mahna No/Varua Ino“ von 1893/94 aus der nach Tahiti-Zeichnungen entstandenen Folge „Noa Noa“ (Taxe 10.000 EUR) und James Abbott McNeill Whistlers 1879/80 datierte Radierung „The Palaces“ mit einer Venedig-Ansicht für 6.000 Euro. Von Henri de Toulouse-Lautrec kommen zwei plakatartige Farblithografien aus dem Jahr 1895: „Irish and American Bar, Rue Royale – The Chap Book“ mit zwei feinen, zylindertragenden Herren auf den Barhockern (Taxe 15.000 EUR) sowie „La revue blanche“ mit einer nobel gekleideten Dame (Taxe 10.000 EUR). Ein Jahr darauf schuf Odilon Redon die geheimnisvolle symbolistische Lithografie „Vieux chevalier“ (Taxe 12.000 EUR). Ebenfalls noch in der Kunst des 19. Jahrhunderts wurzelt Lesser Ury, von dem Bassenge aus einer englischen Privatsammlung mehrere Zeichnungen wie ein 1922 datiertes Selbstbildnis frontal für 5.000 Euro oder einen Rauchenden im Café für 6.000 Euro anbietet. Mit 24 Zeichnungen und druckgrafischen Blätter ist Max Oppenheimer gut vertreten, die seine psychologisierende Bildniskunst auf Radierungen von August Strindberg, Heinrich Mann oder Tilla Durieux ebenso spiegeln (Taxen bis 900 EUR), wie sein Vorliebe für Musik in der Darstellung des Hess-Quartetts von 1915 (Taxe 1.800 EUR) oder das Menschengewimmel auf dem „Potsdamer Platz“ von 1912 (Taxe 1.200 EUR).
Als Wegbereiter der italienischen Moderne ist der schon 1916 verunglückte Umberto Boccioni in die Geschichte eingegangen. Seine in Form einer Radierung 1908 verewigte „Ines“, die ein bisschen an Henri Matisse erinnert, lässt noch nicht die volle Wucht seiner wenig späteren futuristischen Kunst erkennen (Taxe 18.000 EUR). Auf deutscher Seite beeindruckt Emil Nolde mit der 1907 in 37 Exemplaren verbreiteten Kaltnadelradierung „Kniendes Mädchen“ und dem fünf Jahre jüngere Holzschnitt „Prophet“ (Taxen je 15.000 EUR). Nicht ganz so bekannt geworden ist Frans Masereel, der in kontrastreichen Papierarbeiten wie der Pinselzeichnung einer wohlhabenden „Menschenmenge“ vor einer apokalyptischen Industriekulisse von 1918 nicht zuletzt sozialkritische Anliegen zum Ausdruck brachte (Taxe 12.000 EUR). Auch Rolf Nesch brachte es mit abstrahierten Schöpfungen wie der hübschen Komposition „Fischerboote bei ruhiger See“ von den Lofoten aus dem Jahr 1936 eher zu lokaler Berühmtheit (Taxe 7.500 EUR).
Zu den frühesten Arbeiten der ungegenständlichen Kunst bei Bassenge gehört eine Gouache mit Kreis und eckigen Formen von Edmund Kesting aus dem Jahr 1919 (Taxe 10.000 EUR). Ansonsten kommt diese Richtung hauptsächlich nach 1945 zum Zuge, so etwa in den schönen geometrischen Spätwerken Hermann Glöckners „Keil nach links in Schwarz und Grau“ von 1969 (Taxe 8.000 EUR) und „Verklammerung von schwarzer und weißer Keilform“ von 1980 für 6.000 Euro. Unverwechselbar für die zart hingehauchte Malweise Julius Bissiers ist eine „Abstrakte Komposition“ aus dem Jahr 1957 für 5.000 Euro. International wird es noch einmal mit Joan Miró und seinen spielerisch-fantastischen Gestalten der „Série I“ von 1952 für 18.000 Euro. Pablo Picasso stellt mit der 1934 geschaffenen Radierung „En la Taberna. Pêcheurs Catalans en Bordée (Au Cabaret)“ samt tanzendem Akt für 40.000 Euro sogar das Hauptlos der Versteigerung.
Von dem inzwischen über achtzigjährigen Eugen Schönebeck, der nach vielversprechendem Karrierestart bereits 1967 überraschend den Pinsel aus der Hand legte, gibt es eine eindrucksvolle Bleistiftstudie dreier Soldaten, bei denen die harte Prägnanz des Zeichenduktus dem Motiv entspricht (Taxe 2.400 EUR). Die Ereignisse des 20. Juli 1944 bannte der Wiener Künstler Alfred Hrdlicka 1974 im Jahr der dreißigjährigen Wiederkehr des gescheiterten Hitler-Attentats in eine Mappe von 53 Druckgrafiken und betitelte das ganz unterschiedliche Situationen während der Nazi-Herrschaft illustrierende und imaginierende Werk „Wie ein Totentanz“ (Taxe 9.000 EUR). Markus Lüpertz ist mit einer furiosen abstrakten Ölmalerei samt Profilkopf auf collagiertem Velin vertreten, betitelt „Orpheus“ und mit 25.000 Euro bewertet.
