| | Jean-Baptiste-François Chéret, Lavabogarnitur für den Marquis und die Marquise de Montmélas, Paris 1770 | |
Wenn ein Objekt der Gold- und Silberschmiedekunst auf dem deutschen Auktionsmarkt die Millionengrenze knacken soll, muss es schon etwas Besonderes sein. Lempertz in Köln hat nun solch ein Stück im Angebot. 1770 schuf Jean-Baptiste-François Chéret im Auftrag Ludwigs XV. eine fein ziselierte vergoldete Silberkanne und ein dazugehörendes Becken. Die Lavabo-Garnitur schenkte der französische König seiner ehemaligen Mätresse Marguerite-Catherine Haynault zu ihrer Hochzeit mit dem Armeeoberst Blaise d’Arod, was die Tochter eines Tabakhändlers zur Marquise de Montmélas machte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Chéret den Henkel der Kanne als Venusherme ausgeformt hat, die dem auf dem muschelförmigen Deckel sich räkelnden Amor einen Blütenkranz reicht. Turtelnde Tauben, sich mit ihren Flossen vereinende Delphine und Allianzwappen ergänzen dieses Motivrepertoire zur Eheschließung. Erhaltenen haben sich auch vier Vorzeichnungen Chérets, die die unterschiedlichen Phasen des Entwurfs dokumentieren. Die historische Dimension des königlichen Geschenks, die hohe Qualität der Ausführung und die Tatsache, dass aus der Zeit des Ancien Régime nicht allzu viele Goldschmiedearbeiten aufgrund der Französischen Revolution überliefert sind, sollen einen Wert von 1 bis 1,2 Millionen Euro rechtfertigen.
Das edle Waschzeug am Übergang vom Rokoko zum Klassizismus gehört in die Sammlung des Kunsthändlers Bernard De Leye, mit deren Versteigerung Lempertz in Köln betraut wurde. Die besondere Leidenschaft des Belgiers galt der Kunst der Gold- und Silberschmiede, die er seit 1977 in seinen Brüsseler Geschäftsräumen, aber auch auf den großen Kunst- und Antiquitätenmessen in Paris, Monaco, Moskau, Shanghai oder seiner Heimat mit den Sammlern, Museumsleuten und dem Publikum teilte. Über 260 teils museumswürdige Positionen listet nun der dicke, aufwendig gestaltete Katalog; für deren Rang bürgen Verkäufe De Leyes an den Louvre, das Schloss von Versailles, das Musée des Arts Décoratifs, an Museen in den französischen Regionen, aber nach Dresden oder Shanghai. In den Kontext passen auch Jean-Baptiste-François Chérets Salièrenpaar von 1768/69, bei dem jeweils zwei detailliert ausgeführte Hummer das facettierte Salzgefäß aus Bergkristall tragen (Taxe 180.000 bis 200.000 EUR), oder der Zeremonienstab des Maître d’hôtel von Ludwig XVI. Der 150 Zentimeter lange Binsenrohrstab von 1774 mit drei Vermeilmanschetten samt französischer Lilienblütenzier soll 250.000 bis 280.000 Euro einspielen.
Bernard De Leyes Kunstkammer war mit außergewöhnlichen Objekten angefüllt. Auch wenn sein Schwerpunkt der „goût français“ des 18. und frühen 19. Jahrhunderts war, legte er sich ausgefallene Kunstwerke aus anderen Epochen zu, etwa eine godronierte römische Silberschale des 2. bis 3. nachchristlichen Jahrhunderts (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR). Darauf folgen zeitlich dann mittelalterliche Emailarbeiten aus Limoges, darunter ein vierpassiges Reliquiar vom Ende des 12. Jahrhunderts mit einer Kreuzigungsszene (Taxe 80.000 bis 100.000 EUR) oder eine Schale aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit königlich-französischem Wappen und höfisch gekleideten Frauen in tänzerischer Bewegung (Taxe 100.000 bis 120.000 EUR). Der Anspruch des Exzeptionellen schimmert auch bei einigen Objekten der Renaissance auf, etwa bei der tragbaren Kleinorgel, dem sogenannten „Bibelregal“, aus dem Brüsseler Kloster Berlaymont, die wohl in Nürnberg hergestellt und mit zwei musizierenden Engeln bemalt wurde (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR), oder dem Mitglieder- und Gästebuch der „Confrérie des Roi Mages“ aus selbigem Frauenkloster, angelegt 1671, dem Gründungsjahr der Bruderschaft, mit zahlreichen Wappenmalereien oder biblischen Szenen (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR).
