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Marktberichte |
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Mit einer reichhaltigen Auswahl an moderner bis zeitgenössischer Kunst tritt Ketterer ins deutsche Auktionsgeschehen ein, kann auf einige renommierte Sammlungen, etwa der Deutschen Bank, verweisen und feiert den Jubilar Beuys mit einigen Glanzstücken Wo ist Element 3?
| So hat Joseph Beuys 1984 ein Objekt betitelt und ihm gleich noch den Namen auf einem Karton samt Zeichnung umgehängt. Dabei handelt es sich um den elektrischen Schaltschrank einer Werkstatt mit alten Zählern und Sicherungen, die anscheinend über eine hohe Stromzufuhr verfügte. Schon allein die Anordnung der etwas altmodischen Apparaturen auf der Marmor- und Holzplatte mit der Eisenrahmung muss Beuys’ feines Auge fasziniert haben. Dann steht die Installation auch noch für Energiefluss, für Wärme und Licht und damit für wesentliche Grundkonstanten in seinem Schaffen. Vielleicht war das nicht auffindbare „Element 3“ für Beuys auch die Möglichkeit eines neuen Denkens, eines neuen Kraftfelds, das auf Kunst, Gesellschaft und Leben ausstrahlen sollte. Daher ist seine Schalttafel „Wo ist Element 3?“ besonders ein Sinnbild für die metaphysische Ebene in seinem Œuvre.
Mit einem eigenen Katalog ehrt das Münchner Auktionshaus Ketterer den Jubilar Joseph Beuys – zu Recht! Denn die rund vierzig Objekte, die darin versammelt sind und in den jeweiligen Auktionen live und online versteigert werden, sind mit das Beste, was es zum hundertsten Geburtstag eines der wichtigsten Protagonisten der Nachkriegskunst in Deutschland gibt. Der Schaltschrank „Wo ist Element 3?“, der im Evening Sale am 18. Juni auf dem Programm steht, will etwa 600.000 bis 800.000 Euro sehen. Verhandelt werden dort zudem die beschriftete und bekritzelte Lithoplatte „Minneapolis Fragment“, die Quintessenz einer Diskussionsrunde an der Universität von Minnesota aus dem Jahr 1974 (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR), das Erdobjekt „TA…KA-(TURM)“ von 1975, in dem Beuys das verdichtete Urmaterial Erde noch mit einer Muschel als Zeichen des Ursprungs betonte (Taxe 70.000 bis 90.000 EUR), und der verkohlte Keilrahmen „Ohren“, das Überbleibsel des am Weihnachtsabend 1984 durch eine Kerze verbrannten Bildes von Camille Pissarro (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR).
Ein museumsgültiges und umfangreiches Programm von der Moderne bis zur Gegenwart hat Ketterer für seine Frühjahrsrunde auf die Beine gestellt. Unter den fast 600 Arbeiten, für die der Münchner Auktionator eine mittlere Gesamtschätzung von 26,5 Millionen Euro errechnet hat, befinden sich immerhin 50 Werke über der 100.000 Euro-Grenze. Mit Beuys zieht bei den Modernen Emil Nolde gleich, der für sein marktfrisches und farbintensives Ölgemälde „Landschaft mit Mutterpferd“ auf der sattgrünen Weide der Marsch unter graugelben Wolken ebenfalls 600.000 bis 800.000 Euro sehen will. Ein dichtes Feld roter „Tulpen“ hat Nolde in flirrendem Pinselstrich schon 1908 auf die Leinwand gebannt (Taxe 350.000 bis 450.000 EUR). Im selben Jahr malte Erich Heckel seine lockere Farbsinfonie „Blaue Iris“, die sich fast ornamental neben einem geöffneten Fester in den Bildhintergrund zieht (Taxe 400.000 bis 500.000 EUR). Ein Jahr später dominiert bei Heckel dann schon eine andere Bildauffassung: Zwar prägt die Farbe noch immer seinen Holzschnitt „Zwei ruhende Frauen“, doch hat er sie flächig und durch Schwarz stark konturiert aufs Papier gebannt (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR).