Das wilde West-Berlin des Neoexpressionismus verkörpert Luciano Castellis mehr als lebensgroße Darstellung eines zweigeschlechtlichen „Transi stehend“ von 1983 (Taxe 12.000 EUR). Zwei Jahre zuvor nahm Johannes Grützke Egon Schiele auf den Arm, indem er sich ein bekanntes Selbstportrait von diesem anverwandelte und mit ironischen Aufschriften versah. Auch Grützkes ein Jahr zuvor verstorbener Lehrer Oskar Kokoschka wurde parodiert (Taxe 2.800 EUR). Der klassischen romantischen Landschaftsmalerei sah sich 1979 der mit Grützke gleichaltrige Matthias Koeppel bei seiner kleinen Holztafel „Tegeler Fließtal“ verpflichtet (Taxe 1.200 EUR). Aufhorchen lässt der Name Lotte Laserstein angesichts ihrer in jüngster Zeit stark gestiegenen Prominenz. Die Offerten bei Bassenge datieren aber offenbar erst in die späteste Zeit der 1993 mit 94 Jahren verstorbenen Künstlerin; zumindest ihre „Junge Frau mit Malerkittel“ ist auf das Jahr 1987 datiert (Taxe 4.000 EUR).
Zu den ältesten Skulpturen der Auktion gehört Hippolyte Le Roys voll in Aktion befindliche „Tänzerin“ aus dem Jahr 1887, die beinahe zu fliegen scheint (Taxe 8.000 EUR). 14.000 Euro sollen zwei spielende Hunde kosten, die die auf solche Tierdarstellungen spezialisierte Renée Sintenis 1937 in Miniaturformat verbildlicht hat. Am Kubismus orientierte sich der 2005 verstorbene Herbert Strässer in goldbraun patinierten Bronzen wie „Harlekin“ und „Madame de Pompadour“ für jeweils 7.000 Euro. Jacques Lipchitz, einer der wichtigsten Bildhauer des Kubismus, hatte sich im Alter dagegen ein bisschen davon abgekehrt, wie seine „Variation of the Rape of Europa F“ von 1969/70 in ihren bewegten Rundungen demonstriert (Taxe 22.000 EUR). Aus dem Todesjahr André Massons datiert der wie ein Relief in Bronze gegrabene „Cheval effrayé par le sang“ nach einer freilich schon weit mehr als zwanzig Jahre älteren Terrakotta (Taxe 15.000 EUR). Gegen Massons existenzielle Unruhe setzt Klaus Schwabe bei seiner klassischen Bronzegruppe „Die zwei Schwestern“ auf eine heitere Gelassenheit (Taxe 4.500 EUR).
Einen Sonderkatalog hat Bassenge gut 140 Losnummern mit überwiegend expressionistischen Arbeiten auf Papier aus einer deutschen Privatsammlung gewidmet. Einige der bedeutendsten Stücke stammen von Käthe Kollwitz, etwa ihre berühmte siebenteilige Folge „Der Bauernkrieg“ von 1902/08 (Taxe 12.000 EUR), vier gezeichnete Ansichten eines schnurrbärtigen Arbeiterkopfes von circa 1904 (Taxe 6.000 EUR) oder die in kräftigen Kohlestrichen festgehaltene „Mutter mit weinendem Kind auf dem Arm“ von 1919 für 15.000 Euro. Ein weiterer bevorzugter Künstler war Alfred Kubin, dessen riesenhafter „Affe“ um 1903/04 gerade eine wehrlose nackte Frau von hinten umklammert (Taxe 7.500 EUR), während die Figur eines männlichen „Kronos“ mit gewaltigen Schritten über die Welt hinwegeilt (Taxe 10.000 EUR). Emil Noldes unter grünem Himmel aufragende „Große Mühle“ auf einer Farblithografie von 1907 soll 15.000 Euro kosten.
Die Auktion beginnt am 6. Juni um 11 Uhr. Die Vorbesichtigung ist bis zum 4. Juni täglich von 10 bis 18 Uhr in der Rankestraße 24, 10789 Berlin, möglich. Aufgrund der aktuellen coronabedingten Einschränkungen bittet Bassenge um vorherige Anmeldung. Der Katalog ist im Internet unter www.bassenge.com abrufbar. |  | Kontakt: Galerie Bassenge Erdener Straße 5a DE-14193 Berlin |
 | Telefon:+49 (030) 893 80 290 | Telefax:+49 (030) 891 80 25 |  |  | E-Mail: info@bassenge.com |  | Startseite: www.bassenge.com |
04.06.2020 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Johannes Sander |  |
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 Lesser Ury,
Rauchender im Café |  | Taxe: 6.000,- EURO Zuschlag: 26.000,- EURO Losnummer: 8467 |  |  |  |  |  | 
 Käthe Kollwitz,
Bauernkrieg,
1902/03 bis 1908 |  | Taxe: 12.000,- EURO Zuschlag: 16.000,- EURO Losnummer: 8031 |  |  |  |  |  | 
 Lesser Ury,
Selbstbildnis
frontal, 1922 |  | Taxe: 5.000,- EURO Zuschlag: 14.000,- EURO Losnummer: 8463 |  |  |  |  |  | 
 Käthe Kollwitz,
Mutter mit weinendem
Kind auf dem Arm, 1919 |  | Taxe: 15.000,- EURO Zuschlag: 26.000,- EURO Losnummer: 8094 |  |  |  |  |  | 
 Hippolyte Le Roy,
Tänzerin, 1887 |  | Taxe: 8.000,- EURO Zuschlag: 6.000,- EURO Losnummer: 8324 |  |  |  |  |  | 
 Käthe Kollwitz,
Arbeiterkopf in vier
Ansichten, um 1904 |  | Taxe: 6.000,- EURO Zuschlag: 36.000,- EURO Losnummer: 8040 |  |  |
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