| | nach Antoine-Denis Chaudet, Napoleon I. Bonaparte, Carrara um 1810/14 | |
Napoleon Bonaparte war die Person, die die Zeit um und nach 1800 in Europa am entschiedensten geprägt hat. Keiner war so mächtig, wie der selbsternannte Kaiser der Franzosen. Er überzog den Kontinent mit Eroberungskriegen. Durch seine Reformen in Justiz und Verwaltung hat er nicht nur die staatlichen Strukturen Frankreichs, sondern vieler umgebender Ländern bis heute geprägt. Mit ihm ging das alte Heilige Römische Reich unter. Er war zudem König von Italien, Protektor des Rheinbundes und setzte in weiteren Staaten Familienmitglieder und Vertraute als Monarchen ein. Seine Expedition nach Ägypten führte zu wissenschaftlichen Entdeckungen und löste in Europa eine Euphorie für die altägyptische Kultur aus. Daher ist es kein Wunder, dass seine Person und die damit verbundenen Errungenschaften auch die Kunst in einem ungewöhnlichen Maße beeinflusst haben. Davon kündet nun eine Sonderauktion bei Neumeister. Aus Anlass von Napoleons 200. Todestag widmen die Münchner dem Korsen als einziges deutsches Auktionshaus eine eigene Versteigerung, bestückt mit Gemälden, Skulptur, Kunsthandwerk, Grafik, Schmuck, Autografen oder Napoleonica aus ganz Europa.
Zunächst tritt der „offizielle“ Napoleon, der Politiker, Feldherr und Regent, auf, etwa in einer Marmorbüste, die einem archetypischen Vorbild, dem berühmten Porträt Napoleons von Antoine-Denis Chaudet, folgt. Napoleon ist hier in Hermenform als Imperator mit Lorbeerkranz dargestellt, was seine Herrschaft bildlich als Nachfolger der römischen Kaiser legitimieren sollte. Die Büste dürfte um 1810/14 in der Bildhauerakademie von Carrara entstanden sein, denn Napoleons älteste Schwester Élisa Bonaparte hatte als Großherzogin der Toskana die Leitung über die Marmorsteinbrüche inne und nutzte diese, um dort offizielle Porträts ihrer Familie herstellen zu lassen (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Die Werkstätten von Carrara standen damals unter der Leitung des Bildhauers Lorenzo Bartolini. Von ihm stammt die Marmorbüste der österreichischen Erzherzogin Marie-Louise in antikisierender Kleidung mit Tunika und Umhang, die Napoleon nach der Scheidung seiner kinderlosen Ehe mit Joséphine de Beauharnais 1810 heiratete (Taxe 35.000 bis 50.000 EUR). Auch der einzige legitime männliche Nachkomme Napoleons aus der Ehe mit Marie-Louise nimmt als zarter Knabe in einer vergoldeten Bronzebüste an der Auktion teil: Der 1811 in Paris geborene Napoleon Franz Joseph Karl Bonaparte war er der lang ersehnte Thronfolger der neuen Dynastie, starb aber schon 1832 an Tuberkulose (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR).
Anfang März 1815 kehrte Napoleon Bonaparte aus seinem Exil auf der Insel Elba zurück, ergriff für hundert Tage ein weiteres Mal die Macht in Frankreich und kämpfte erneut mit seiner Armee gegen die alliierten Truppen. Davon zeugt Johann Baptist Pflugs 1827 gemaltes „Gefecht bei Souffelweyersheim im Elsaß am 25. Juni 1815“ (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Eine Kollektion von zwölf Porträtminiaturen, unter anderem von Jean-Baptiste Isabey, versammelt damalige Herrscher und hohe Adelige, etwa König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Kaiser Franz I. von Österreich, Zar Paul I. von Russland oder König Georg III. von England. Angeführt wird die Reihe selbstredend von Napoleon Bonaparte oben mittig (Taxe 30.000 bis 35.000 EUR). Für die Portraitkunst im großen Format steht Josef Karl Stielers charmante Sängerin Adélaïde Schiassetti. Die junge italienische Mezzosopranistin begeisterte an der Münchner Hofoper nicht nur das Publikum, sondern auch die bayerische Königsfamilie (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR).