Überhaupt ist der deutsche Expressionismus zwischen Brücke und Blauer Reiter stark und mit einigen Pretiosen in München vertreten. So sind von Ernst Ludwig Kirchners Farblithografie „Gruppen Badender“ an den Moritzburger Teichen nur fünf Exemplare bekannt, drei davon in Museen. Wer das bei Ketterer vorliegende Blatt aus dem Jahr 1909 haben will, muss 80.000 bis 120.000 Euro investieren. Als Spätwerk Kirchners tritt sein 1937 gemalter Sommertag am „Sertigweg“ bei Davos im charakteristischen violett-grünen Kolorit für 400.000 bis 600.000 Euro an. Eine ähnliche Farbstellung wählte Alexej von Jawlensky schon 1917 für seinen „Mystischen Kopf: Galka Fatum – Fate“ aus, ein Bild seiner Muse Emmy „Galka“ Schreyer in reduzierter Formensprache (Taxe 300.000 bis 400.000 EUR). Zu Grün hat dann Gabriele Münter in ihrem „Stillleben mit Madonna“ von 1911 vor allem die Farbe Rot in unterschiedlichen Valeurs kombiniert (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR).
Ohne Menschen kommt Christian Rohlfs bei seiner Stadtvedute „Aus Dinkelsbühl“ von 1923 mit markantem Kirchturm aus, die direkt beim Künstler erworben wurde und seit rund 95 Jahren im Besitz der selben Familie blieb (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR), ebenso Hermann Max Pechstein bei seinen „Roten Häusern“. Die Landschaft an der Pommerschen Küste wurde erst 2016 in einer amerikanischen Sammlung entdeckt und wechselte damals über Ketterer für netto 350.000 Euro in eine hessische Sammlung. Dafür ist die Schätzung von 200.000 bis 300.000 Euro jetzt recht niedrig angesetzt. Eine Traumlandschaft in Harmonie zwischen Mensch und Natur schwört Heinrich Campendonk mit seiner farbenfrohen Gouache „Der Reiter II“ von 1919 herauf (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR).
Die Anmut der Schöpfung spiegelt sich in Franz Marcs Aquarell „Zwei Gelbe Tiere“ von 1912/13. Das poetische, mit 200.000 bis 300.000 Euro bezifferte Blatt, kaum größer als eine Postkarte, gehörte zur Sammlung von Ilse und Hermann Bode und befand sich bis vor kurzem als Dauerleihgabe ihrer Erben im Sprengel Museum. Das kunstsinnige Ehepaar aus Hannover – Hermann Zahnarzt und Ilse Enkelin des Pelikan-Gründers Günther Wagner – führte einen illustren Haushalt, pflegte Freundschaften mit vielen Künstlern und orientierte sich in seiner Sammelleidenschaft oft an den Ausstellungen der Kestner Gesellschaft, deren stellvertretender Vorsitzender Bode in den 1920er Jahren war. So kamen etwa auch Otto Gleichmanns verhaltenes düsteres „Frauenbildnis“ von 1926 (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR), Paul Klees fantasievolle, fast schon surreale „Grundverhexte Landschaft“ von 1924 (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR) oder Lyonel Feiningers Tuschfederaquarell des humorvollen Zusammentreffens von Segel-, Dampf- und Luftschiff „An der steilen Küste“ von 1921 zu den Bodes (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR).
Dass Feininger zunächst als Illustrator und Karikaturist gearbeitet hat, macht sein Ölgemälde „Der junge Mann aus dem Dorf“ mit zackig kubistischen Anklängen deutlich, das auf eine bewegte Geschichte zurückblicken kann. Feininger musste es bei seiner Emigration aus Deutschland 1937 bei seinem Freund Hermann Klumpp in Quedlinburg zurücklassen, der es vor den Nazis versteckte. Nach dem Krieg wurde es von der DDR beschlagnahmt, hing in der Nationalgalerie in Ost-Berlin und wurde erst 1984 an die Erben Feiningers restituiert. Zuletzt 2013 bei Grisebach für netto 500.000 Euro im Auktionshandel aufgetaucht, hat Ketterer auch hier die Bewertung auf 350.000 bis 450.000 Euro verlockend reduziert. Als Wiederentdeckung feiert der Versteigerer Wassily Kandinskys fein austariertes geometrisches Aquarell „Gebogene Spitzen“, das über 70 Jahre unbekannt in einer rheinländischen Sammlung schlummerte (Taxe 250.000 bis 350.000 EUR).
