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Marktberichte

Aktuellzum Archiv:Messe-Vorbericht

Endlich wieder Messe: Kunsthändler brauchen ebenso wie Sammler und Museumskuratoren Messen als einen Ort der Begegnung. Das untermauern derzeit in Bayerns Hauptstadt die Highlights – Internationale Kunstmesse München im Kaiserhof der Residenz und die Kunst & Antiquitäten München im Haus der Kunst

Wieder von Kunst berauscht



Fast die Hälfte ihres Umsatzes generieren deutsche Galerien auf Kunstmessen. Das macht die Verkaufsausstellungen für Händler bei noch so forscher Entwicklung von digitalen Formaten unersetzlich. Aber wer gestern während der VIP-Preview der Highlights als Connaisseur an der kleinen frühbarocken, schlafenden Elfenbein-Venus von Balthasar Permoser am Stand von Skulpturenspezialist Eitle-Böhler, an dem unergründlichen Vierfach-Porträt „Joseph Beuys, State II“ von Andy Warhol bei der Galerie Schwarzer oder an dem Fünfzigerjahre-Schreibtisch von Pierre Jeanneret des Designfachmanns Stefan Vogdt vorbeiflanierte, wird dieses Knistern bemerkt haben, das nur die unmittelbare Begegnung mit Kunst erzeugen kann. Für Sammler waren die letzten eineinhalb Jahre vielleicht eine Durststrecke, für den Kunsthandel jedoch bedeuteten die abgesagten Messen hohe berufliche Einschränkungen. Klein beigegeben haben die Händler nicht, wie das glanzvolle Angebot auf den Highlights zeigt.


Beck & Eggeling und die Galerie Ludorff offerieren bedeutende und farblich subtile Gemälde von Emil Nolde. Der stimmungsvoll leuchtende „Sommergarten“ von 1935 sowie die figürliche Komposition „Huldigung“ von 1947, die der Maler seiner zweiten Frau Jolanthe schenkte, liegen preislich beide etwas über 1 Million Euro. Der Kunsthandel Peter Mühlbauer, zu dessen Glanzstücken ein um 1700 exzellent gearbeiteter Augsburger Schildpatt-Silber-Hausaltar zum Preis von 140.000 Euro zählt, hatte gestern bereits Jan Breughels d.J. „Waldlandschaft mit heiligem Hubertus“ von etwa 1620 im sechsstelligen Eurobereich an einen deutschen Sammler verkauft. Das Gemälde war der Kunstforschung bislang nicht bekannt und wird nun als dritte Brueghel-Version dieses Motivs in den Œuvre-Katalog aufgenommen.

Erlenes und Seltenes

Die Highlights, die die Besucher wie gewohnt im eleganten noblen Flair der Münchner Residenz empfangen, sind längst keine Messe mehr, die der TEFAF nacheifert, auch wenn mehr als eine Handvoll der Kunsthändler, etwa die Porzellanspezialisten Röbbig und Langeloh porcelain, auch Aussteller dieser „Königin aller Kunstmessen“ ist und vor allem für die internationale Reputation des deutschen Kunsthandels spricht. Die Stärke der Highlights besteht in ihrer strikten Auswahl hochwertiger bedeutsamer Kunstwerke. Beliebigkeit hat hier keinen Platz. Kunkel Fine Art hat etwa ein Programm ab Adolph von Menzel bis Ernst Ludwig Kirchner aufgebaut und konnte Max Klingers „Venus im Muschelwagen“ von 1912 akquirieren. Es ist eines der letzten, von Klinger wiederholten Tafelgemälde der ursprünglichen Wanddekoration aus der nicht mehr existenten Villa Albers in Berlin, das auf dem Markt verfügbar ist. Der Preis liegt bei 250.000 Euro.