Antike römische Münzen waren im 16. Jahrhundert selten und bei flämischen Sammlern begehrt. Nur mit einer Tazza im Musée Curtius in Lüttich lässt sich daher eine ovale Antwerpener Schale von 1595/96 vergleichen, in die ein Silberschmied Geldstücke mit römischen Imperatorenköpfen integrierte (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR). Highlights der Epoche sind dann ein französisches Altarkreuz aus Bergkristall mit vergoldeter Silbermontierung der zweiten Hälfte 16. Jahrhundert für 300.000 bis 350.000 Euro und das um 1550/65 gefertigte „Eingehurn“ des Würzburger Domherrn Andreas von Thüngen. Gravierte Darstellungen der Passion Christi oder von Heiligen schmücken das Trinkhorn aus einem 72 Zentimeter langen Elefantenzahn, der wohl im Umkreis des Nürnbergers Wenzel Jamnitzer mit goldenen Manschetten gefasst und mit Email- und Edelsteinen besetzt wurde. Hier stehen 600.000 bis 700.000 Euro auf dem Etikett.
Die historische Dimension kommt ebenfalls bei einem prächtigen römischen Stundenglas zum Tragen. Denn Papst Sixtus V. schenkte die Sanduhr, die in ein teils vergoldetes und mit Lapislazuli hinterlegtes Silbergehäuse gefasst wurde, 1589 Ferdinand I. Medici anlässlich seiner Hochzeit mit Christine von Lothringen. Als „Sand“ rieselt dann auch zerstoßener Amethyst durch die Glaskolben (Taxe 400.000 bis 450.000 EUR). Ehemals im Kloster Einsiedeln stand ein kleiner Bernsteinaltar mit Christus als Pantokrator, Heiligen und einer bekrönenden Madonna, den um 1690 wohl Christoph Maucher aus hellem, dunklem und transluzidem Bernstein sowie Elfenbein geschnitzt hat (Taxe 280.000 bis 300.000 EUR). Extravagant ist der grüne Jade-Humpen in einer vergoldeten und teils emaillierten Silberfassung, der dem Steinschneider Johann Daniel Mayer um 1660/70 zugeschrieben wird. Ähnliche Steinschnittarbeiten des Augsburgers erwarb der württembergische Herzog Eberhard III. für seine Kunstkammer; heute stehen sie im Stuttgarter Landesmuseum (Taxe 70.000 bis 80.000 EUR).
In württembergischen Adelskreisen bleibt es mit dem Trinkgefäß in Form eines Hirschs, das der Stuttgarter Silberschmied Johann Jakob Wagner um 1680 bezeichnenderweise für die Schorndorfer Adelsfamilie Hirschmann ausführte (Taxe 200.000 bis 220.000 EUR). Sein Zürcher Kollege Hans Caspar Gyger ließ sich desgleichen zu einem springenden Zwölfender hinreißen, um gegen 1640 seinem Trinkgefäß eine ansehnliche Form zu geben (Taxe 250.000 bis 280.000 EUR). Zu Repräsentationszwecken diente ferner die Schreibgarnitur, die François-Thomas Germain 1753 für den französischen Minister Jean-Baptiste de Machault d’Arnouville ausarbeitete. Auf dem Schreibtisch des Generalkontrolleurs der Finanzen während der Herrschaft Ludwigs XV. schipperte ein silbernes Segelboot mit Uhr und kleinen Porzellanblüten aus Vincennes (Taxe 700.000 bis 800.000 EUR). Für die Madame de Pompadour gestaltete Germain knappe zehn Jahre später ein Bassin im Rokoko-Stil und zierte es mit ihrem Wappen, Rosenranken, Schleifen, Bändern und Muscheln (Taxe 250.000 bis 300.000 EUR).
Nach den Wirren der Französischen Revolution etablierte sich der Adel wieder. So konnte Charles-Salomon Mahler zwischen 1824 und 1838 ein umfangreiches vergoldetes Besteckset aus 234 Teilen an den Marquis und die Marquise de Pomereu mit deren Allianzwappen liefern (Taxe 120.000 bis 150.000 EUR). Ein Empire-Leuchterpaar mit Schwänen von Martin Guillaume Biennais soll 80.000 bis 90.000 Euro einbringen. An den russischen Großfürsten Nikolai Pawlowitsch überreichte Biennais ebenfalls in den 1810er Jahren einen runden Weinkühler, der auf Schwanenfüßen steht (Taxe 40.000 bis 50.000 EUR). Dessen jüngerer Bruder, Großfürst Michail Pawlowitsch, nahm von ihm einige Jahr später eine Menagerie in Gestalt eines Schiffes (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR) und von dem Pariser Konkurrenten Jean-Charles Cahier zehn vergoldete Teller mit seinem Monogramm ab (Taxe 40.000 bis 50.000 EUR).
Dass Bernard De Leyes nicht nur an Gold und Silber oder Wunderkammerobjekten interessiert war, macht Carl Andreas Rutharts typische wie wilde Hirschjagd deutlich, bei der sich einige Hund schon dramatisch in eines der Tiere verbissen haben (Taxe 60.000 bis 70.000 EUR). Die Resultate einer Jagd sind Bestandteil eines Stilllebens mit Vögeln, Federvieh, einem erlegten Hasen und einem Gewehr von Philips Brueghel, einem der elf Kinder Jan Breughels d.J. (Taxe 70.000 bis 90.000 EUR). Eine eher unglückliche Jägerin malte die 1781 in Paris geborene Françoise-Reine Dagois mit ihrer brustentblößten jugendlichen Göttin Diana von 1828, die wehmütig auf die erlegte weiße Taube in ihrer Hand niederblickt (Taxe 18.000 bis 20.000 EUR).
