Wie schon in früheren Auktionen des Wiener Dorotheums zählten auch dieses Mal bei der Kunst aus der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart Arbeiten von Lucio Fontana zu den Höhepunkten. „Deposizione di Cristo“, eine virtuos ausgeformte und glasierte Keramikinterpretation der Kreuzabnahme von 1954/56, holte sich mit einem Gebot von taxkonformen 210.000 Euro zum Auftakt die Bronzemedaille, während Fontanas leuchtend blaues „Concetto Spaziale, Attesa“ wie erhofft das Siegertreppchen stürmte und einen Sammler zu 450.000 Euro verführte. Angedacht waren für die 1967/68 einmal mit einem vertikalen Schnitt aufgeschlitzte Leinwand 400.000 bis 600.000 Euro. Den zweiten Platz sicherte sich das begehrte Covermotiv des Katalogs von Jannis Kounellis. Der Vertreter der Arte Povera gestaltete seine riesigen Rauminstallationen aus einfachen alltäglichen Materialien; bei seinem Spitzenlos von 1989 waren es eine Eisenplatte, Kohlestücke, Bleiummantelungen und eine breite schwarze Farbbahn. Die 280.000 Euro für die Lumpen-Findelkinder entsprachen ebenfalls den Erwartungen.
Ein weiterer Wegbereiter der „armen“ Kunstströmung beehrte das Dorotheum: Alberto Burri überarbeitete sein Materialbild von 1947 mit einer schrundigen Oberfläche rund 40 Jahre später mit roter Signalfarbe, was nun die untere Schätzgrenze von 140.000 Euro zur Folge hatte. Zu Publikumslieblingen avancierten außerdem farbige Kompositionen, wie Piero Dorazios harmonisches Geflecht aus Blau- und Pinktönen „Chiar di Luna“ von 1962, das mit 110.000 Euro seine Bewertung traf, oder Carlos Cruz-Diez’ verspielte Farbstreifen-Struktur „Physichromie 1498“ von 2007, die ihre untere Taxierung von 80.000 Euro erreichte und bei der sich der venezolanische Künstler von den Farbversuchen von Isaac Newton und Georges Seurat beeinflussen ließ. Yayoi Kusamas kleine, von violetten Punkten übersäte Leinwand „Early Spring – Infinity Dots A.A.B.B.“ von 2003 animierte die Käufer zu einem Gebot von 95.000 Euro (Taxe 90.000 bis 120.000 EUR).
Gute Ergebnisse für die Nachkriegskunst
Trotz einer erfolgreichen Zuschlagsquote von 76 Prozent, die sich im Nachverkauf noch auf 85,5 Prozent erhöhte, blieben am 25. November einige Spitzenwerke liegen. Besonders enttäuschend: Günther Ueckers genagelte Holzbüste seiner Schwester Rotraut, bei der mit 300.000 bis 400.000 Euro spekuliert worden war, und der „Cube (B)“ von Sol LeWitt. Die Farbstreifenkomposition von 1994, die einen Würfel ausbildet, war erst im Juni beim Kölner Konkurrenten Van Ham für 110.000 Euro zugeschlagen worden. Jetzt standen schon 160.000 bis 180.000 Euro auf dem Preisschild; doch niemand wollte da mitgehen. Dafür schloss die frühe regelmäßige „Superficie bianca“ von Enrico Castellani aus dem Jahr 1963 mit guten 140.000 Euro ab (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR), während seine zehn Jahre jüngere, aufwändiger mit einer Keilform reliefierte Leinwand bis zum Nachverkauf warten musste, um bei 118.000 Euro erlöst zu werden (Taxe 130.000 bis 180.000 EUR).