Das Bauhaus und sein Umfeld kommen zudem noch mit Oskar Schlemmers aquarellierter „Jünglingsfigur romantisch“ von 1932 in konstruktiv reduzierten Formen (Taxe 140.000 bis 180.000 EUR), Walter Dexels geometrischer Abstraktion „Gelbe Halbscheibe mit Weiß und Grau“ von 1926 (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR) oder der vollständig erhaltenen ersten Bauhaus-Mappe mit 14 grafischen Blättern der Bauhaus-Meister von 1921 zu ihrem Recht (Taxe 150.000 bis 180.000 EUR). Eher auf die gesellschaftspolitischen und sozialen Implikationen jener Zeit heben Otto Dix bei seinem Aquarell „Zirkusszene“ von 1923/24 mit einer Akrobatin beim Reitakt (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR) und Heinrich Hoerle mit seiner vom schweren Leben gekennzeichneten „Fabrikarbeiterin“ von 1926 ab (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR).
Dagegen stehen Max Liebermanns Gemälde „Der Nutzgarten in Wannsee nach Südosten“ von 1923 mit furios gemalten Blumenstauden (Taxe 300.000 bis 400.000 EUR) und Lesser Urys Pastell „Brandenburger Tor vom Pariser Platz aus gesehen“ mit einem Fräulein zwischen Autodroschken auf regennasser Fahrbahn von 1928 für den unbeschwerten Impressionismus (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR). Beide Werke gehören zur Sammlung der Deutschen Bank, die sich zum wiederholten Mal über Ketterer von Teilen ihres Kunstbestands trennt. Dazu gehören auch ein frühes ungegenständliches Ölgemälde von Hans Hartung aus dem Jahr 1931, das noch ohne seine typischen Strichbündel auskommt, vielmehr auf eine blaue Farbfläche mit feinen Lineaturen setzt (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR), oder mit der „Doppelspindel-Rot“ von 1967 ein Spätwerk Ernst Wilhelm Nays von 1967. Den ersten, fast drei Meter hohen Nagelbaum Günther Ueckers von 1983 stellte das Geldinstitut an den „Kunstpranger“ (Taxe je 200.000 bis 300.000 EUR).
Beide Künstler sind über die Sammlung der Deutschen Bank hinaus mit weiteren Arbeiten im Evening Sale zugegen, Nay mit dem locker und schwebend gemalten Scheibenbild „Helle Akzente“ von 1956 (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR), Uecker mit dem großen Querformat eines dynamisch wogenden Nagelbilds von 2008 mit dem Titel „Energiefeld“ (Taxe 500.000 bis 700.000 EUR). Sein niederländischer ZERO-Kollege Jan Schoonhoven konzentrierte sich dagegen auf eine strenge serielle Rasterung bei seinen stets weiß pigmentierten Reliefs. Sein mit zwei Metern Breite ungewöhnlich großes, aus kleinen Quadraten aufgebautes Relief „R 71-18“ von 1971 strebt mit 400.000 bis 600.000 Euro einen Spitzenpreis an. Viel Farbe und eine ungestüme, oft kindlich naive Malweise waren die Charakteristika im Schaffen Asger Jorns. Das zeigt sich schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit bei einer doppelseitig bemalten Leinwand von 1944/46, die er „Animaux animé“ betitelte (Taxe 2000.000 bis 300.000 EUR).
