Nürnberg bekundet seine Pionierrolle in der Public Art Zu Anfang der 1970er Jahre wagte die bildende Kunst im Zuge einer gesellschaftlichen wie gestalterischen Aufbruchsstimmung den Schritt in die breite Bevölkerung. Abseits des Museums stellte sie sich in öffentlichen Zonen einem unbegrenzten Publikum. So führte Klaus Honnef 1970 im Eifelstädtchen Monschau in dortigen Strukturen eingreifende konzeptionelle Arbeiten zusammen, während ab 1970 das Hannoveraner Projekt „Experiment Straßenkunst“ eher den Verschönerungs- und Unterhaltungswert fokussierte. Auch Nürnberg war damals nahe am Puls der Zeit und gehörte zu den ersten Städten, in denen internationale Gegenwartskunst in den öffentlichen Raum getragen wurde. Das im Sommer 1971 von einem eigens gegründeten Verein initiierte „Symposium Urbanum Nürnberg“ und die daraus erfolgte Realisierung von 29 Projekten jährt sich heuer zum fünfzigsten Mal. Aus diesem Anlass zeigt die Kunsthalle Nürnberg die Ausstellung unter dem Titel „In Situ? Über Kunst im öffentlichen Raum“.
Die Schau schlägt einen zeitlichen Bogen bis in die Gegenwart am Beispiel von 26 ausgewählten Projekten nicht nur aus Nürnberg. Da es sich um fest verankerte Werke sowie temporäre oder partizipative Positionen handelt, griff die Kuratorin Ellen Seifermann auf Fotografien, Grafiken, Modelle, Filme oder Installationen zurück. Einleitend werden vier prägnante Werke an bekannte Orten vorgestellt: Tony Craggs im letzten Jahr installierte und aus gestapelten biomorphen Scheiben entwickelte Bronze „Werdendes“ am Eingang zum Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin, sechs von Erich Hauser im Jahr 1975 in der Form aufplatzender Knospen geformte Stahlreliefs im alten Bonner Kanzleramt, Monica Bonvicinis 2010 realisierte schwimmende Eisbergplastik „She lies“ im Oslofjord als Hinweis auf den Klimawandel sowie Olaf Metzels aus Fahrradständern gestaltete Arbeit „Meistdeutigkeit“ vor dem alten Bonner Bundeshaus.
Nach diesen Highlights eröffnet sich ein heterogenes Spektrum von überwiegend in Nürnberg ausgeführten Kunstwerken. Von den einst 29 im Jahr 1971 realisierten Arbeiten sind noch 26 – wenn auch nicht immer am alten Standort – existent. Wie heute lösten auch damals einzelne Werke heftige Reaktionen aus. Allein drei Mal wurde der von Haus-Rucker-Co geschaffene, überdimensionierte Zeigefinger „Wegweiser“ aus beschichteten aufgeblasenen Gewebe zerstört. Die Schau stellt Denk- und Mahnmale, temporäre Vorhaben, wie das von einer anonymen Künstlergruppe 2020 auf der Zeppelintribüne gesprayte „Regenbogen-Graffiti“, oder an der Schnittstelle zum Design angesiedelte Objekte vor, darunter die Pavillons von Dan Graham oder Olaf Nicolai. Am Ende stehen Soundinstallationen, die sich mit Geräuschen des urbanen Raumes beschäftigen, begehbare Gebilde und nur auf Video dokumentierte Kunstaktionen, etwa Michael Sailstorfers „Tränen“ von 2015, als er den Abriss eines Hauses als klassisch bildhauerischen Umgang dokumentierte.
Die Ausstellung „In Situ? Über Kunst im öffentlichen Raum“ ist noch bis zum 23. Januar 2022 zu besichtigen. Die Kunsthalle Nürnberg hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, ab Januar an gleichen Wochentagen erst ab 11 Uhr unter den geltenden Corona-Regeln geöffnet. An Heiligabend, am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag, an Silvester und Neujahr ist sie geschlossen. Der Eintritt beträgt 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro.
Kunsthalle Nürnberg
Lorenzer Straße 32
D-90402 Nürnberg
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