Ausgewählte Werke aus Österreich bot die Abteilung „Art for Furtue“, mit deren Erlös der Einlieferer, der Bankenriese UniCredit Group, junge Künstler unterstützen wird. Alle Lose fanden ihre Käufer, besonders das drei Meter breite Querformat „Zwei Kontinente“, ein geometrischer Parkgrundriss mit einer Pilz- und Schmetterlingsbaumlandschaft, den Rudolf Hausner nach den Regeln des Phantastischen Realismus 1961 umgestaltet und mit einem Selbstbildnis bereichert hatte, spielte 105.000 Euro für den guten Zweck ein (Taxe 80.000 bis 140.000 EUR). Wolfgang Holleghas monumentale „Komposition“ aus bewegten Farbverläufen von 1974 legte mit 85.000 Euro erfreulicherweise 5.000 Euro über dem Wunschgebot nach, und dank zweier großformatiger, abstrakter Bilder von Josef Mikl kamen noch 55.000 Euro für die in Orange grundierten „Ritter und Dame“ und 45.000 Euro für die „Figur auf Gelb“ in den Topf (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR und 40.000 bis 60.000 EUR).
Auch außerhalb der Sammlung des Bankenkonzerns wartete das Dorotheum mit hochkarätiger österreichischer Gegenwartskunst auf. Arik Brauer traf mit seinem detailreichen, fantastischen „Turmbau in Babel“ den Geschmack mehrerer Bieter, was die Gouache auf 65.000 Euro katapultierte (Taxe 35.000 bis 50.000 EUR). Maria Lassnig hatte mit ihrem um 1947/48 kraftvoll gemalten Stillleben eine wichtige Botschaft: „Macht Schluss mit Hass und Rache“ – das erhielt Zuspruch und ein Gebot von 50.000 Euro (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR). Der Über-Maler Arnulf Rainer ließ dem Käufer seiner Übermalung „Das schwarze Blut des Kreuzes“ von 1984/85 keinen Raum für Spekulationen, was einst auf dem für 80.000 Euro zugeschlagenen Foto unter den dicken Ölfarbschichten zu sehen war (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Für einen unerwarteten Geldsegen über 175.000 Euro sorgte „BI 4“, ein Passstück aus weiß gefasstem Aluminiumguss, das Franz West 1990 als Prothese für den menschlichen Körper angefertigt hatte (Taxe 70.000 bis 100.000 EUR).
Mit einiger Verzögerung
Unter den internationalen Losen blieb eine unbetitelte Collage von Antoni Tàpies leicht hinter den Erwartungen zurück; das Objektbild aus einfachen Materialien schloss mit einem Untergebot von 85.000 Euro statt 90.000 bis 120.000 Euro ab. So erging es gleichfalls der späten dynamischen Informel-Leinwand „T1989-E21“ von Hans Hartung, die mit 155.000 Euro anstelle der erhofften 160.000 bis 220.000 Euro abschnitt. Ordnung und Rhythmus bestimmen das minimalistische Œuvre Lee Ufans. Das stieß auf Gegenliebe: „From Line No. 790256“ bestätigte seine mittlere Schätzung bei 110.000 Euro. Neben all den farbenfrohen Arbeiten Andy Warhols stachen seine in schlichtem Schwarz und Weiß gehaltenen kleinen „Flowers“ von 1964 heraus und pendelten sich auf die untere Taxgrenze von 140.000 Euro ein. Mit Hilfe des Nachverkaufs schaffte dann Warhols schrill bunter Siebdruck aus der berühmten Marilyn Monroe-Serie von 1967 bei 100.000 Euro den Absprung (Taxe 120.000 bis 140.000 EUR), ebenso Roy Lichtensteins comicartiger Reliefdruck „Two Nudes“ von 1994 bei 140.000 Euro (Taxe 140.000 bis 160.000 EUR).