Als kleinen Exkurs zum Thema rechter Winkel und Linie hat der Galerist Florian Sundheimer seinen Auftritt unter anderem mit Werken von Hermann Glöckner, Günter Fruhtrunk und Sol LeWitt arrangiert. Schon für 4.800 Euro ist eine kleine papierne Arbeit von dem der ZERO-Bewegung nahestehenden Herman de Vries zu haben. Das zusammengesteckte Würfel-Objekt gilt als spielerische Vorlage für ein größeres skulpturales Werk. An einer anderen Wand hängt die feinlinige Tuschezeichnung „Persane allongée“ von Henri Matisse aus dem Jahr 1928. Mit 235.000 Euro gehört sie einer anderen Preiskategorie an. Bei Thole Rotermund, Spezialist für expressionistische Papierarbeiten, sticht ein Holzschnitt von Franz Marc hervor. 1912 als Beigabe für den Almanach „Blauer Reiter“ entstanden, existieren heute nur noch fünf Exemplare, davon drei in Museumshand. Das sinnliche „Fabeltier“ ist mit 120.000 Euro ausgepreist.

Die Stuttgarter Galerie Schlichtenmaier unterstreicht mit einer Suite von Arbeiten Willi Baumeisters ihren Anspruch, für den abstrakten Nachkriegskünstler die erste Adresse zu sein. Blickfang allerdings ist eine großformatige, spannungsreiche Leinwand des Informellen Fred Thieler, die direkt aus dem Nachlass des Künstlers stammt und für 108.000 Euro offeriert wird. Neu unter den Ausstellern ist diesmal der Kunsthandel Viebahn aus Norddeutschland. Sein Programm lautet schlicht Klassizismus. Für 32.000 Euro ist ein sinnlich-körperlich modellierter Bronzeguss des antiken Borghesischen Gladiatoren aus dem späten 18. Jahrhundert zu haben. Die kleinformatige Marmorskulptur „Venus entwaffnet Amor“ von Franz Xaver Schwanthaler aus dem frühen 19. Jahrhundert zeigte hier gestern Abend bereits den roten Verkaufspunkt. Neu im Portfolio der Fotogaleristin Ira Stehmann ist der Münchner Fotograf Ulrich Schmitt, der mit chemischen Verfahren experimentiert und eine ästhetisch reizvolle Farbigkeit von ursprünglich schwarz-weißen Fotografien erzeugt. Die morbide Schönheit welkender Blüten, eines seiner Hauptmotive, überzeugte im Preisbereich zwischen 3.600 und 5.600 Euro bereits am Eröffnungsabend mehrere Sammler.

Kunst & Antiquitäten München komplettieren den Kunstherbst

Die bayerische Hauptstadt steuert in dieser Woche fast wieder auf den Titel „Kunstherbst München“ zu. Denn nur fünf Minuten entfernt im Haus der Kunst findet parallel die 100. Ausgabe der traditionsreichen Kunst & Antiquitäten München statt. Die 1968 gegründete Messe bleibt ihrem Ruf zwischen qualitätvollem Angebot und Liebhaberstück treu. Nach einem jahrelangen Schrumpfen der deutschen Messelandschaft ist sie für viele Aussteller die Alternative zur Cologne Fine Art & Design und den Highlights. Entspannt konnte am Samstag die Jugendstil-Galerie Brigantine 1900 die Jubiläumsmesse beginnen. Das Berliner Bröhan-Museum hat für einen mittleren fünfstelligen Eurobetrag ein exzellentes Vitrinenmöbel des französischen Meisterentwerfers Louis Majorelle aus dem Jahr 1898 erworben.

Der Verkauf spiegelt zweifelsohne die Potenz der Messe wider. Viele der 49 Aussteller haben in der Hierarchie des Kunstmarktes ihren Platz im gehobenen Mittelfeld. Beim Zeichnungsspezialisten Aurelio Fichter aus Frankfurt hängt eine überzeugende Wolkenstudie Johann Georg von Dillis’ aus der Zeit um 1800 für 17.000 Euro sowie eine dem Venezianer Giovanni Battista Maganza il Giovane zugeschriebene frühbarocke Federzeichnung mit einer Figurenstudie als Allegorie auf die freien Künste für 4.200 Euro. Der auf barocke und klassizistische Möbel spezialisierte Kunsthandel Schmitz-Avila & Söhne präsentiert für 42.000 Euro einen reich intarsierten Spieltisch von 1770, der dem Berliner Hofebenisten Johann Gottlob Fiedler zugeschrieben ist.

