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Marktberichte |
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Meisterhafte Arbeiten der Werkstatt Abraham und David Roentgen bildeten das Herzstück der Versteigerung von Kunsthandwerk bei Lempertz in Köln. Doch auch sonst zeigten sich die Sammler bei mehreren Privatsammlungen spendierfreudig Kaisers Schreibtisch
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| | David Roentgen, Schreibtisch, um 1785 | |
Nur sechzehn Losnummern umfasste ein schmaler, aber edel gebundener Katalog zur jüngsten Versteigerung von Kunsthandwerk bei Lempertz in Köln. Diese sechzehn Stücke aber hatten es in sich, handelte es sich doch um erlesene Meisterwerke einer der bedeutendsten Kunstschreinerwerkstätten Europas im 18. Jahrhundert. Von Neuwied am Rhein aus belieferten Abraham Roentgen und sein 1743 geborener Sohn David Roentgen halb Europa mit ihren atemberaubend feinen und zugleich raffinierten Möbeln. In den frühen 1780er Jahren erreichten sie mit Verkäufen an den Königshof in Frankreich und die Zarin Katharina in Russland ihren Höhepunkt – bis Geschmackswandel, Französische Revolution und Napoleonische Umbrüche der Werkstatt wirtschaftlich den Garaus machten. Mitten in der schmerzvollen Abwicklung seiner Firma starb David Roentgen 1807.
Meisterwerke der Roentgen-Werkstatt
Auch heute sind die Erzeugnisse mit der Roentgen-Signatur buchstäblich ein Vermögen wert, so dass Lempertz es sich nicht nehmen ließ, extra eine stattliche Suite zum eigenen 175. Firmenjubiläum zusammenzustellen. Mit Ausnahme zweier Schatullen konnten alle Offerten für insgesamt 1,8 Millionen Euro einschließlich der Aufgelder versteigert werden. Mehrere Einlieferungen kamen aus westfälischem Privatbesitz, etwa ein ovales Arbeitstischchen im frühklassizistischen Stil mit idyllischen Landszenen aus den späten 1770er Jahren für 150.000 Euro (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR) oder ein über und über mit Blumen geschmückter Schreibschrank des ausgehenden Rokoko, der noch von Vater Abraham Roentgen um 1765 hergestellt wurde und jetzt bei 300.000 Euro die Zuschlagsliste anführte (Taxe 300.000 bis 400.000 EUR).
Kein Geringerer als der freilich hochumstrittene letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. findet sich in der Provenienzliste eines weiteren Schreibtischs aus der Zeit um 1785. Kurz nach seiner Flucht in die Niederlande im November 1918 scheint sich der Ex-Monarch von dem guten Stück wieder getrennt zu haben, das jetzt für 210.000 Euro den Besitzer wechselte (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR). Mit dem Etikett „Die schönste klassizistischen Kommode von David Roentgen“ für ein zurückhaltend dekoriertes, aber ungemein fein gearbeitetes Werk von etwa 1780/85 mit ausgesuchtem Furnierbild konnte Lempertz 260.000 Euro generieren (Taxe 200.000 bis 250.000 EUR). Mit 170.000 Euro etwas unterhalb der Erwartungen blieb ein Zylinderbüro, dessen Front in voller Breite mit einer chinoisen Gartenlandschaft nach einer künstlerischen Vorlage von Jean-Baptiste Pillement und Januarius Zick verziert ist. Den Spitzenwert bei den Schatullen Abraham Roentgens eroberte sich ein Exemplar um 1755/60 mit einem markanten Rautenmuster und verstecktem Schloss bei 32.000 Euro (Taxe 40.000 bis 45.000 EUR).