Knallig bunt sind Peter Halleys geometrische Farbkompositionen, die er in fluoreszierende Neonfarben taucht und ihnen damit die schreiende Aufmerksamkeit einer Leuchtreklame verleiht. Das konstruktivistische Großformat „Adhesive Causality“ von 2010 zog einen Sammler an, der 100.000 Euro am unteren Schätzrand investierte. Für Farbtupfer in kahler Landschaft sorgten Christo und Jeanne-Claude. Der erst in diesem Jahr verstorbene Künstler und seine Frau waren für Großprojekte in der ganzen Welt bekannt; eines davon war 1989 „The Umbrellas“, für die er blaue und gelbe Schirme zugleich in Japan und den USA aufstellte. Eine dazugehörige Studie mit Technikangaben und topografischer Karte war einem Liebhaber 150.000 Euro wert (Taxe 120.000 bis 180.000 EUR). Für Adrian Ghenies großflächig übertünchtes Portrait „Lenin’s Eyes“ blieb es bei den unteren angesetzten 75.000 Euro, während Norbert Biskys erotisches Jungmännerbild „Das geh’ ich melden“ von 2003 mit demselben Ergebnis seine Preisvorstellungen von 40.000 bis 60.000 Euro klar überbot.
Zwischen Kalligrafie und Action Painting ist der Stil des CoBrA-Künstlers Pierre Alechinsky angesiedelt, so wie es das ungestüme Durcheinander von „Les inondés“ eindrucksvoll illustriert, das mit 110.000 Euro hinter den Erwartungen von mindestens 130.000 Euro zurückstehen musste. Eine ähnliche Bildsprache findet sich bei einer unbetitelten wandfüllenden Malerei von Alfons Schilling aus dem Jahr 1960/61, die schon mehrfach ausgestellt und abgedruckt wurde. So eine Berühmtheit ließ sich der Bieter von 105.000 Euro nicht entgehen und erhöhte damit die anvisierten 60.000 bis 100.000 Euro. Der spitz zulaufende „Cacciatore“ von Asger Jorn aus dem Jahr 1958 zielte getreu seines Titels und schoss übers Ziel hinaus: Mit 60.000 Euro verdoppelte er die Erwartungen.
Ebenfalls 30.000 Euro erhofften sich die Wiener Experten von Mario Schifanos Hommage an den großen amerikanischen Limonaden-Hersteller mit dem weiß-roten Logo und wurden von 70.000 Euro positiv überrascht. Die Freude ging weiter: Für Armans dekonstruierte, wie Brotscheiben aufgeschnittene Bronze „Vénus des Arts“ wurden 80.000 Euro geboten (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR), für Helmut Federles grau-olivfarbenes „Corner Field Paintig XX“ von 1995 einträgliche 37.000 Euro (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Den krönenden Abschluss markierte ein farbiger Offsetdruck von Gerhard Richter, der seine Tochter Betty im rot geblümten Bademantel in Rückenansicht zeigt. Diese verschwommen fotorealistische Version aus dem Jahr 2014 stammte aus einer deutschen Privatsammlung und war dieser vom Künstler persönlich übergeben worden. Fast schaffte es das letzte eifrige Bietergefecht des Abends, den Wert mit einem Zuschlag bei 130.000 Euro zu verdreifachen (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR).
Gewinner bei den kleinen Preisen
Na, das fängt ja gut an! Gleich das erste Kunstwerk im zweiten Auktionsteil am 26. November löste einen Bieterwettstreit aus. Erst bei 60.000 Euro fiel der Hammer für Arnulf Rainers kraftvoll bearbeitete, titellose Holztafel von 1986, bei der sogar der Aluminiumrahmen übermalt war (Taxe 38.000 bis 55.000 EUR). Mehr spielte nur ein Werk ein, das unterschiedlicher zu Rainers Übermalungen kaum sein könnte: Damien Hirsts unikates Multiple „Happiness“ ist eine farbenfrohe Collage aus bunten Schmetterlingen, Einwegspritzen und kleinen weißen Pillen in einer Holzbox und brachte dem Dorotheum Glück und noch dazu 65.000 Euro ein (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR). Ansonsten konnten die Wiener Experten mit einer losbezogenen Zuschlagsquote von fast über 75 Prozent wiederum sehr zufrieden mit Auswahl und Nachfrage sein, auch wenn preislich die Ergebnisse nicht so hoch lagen, wie im ersten Teil.