Die Möbelausbeute ist gleichfalls nicht groß. Es gibt eine zweischübige, Noël Gérard zugeschriebene Régence-Kommode mit rechteckigen, symmetrisch angeordneten Maketeriefeldern aus Palisander und reichen vergoldeten Bronzebeschlägen, bei denen die weiblichen Maskarons an den vorderen Kanten am meisten auffallen (Taxe 35.000 bis 40.000 EUR), und ein im Furnierbild und Beschlagwerk recht ähnliches, aber wuchtigeres Exemplar mit fünf, bis fast auf den Boden gezogenen Schüben in vier Reihen. Bei früheren Auktionsauftritten der Kommode verzeichnete der Katalog Noël Gérard wiederum als Schöpfer; Lempertz hält sich hiermit etwas bedeckter. Jedenfalls gehörte das Möbel einst Maria Callas, was nun mit 50.000 bis 60.000 Euro honoriert werden soll. Ebenfalls nicht ganz gesichert ist die Zuweisung eines klassizistischen Paars Canapés en corbeille um 1780 an Georges Jacob (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR).
Wieder etwas reichhaltiger besetzt sind die Skulpturen und Kleinplastiken. Zu den ältesten Stücken zählen ein statisches Elfenbeinrelief aus Paris um 1330/50 mit einer Marienkrönung unter gotischem Spitzbogen (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR) und eine Anbetung der Könige aus dem Umkreis des um 1500 in Brüssel tätigen Jan Borman II. (Taxe 40.000 bis 50.000 EUR). Über ein flämisches, vormals farbig gefasstes Alabasterrelief der Renaissance mit der Grablegung Christi aus der Mitte des 16. Jahrhunderts für 60.000 bis 80.000 Euro steuert die Skulpturensuite auf einen ersten Höhepunkt zu: Belebt und dramatisch führte wohl der flämische Barockmeister Frans van Bossuit ein Elfenbeinrelief mit der Häutung des Marsyas bei lebendigem Leib durch Apoll aus, versehen mit einer Schätzung von 160.000 bis 180.000 Euro. Subtil von innerem Schmerz ist der gekreuzigte Christus gezeichnet, den der ebenfalls im flämischen Kunstkreis tätige Mathieu van Beveren in meisterhafter Ausarbeitung der Körpermodellierung und aller Details geschnitzt haben soll (Taxe 180.000 bis 200.000 EUR).
Bernard De Leyes Begeisterung für alles Schöne und Anspruchsvolle lenkte seine Aufmerksamkeit zudem auf die Kunst des Symbolismus und des Jugendstils seiner belgischen Heimat. Damit schließt die Auktion. Zugelegt hat sich De Leye Zeichnungen mit Frauenfiguren oft in ekstatischen Zuständen von Walter Sauer und Constant Montald (Taxen bis 10.000 EUR), während sich Henry de Groux in seinen intensiv leuchtenden Pastellen „Ritt der Walküren“ (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR) und „Senta“ auf die Welt von Richard Wagners Opern verlegt hat (Taxe 35.000 bis 40.000 EUR). Bei Anto Carte geht es einmal auf seiner quadratischen Leinwand „Satyre et Nymphe“ von 1914 noch ganz symbolistisch zu (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR), das andere Mal ganz unprätentiös, wenn er mit seinem „Bouquet de fleurs“ lediglich einen bunten Sommerblumenstrauß präsentiert (Taxe 40.000 bis 45.000 EUR).
Pierre de Soete widmete seine Marmorskulptur „Jeune femme allaitante“ dem Thema der Mutterschaft (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR). Das Paradestück dieses Abschnitts führt wieder zu Bernard De Leyes zentraler Beschäftigung mit Gold- und Silberarbeiten zurück: 1893 gestalteten der Pariser Goldschmied Jules Brateau und der Emailleur Paul Grandhomme gemeinsam den überragenden Jugendstil-Goldbecher „Les Vendanges“ für die Weltausstellung in Chicago und zierten ihn mit den drei Maskarons eines Faunkopfes, eines Bacchantinnenkopfes und Pantherkopfes, zusammengefasst von einer breiten Banderole mit fein in Email gemalten bacchantischen Szenen. Auch mit diesem Objekt beweist Bernard De Leye seinen Qualitätsanspruch auf dem Standard internationaler Museen: Seine Taxe liegt bei 1200.000 bis 130.000 Euro.
Die Auktion beginnt am 15. Juli um 11 Uhr. Die Vorbesichtigung läuft bis zum 14. Juli täglich von 10 bis 17:30 Uhr, samstags von 10 bis 16 Uhr, sonntags von 11 bis 15 Uhr. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.lempertz.com. |