Die Kunst & Antiquitäten München haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Verkaufsplattform für einen Kreis von Händlern formiert, denen mit dem Wegfall der Verbandsveranstaltung „Kunst-Messe München“ ein wichtiger Münchner Messeplatz abhandengekommen ist. Die Asiatika-Galerie Peter Hardt sowie die auf Expressionismus und Klassische Moderne konzentrierte Galerie Rudolf aus Norddeutschland und auch das Kunsthaus Bühler aus Stuttgart dürften dazu zählen. Das schwäbische Unternehmen ist mit einer großen figürlichen Komposition Max Liebermanns vertreten. Das Gemälde „Enkelin mit Kinderfrau beim Spiel im Garten von 1919 kostet 280.000 Euro. Die Kunst & Antiquitäten, noch weit davon entfernt, eine A-Messe zu sein, leiden aber unter einem konservativen Konzept, das zu vielen Sammelgebieten aus dem vergangenen Jahrhundert Raum gibt. Man spürt mitunter noch die Ursprünge, die 1968 als Antik-Markt in einem Bierkeller begannen. Später logierte man im Paulaner-Festsaal am Nockherberg, bis die Messe vor zwei Jahren ins Haus der Kunst zog.

Blick nach vorne?

Martin Puch, seit diesem Jahr erster Vorstand der Messeleitung, sagte gegenüber Kunstmarkt.com zur Entwicklung der Verkaufsschau: „Mit jeder neuen Location haben wir unsere Qualität gesteigert.“ Ein bisschen Zukunftsmusik zum Jubiläum hätte dennoch gut gepasst. Andererseits: Ihren Charakter bezieht die Messe bis heute aus einer Mischung aus Lokalkolorit und weitläufigen Sammelgebieten. Puch selbst nimmt seit Jahrzehnten an der Kunst & Antiquitäten teil. Glanzstück seines Ikonen- und Skulpturenprogramms ist eine wohl aus Lübeck stammende, gotische Figur des heiligen Michael von circa 1430 für 28.000 Euro. Bei Kunsthandel Pachmann aus München etwa findet man eine mit Augsburger Ausschneidebögen dekorierte, süddeutsche Arte-Povera-Kommode von 1750 für 12.000 Euro ebenso wie eine aus Horn geschnitzte Schnupftabakdose für 900 Euro. Und bei Michael Vogt verbirgt sich zwischen einer Italienlandschaft von Ernst Fries und Alpenansichten von Edward Harrison Compton die Vorzeichnung Franz Marcs zu seinem Gemälde „Blaues Pferd I“ von 1911 zum Preis von 69.000 Euro.

Dass München für den Kunsthandel Attraktivität besitzt, belegt übrigens auch eine dritte Verkaufsschau. Ab heute präsentiert sich im Auktionshaus Karl & Faber die etwas abgespeckte „Paper Positions München“ als kuratierte Ausstellung mit Exponaten von 20 Galerien. Die Plattform hat sich bereits im letzten Jahr als erfolgreiches Format bewiesen. Im Fokus stehen innovative, spannende Positionen, die Zeichnungen und dem Medium Papier widmen. Die Galerie Andreas Binder wird Arbeiten von Imi Knoebel zeigen, die Galerie Max Weber Six Friedrich ist mit Werken von Stephan Huber zugegen, und Jarmuschek + Partner haben die phantastische Welt des Iren David Eager Maher von Berlin nach München mitgebracht. Endlich wieder von Kunst berauscht!

Alle Veranstaltungen laufen bis zum 24. Oktober.



20.10.2021

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Sabine Spindler/Ulrich Raphael Firsching

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Goulandris-Meister zugeschrieben, Kopf eines Kykladenidols, Frühkykladisch
 II um 2500-2400 v. Chr.
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Pierre Jeanneret, Schreibtisch, 1956-1966

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Jan Breughel d.J., Waldlandschaft mit heiligem Hubertus, 1621

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