Als „Kinder der Zeit“ treten außerdem noch Katharina Prinzessin von Württemberg in einem warmherzigen Portrait des Stuttgarter Malers Franz Seraph Stirnbrand um 1820 (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR) oder die beiden Bildnisse wohl eines Musikerpaars des Berliner Malers Friedrich Wilhelm Herdt von 1817 an (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR). Dass sich Napoleon mit seinen Eroberungskriegen aber nicht nur Freunde machte, beweisen die zahlreichen Karikaturen auf seine Person, die in James Gillrays erstaunlich hellsichtiger kolorierter Radierung „Democracy; or a Sketch of the Life of Buonaparte“ vom 12. Mai 1800 (Taxe 3.500 bis 3.700 EUR) oder in Joseph Kreilings erschreckend drastischer bunter Federzeichnung „Wahre Abbildung des Eroberers Napolion“ mit dem „Leichenkopf“ des Diktator gipfeln (Taxe 650 bis 750 EUR). Die beiden jüngsten Konterfeis Napoleon Bonapartes schuf Oliver Jordan erst in diesem Jahr eigens für die Auktion bei Neumeister, hat dafür unter anderem den Kopf des Herrschers aus Jacques-Louis Davids Gemälde „Napoleon in seinem Arbeitszimmer in den Tuilerien“ mit Kohle nachgezeichnet und wieder ausradiert, so dass helle Striche nun das Gesicht durchfurchen (Taxe 3.000 bis 3.500 EUR).
Im Hintergrund von Davids Staatsportrait steht eine Uhr, die einem Zeitmesser in der Auktion sehr ähnelt. Für die hohe Bodenstanduhr mit Republikanischem Kalender, der unter anderem die zwölf Monate gleichmäßig in 30 Tage unterteilt, haben sich um 1800/05 einige der wichtigsten Pariser Kunsthandwerker zusammengetan: Charles Antoine Stadler gestaltete das klassizistisch strenge Mahagoni-Gehäuse, Pierre-Henri Lepaute steuerte das präzise Uhrwerk mit Äquationsanzeige bei, und Henri-François Dubuisson war für das schlichte Emailziffernblatt zuständig (Taxe 210.000 bis 220.000 EUR). Gefälliger ist da eine Pariser Pendule um 1820, an deren Gehäuse aus rotem Marmor sich die feuervergoldete Bronzefigur eines Amors mit Bogen und Köcher anschmiegt (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Für ein Prunkvasenpaar der Manufacture Impériale de Sèvres von 1804/05, auf dessen kobaltblauem Fond Jacques François Joseph Swebach Jagdszenen gemalt und Charles-Marie-Pierre Boitel für die Vergoldungen gesorgt hat, sind 45.000 bis 50.000 Euro vorgesehen. Zum gleichen Preis steht ein silbernes Paar Weinkühler von Jean-Baptiste-Claude Odiot um 1800 wohl aus dem „Penthièvre-Service“ mit dem nachträglich angebrachten Wappen von König Louis-Philippe I. bereit.
Mit diesen Stücken rückt der Stil des „Premier Empire“, zeitlich deckungsgleich mit Napoleons Herrschaft, in den Fokus. An dem umfangreichen Mailänder Prunkservice „Grand Vermeil“, das wohl Napoleons Stiefsohn Eugène de Beauharnais in Auftrag gegeben hatte, orientierten sich nach der Übernahme durch den österreichischen Kaiser Franz I. auch Wiener Silberschmiede. So imitierte Jakob Krautauer 1817 den gut 50 Zentimeter hohen runden Tafelaufsatz mit drei vollplastische Mädchenfiguren in antikisierenden Gewändern, die wie Karyatiden über ihren Köpfen eine durchbrochene Schale mit stilisierter Blattornamentik halten (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Für das rechte Licht sorgt dann ein höher Kronleuchter mit reichem Glasprismenbehang, der der Berliner Bronzewarenfabrik Werner & Mieth um 1800/1810 zugeschrieben wird (Taxe 22.000 bis 24.000 EUR). Russland entsendet ein Paar Fauteuils um 1810 mit Mahagoni-Furnier und teils vergoldeten Armvoluten sowie Palmettendekor (Taxe 26.000 bis 29.000 EUR). Und wer noch Stilfragen hat, findet Antworten in Giovanni Battista Piranesis Ansichtenwerk „Diverse Maniere d’adornare i cammini ed ogni altra parte degli edifizi desunte dall’architettura Egizia, Etrusca, e Greca…“ mit 72 radierten und gestochenen Tafeln. Ohne diese 1769 in Rom veröffentlichte Rarität wäre die Kunst des Empire nicht denkbar (Taxe 35.000 bis 40.000 EUR).
Die Auktion beginnt am 1. Dezember um 18 Uhr nach den geltenden Hygieneregeln. Individuelle Besichtigungen sind nach vorheriger Terminvereinbarung möglich. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.neumeister.com. |