Zum Abschluss eine teure Platte
Aus dem Hauptprogramm mit rund 430 Offerten konnten am 13. November knapp 300 weitervermittelt werden, was einer für das Kunstgewerbe vorzüglichen losbezogenen Zuschlagsquote von gut 68 Prozent entspricht, wobei die Glas- und Keramikwaren noch einmal zehn Prozent auflegten. Gleich zu Beginn sorgte eine blaue, wohl niederländische Glasflasche mit diamantgraviertem Blütendekor aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert mit einem Zuschlag bei 36.000 Euro – dem Sechsfachen der oberen Taxe – für eine Überraschung. Ein venezianischer oder nordböhmischer Becher, dessen Wandung rasterartig mit mehrfarbigen Emailtupfen geschmückt ist, verbesserte sich von 3.000 bis 4.000 Euro auf 25.000 Euro. Beim Porzellan brachte es eine Kelsterbacher Tabakdose mit dem Portrait des hessischen Landgrafen Ludwig VIII. und mehreren schönen Landschaften aus den späten 1760er Jahren für 30.000 Euro am weitesten. Den Dekor schuf wohl Friedrich Carl Wohlfahrt nach Vorlagen der Darmstädter Hofmaler Georg Adam Eger und Johann Christian Fiedler (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Bei den Fayencen bestach eine naturalistisch gestaltete Kohlkopfterrine, die um 1750/54 von Paul Anton Hannong in Straßburg für das Jagdschloss Clemenswerth im Emsland angefertigt wurde, zu 19.000 Euro (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR); für ein Potpourri mit Blüten und Insekten aus derselben Werkstatt gab es 16.000 Euro (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR). Die Arbeiten stammten ebenso aus westfälischem Privatbesitz wie ein großer Birnkrug aus Hanau mit figürlicher Malerei und Vermeilmontierung des Nürnberger Meisters Wolfgang Rößler für 26.000 Euro (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Beste Qualität hatte Lempertz auch beim Silber zu bieten, das mit 175 Positionen umfangreich besetzt und mit 119 verkauften auch gut nachgefragt war. Höhepunkte waren etwa ein Paar Augsburger Toilettendosen von Gottlieb Satzger mit Blumen und Blattmuscheln aus der Mitte des 18. Jahrhunderts für taxgerechte 20.000 Euro, ein hoher Nürnberger Akeleipokal mit wappentragendem Putto von Heinrich Straub aus dem frühen 17. Jahrhundert für 46.000 Euro (Taxe 28.000 bis 30.000 EUR) oder ein apfelförmigen Gefäß, geschaffen um 1663/66 von Marx Merzenbach aus Augsburg, für 28.000 Euro (Taxe 18.000 bis 20.000 EUR).
Eichhörnchen, Bussard und Seelöwe – letzterer das Wappentier der Nürnberger Patrizierfamilie Imhoff – tummeln sich auf einem Birnpokal des späten 16. Jahrhunderts von Hans Winckler für 32.000 Euro (Taxe 20.000 bis 24.000 EUR), während gut eine Generation später Hans Emmerling für die Löffelholz von Colberg ein ähnlich geformtes Stück mit einem stattlichen Wappenträger schmückte. Hier kamen sogar 48.000 Euro heraus (Taxe 25.000 bis 28.000 EUR). An der Spitze stand aber für 52.000 Euro der große und schwere Augsburger Akeleipokal, den Hans Endres um 1651/54 im Nachgang des Westfälischen Friedens mit dem wohlmeinenden Spruch „Gott lob der uns so gütig liebt, dem Kriege wehrt und Fride gibt“ gestaltet hatte (Taxe 50.000 bis 55.000 EUR). Auch Silber des 20. Jahrhunderts war bei Lempertz zu haben, etwas das ovale Jugendstiltablett aus der Serie „Magnolia“ von Georg Jensen von 1905 für 6.000 Euro (Taxe 4.800 bis 5.000 EUR) oder das Kaffee- und Teeservice „No. 1017“ aus Jensens Werkstatt, das Henning Koppel 1952 in den organisch schwingenden Formen dieses Jahrzehnts entworfen hatte. Hier kamen die anvisierten 12.000 Euro zusammen.
Gegen Ende der Auktion sorgte der Aufruf einer prachtvollen Commessoplatte für eine große Überraschung. Der auf solche Arbeiten spezialisierte Steinschneider Cosimo Castrucci schuf die Arbeit mit einer Ansicht von Florenz Ende des 16. Jahrhunderts. Statt der angegebenen 30.000 bis 40.000 Euro spendierte eine fürstliche Sammlung für das Objekt schließlich stolze 230.000 Euro. Damit war schon viel Feuer verschossen. Denn für einen Kommodenaufsatzschrank von Abraham Roentgen, der sich durch sein auffälliges Nussmaserfurnier und die in den Türen eingelegten Elfenbeinbilder auszeichnet, konnte sich dann niemand mehr erwärmen (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR), ebenso wie für eine kleine Schreibkommode aus Schloss Versailles, die Johann Gottlieb Frost um 1785/89 mit dunklem Mahagoni-Holz in klassizistischen Formen produziert hatte (Taxe 45.000 bis 60.000 EUR). Beim modernen Kunstgewerbe, das Lempertz schon am 12. Dezember verhandelt hatte, reüssierten Jacques-Émile Ruhlmanns eleganter quaderförmiger Barschrank aus dunklem Amaranthfurnier und weißen geometrischen Elfenbeineinlagen um 1925 bei 40.000 Euro (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR) und Line Vautrins unregelmäßiges Spiegelobjekt um 1965 mit einem strahlenförmigen Kranz aus Kunstharzstäben bei 15.500 Euro (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR).