Noch einmal nimmt ein Kunstwerk die Spitzenposition des Tages von 600.000 bis 800.000 Euro ein: Gerhard Richters abstraktes Rakelbild in rot-grün-blauen Farbschlieren von 2001 mit der Werknummer 871-2. Auf die Hälfte sind Sean Scullys warmtoniges quadratisches Farbbalkengemälde „Fire“ von 1984 und die vier Farbserigrafien mit der lustigen „Andy Mouse“ taxiert, eine poppige Hommage Keith Harings an seinen Künstlerfreund Andy Warhol von 1986. Mit zahlreichen Symbolen, Erzählsträngen, kunsthistorischen und gegenwartspolitischen Bezügen konfrontierte Jörg Immendorff 1996 den Betrachter auf seiner großformatigen Leinwand „Cinderella“ (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR). Mit mehreren Ebenen spielt auch Tim Eitel in seiner „Museumslandschaft“ von 1971, zeigt weite stilisierte Getreidefelder, vor denen aber eine Frau steht und ihre Fotokamera irgendwo in den Museumsraum richtet. Was ist hier das Bild und wer generiert es? Diesen Fragen kann der Käufer für 70.000 bis 90.000 Euro nachgehen. Allein aus Schwarz- und Grautönen und deren fotorealistischem Einsatz lebt Robert Longos wandfüllende Kohlezeichnung einer geheimnisvollen fernöstlichen Schönheit unter dem sprechenden Titel „Nights Bright Days“ von 2008 (Taxe 180.000 bis 240.000 EUR).
Der „Evening Sale“ bei Ketterer beginnt am 18. Juni ab 17 Uhr. Der Internetkatalog ist unter www.kettererkunst.de abrufbar. | | Kontakt: Ketterer Kunst Joseph-Wild-Straße 18 DE-81829 München |
| Telefon:+49 (089) 552 440 | Telefax:+49 (089) 552 441 66 | | | E-Mail: infomuenchen@kettererkunst.de | | Startseite: www.kettererkunst.de |
16.06.2021 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching | |
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Ernst Ludwig
Kirchner, Gruppen
Badender (Sonntag in
Moritzburg), 1909 | | Taxe: 80.000 - 120.000 EURO Losnummer: 368 | | | | | |
Christian Rohlfs,
Aus Dinkelsbühl,
1923 | | Taxe: 100.000 - 150.000 EURO Zuschlag: 95.000,- EURO Losnummer: 334 | | | | | |
Oskar Schlemmer,
Jünglingsfigur
romantisch, 1932 | | Taxe: 140.000 - 180.000 EURO Zuschlag: 200.000,- EURO Losnummer: 361 | | | | | |
Lesser Ury,
Brandenburger Tor
vom Pariser Platz aus
gesehen, 1928 | | Taxe: 100.000 - 150.000 EURO Zuschlag: 270.000,- EURO Losnummer: 330 | | | | | |
Paul Klee, Kleiner
Dampfer, 1919 | | Taxe: 180.000 - 240.000 EURO Zuschlag: 170.000,- EURO Losnummer: 360 | | | | | |
Wassily Kandinsky,
Gebogene Spitzen,
1927 | | Taxe: 250.000 - 350.000 EURO Zuschlag: 900.000,- EURO Losnummer: 376 | | | | | |
Paul Klee,
Grundverhexte
Landschaft, 1924 | | Taxe: 100.000 - 150.000 EURO Zuschlag: 95.000,- EURO Losnummer: 375 | | | | | |
Max Liebermann, Der
Nutzgarten in
Wannsee nach
Südosten, 1923 | | Taxe: 300.000 - 400.000 EURO Zuschlag: 540.000,- EURO Losnummer: 324 | | | | | |
Franz Marc, Zwei
gelbe Tiere (Zwei
gelbe Rehe), 1912/13 | | Taxe: 200.000 - 300.000 EURO Zuschlag: 700.000,- EURO Losnummer: 367 | | | | | |
Heinrich Hoerle,
Fabrikarbeiterin,
1926 | | Taxe: 80.000 - 120.000 EURO Zuschlag: 150.000,- EURO Losnummer: 341 | | | | | |
Alexej von
Jawlensky,
Mystischen Kopf:
Galka Fatum – Fate,
1917 | | Taxe: 300.000 - 400.000 EURO Zuschlag: 900.000,- EURO Losnummer: 313 | | | | | |
Ernst Ludwig
Kirchner,
Sertigweg, 1937 | | Taxe: 400.000 - 600.000 EURO Zuschlag: 1.200.000,- EURO Losnummer: 320 | | |
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