Der gute Zweck trieb hier wiederum die Kauflaune an, und so fand jedes Los innerhalb der Art for Future-Offerte einen Abnehmer. Mehr noch, August Wallas großformatiges und kunterbuntes „Glücksteuflein“ erlebte sogar eine Wertsteigerung von 15.000 Euro auf 45.000 Euro, genauso wie Jakob Gasteigers quadratische, in tiefblauen Rillen gespachtelte Leinwand von 6.000 Euro auf 14.000 Euro und Franz Grabmayrs mit Farbmasse nicht geizender „Felsen im Kamp“ von 7.000 Euro auf 16.000 Euro. Erfreulich war zudem das Ergebnis für Grabmayrs „Große Eiche“, ein farbintensives Monumentalporträt seiner österreichischen Heimat von 1980, das für 36.000 Euro den Besitzer wechselte (Taxe 25.000 bis 45.000 EUR). Ins Schwarze traf mit 18.000 Euro eine Plastik von Erwin Wurm, die wie ein Fels daherkommt, aber aus Kunststoff, Beton und Acryl gefertigt ist (Taxe 12.000 bis 20.000 EUR).
Zu einer der Überraschungen mauserte sich Victor Vasarelys „IOL“ von 1958, ein frühes Musterbeispiel aus seinem „Manifest Jaune“ in schwarzen und gelben Grundformen, das seinen Einsatz auf 40.000 Euro verdoppelte. Die exakte Tuschestudie eines dreieckigen „Labyrinths“ von Robert Morris aus dem Jahr 1973 konnte ihren Wert auf 26.000 Euro gar verdreifachen. Besser als erwartet schnitt auch die kleine, rostig patinierte Stahlskulptur „Grenze weg“ von Tony Cragg aus kumulierten amorphen Gebilden mit 34.000 Euro ab (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Einen Erfolg bei 30.000 Euro verbuchte Hermann Nitschs blutiges Überbleibsel seiner 51. Kunstaktion auf der Arte Fiera Bologna im Jahr 1976 (Taxe 12.000 bis 22.000 EUR). „Sex sells“ bestätigte sich mal wieder bei einem Ölgemälde von Rainer Fetting, auf dem er den unbekleideten dunklen „Shamir“ auf einem Stuhl posieren lässt und sich damit 38.000 Euro verdiente (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Mit 36.000 Euro nur knapp dahinter rangierte Markus Lüpertz’ mystisches „Profil“ von 1985 aus der Werkreihe „10 Bilder über das mykenische Lächeln“ (Taxe 35.000 bis 45.000 EUR).
Nur 26.000 Euro zahlte ein Käufer für Mattia Morenis kunterbunte und ironische Hommage an den großen Geist Mondrians von 1986 (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Schwingende Farben und ein breiter kurzer Pinselduktus finden sich auf Herbert Brandls titelloser Arbeit von 2011, die für 24.000 Euro taxkonform wegging, ebenso wie Jean Tinguelys motorisiertes Multiple „Do-It-Yourself Sculpture“ in Form einer Vierteluhr auf schwarzem Holz. Fassbar und figurativ konnten gegen Ende der Auktion noch ein paar Lose gewinnbringend die Ziellinie passieren: die vielschichtige, naiv gestaltete Bildergeschichte „Le Fil de l’histoire“ von Jan Voss aus dem Jahr 1965 für 20.000 Euro (Taxe 12.000 bis 16.000 EUR), Jan Lebensteins fantasievolle Fabelwesen auf der Leinwand „Derrière de paradis“ für 22.000 Euro (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR) und Césars zu einer hochrechteckigen Skulptur zusammengepresste Fanta- und Cola-Dosen von 1989 für denselben Preis (Taxe 14.000 bis 18.000 EUR). Eine Steigerung auf 17.000 Euro erlebte dann noch eine Folge von acht Pigmentdrucken in Knallfarben, auf denen Marc Quinn 2007 stark vergrößerte Darstellungen von Blüten und Früchten abbildete (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR).
Alle Preise verstehen sich als Zuschläge ohne das Aufgeld. |