Sammlung Dreßen
Aus der Sammlung des Münsteraner Ehepaares Renate und Tono Dreßen stammten knapp zweihundert weitere Glas- und Porzellanarbeiten, von denen knapp 86 Prozent neue Inhaber fanden. Passend zum Beruf des 2019 verstorbenen Bauunternehmers setzte sich ein Meißner Schreibzeug des mittleren 18. Jahrhunderts in Form eines zweistöckigen Wohnhauses von Johann Joachim Kändler und Johann Gottlieb Ehder in einer Pariser Bronzemontierung mit 38.000 Euro an die Spitze der Zuschlagsliste (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Den zweiten Rang besetzte, bei einer Schätzung von nur 1.000 bis 1.500 Euro ebenfalls überraschend, ein zwanzig Zentimeter langer Meißner Löffel aus den frühen 1740er Jahren mit dem Wappen der Anna Maria Luisa von Medici. Von 1691 bis 1716 war sie als Gemahlin Johann Wilhelms Kurfürstin von der Pfalz, kehrte nach dem Tod ihres Gatten aber in ihre Florentiner Heimat zurück. Ein großer Glashumpen wohl aus Böhmen, datiert 1601 und prachtvoll mit 56 Wappen des Heiligen Römischen Reiches geschmückt, verdoppelte seine untere Schätzung auf 16.000 Euro.
Alle Preise verstehen sich als Zuschläge ohne das Aufgeld. | | Kontakt: Kunsthaus Lempertz Neumarkt 3 DE-50667 Köln |
| Telefon:+49 (0221) 92 57 290 | Telefax:+49 (0221) 92 57 296 | | | E-Mail: info@lempertz.com |
08.02.2021 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Johannes Sander | |
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| | Weitere Inhalte: Gesamt Treffer 15 | Seiten: 1 • 2
Events (1)•Adressen (1)•Berichte (1)•Kunstwerke (12) | | • | Veranstaltung vom: 12.11.2020, Modernes Kunstgewerbe -
Kunstgewerbe - Fit For A King. Abraham und David Roentgen - Sammlung Renate und Tono Dreßen | | • | Bei: Kunsthaus
Lempertz | | • | Bericht: Prunkstücke des 18. Jahrhunderts
| | | • | Kunstwerk: David Roentgen, Kommode, um 1780/85 | | • | Kunstwerk: David Roentgen, Zylinderbüro, um 1780/85 | | • | Kunstwerk: David Roentgen, Schreibtisch, um 1785 | | | • | Kunstwerk: David Roentgen, Ovaler Arbeitstisch, um 1775/80 | | • | Kunstwerk: Jacques-Émile Ruhlmann, Kleiner Barschrank, um 1925 | | • | Kunstwerk: Line Vautrin, Spiegelobjekt, um 1965 | | |
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Gottlieb Satzger,
Paar
Toilettendosen,
Augsburg 1749/51 | | Taxe: 18.000 - 24.000 EURO Zuschlag: 20.000,- EURO Losnummer: 964 | | | | | |
Paul Anton Hannong,
Kohlkopfterrine,
Straßburg um 1750/54 | | Taxe: 8.000 - 12.000 EURO Zuschlag: 19.000,- EURO Losnummer: 907 | | | | | |
David Roentgen,
Ovaler
Arbeitstisch, um
1775/80 | | Taxe: 150.000 - 200.000 EURO Zuschlag: 150.000,- EURO Losnummer: 400 | | | | | |
Abraham Roentgen,
Schatulle, um
1755/60 | | Taxe: 40.000 - 45.000 EURO Zuschlag: 32.000,- EURO Losnummer: 414 | | | | | |
David Roentgen,
Zylinderbüro, um
1780/85 | | Taxe: 180.000 - 200.000 EURO Zuschlag: 170.000,- EURO Losnummer: 404 | | | | | |
Line Vautrin,
Spiegelobjekt, um
1965 | | Taxe: 12.000 - 15.000 EURO Zuschlag: 15.500,- EURO Losnummer: 365 | | | | | |
Jacques-Émile
Ruhlmann, Kleiner
Barschrank, um 1925 | | Taxe: 40.000 - 60.000 EURO Zuschlag: 40.000,- EURO Losnummer: 352 | | | | | |
David Roentgen,
Kommode, um 1780/85 | | Taxe: 200.000 - 250.000 EURO Zuschlag: 260.000,- EURO Losnummer: 405 | | | | | |
Friedrich Carl
Wohlfahrt,
Tabatiere mit
Parforcejagd und
Portrait Ludwig
VIII. von
Hessen-Darmstadt,
um 1767/68 | | Taxe: 10.000 - 15.000 EURO Zuschlag: 30.000,- EURO Losnummer: 838 | | | | | |
Hans Winckler,
Birnpokal der
Familie Imhoff,
Nürnberg 1592/94 | | Taxe: 20.000 - 24.000 EURO Zuschlag: 32.000,- EURO Losnummer: 982 | | | | | |
Abraham Roentgen,
Schreibschrank, um
1765 | | Taxe: 300.000 - 400.000 EURO Zuschlag: 300.000,- EURO Losnummer: 407 | | |
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