| | Jacob Adriaensz Backer, Lächelnder junger Mann, um 1640 | |
Ferdinand Bol, Govaert Flinck, Gerrit Dou, Arent de Gelder, Samuel van Hoogstraten, … – die Liste der Lehrlinge Rembrandt van Rijns liest sich wie das ‚who is who‘ der Maler des Goldenen Zeitalters in den Niederlanden. Heute schätzt man die Anzahl der Schüler des berühmten holländischen Künstlers auf rund 50. Kein anderer Amsterdamer Meister war um die Mitte des 17. Jahrhunderts derart gefragt wie Rembrandt. Kein anderer konnte so viel Lehrgeld verlangen wie er: 100 Gulden mussten die Aspiranten berappen, um vor ihm und für ihn zeichnen und malen zu dürfen. Bei dieser Summe sind aber nicht, wie sonst, Kost und Logis mitgerechnet. Ob das Fünf- bis Zehnfache des üblichen Preises gerechtfertigt war? Es ist nicht überliefert, wie Rembrandt sein Wissen vermittelte. Sicherlich dürften seine Lektionen – seinen Werken nach zu schließen – nicht sonderlich trocken gewesen sein. Aber ob Rembrandt zu den didaktisch versierten Lehrern gezählt hat oder zu den impulsiv-ungeduldigen, lässt sich nach gut 350 Jahren nicht mehr rekonstruieren. Gewiss wird der korpulente Meister mit der Knubbelnase und den weichen Gesichtszügen seinen Schützlingen allein durch sein pures Können den nötigen Respekt abgerungen haben. Wenn nicht sogar seine gigantischen Fähigkeiten die Lehrlinge etwas überwältigt haben dürften.
Aus der Perspektive der Schüler spürt man nun im Augsburger Schaezlerpalais dem großen Niederländer nach. Von den beachtlichen Qualitäten der Lernenden kann der Besucher direkt auf die des großen Vorbilds schließen. Bei den Exponaten handelt es sich zum überwiegenden Teil um Stücke einer Privatsammlung, die der Aalener Kunstverein letztes Jahr präsentierte. Die 35 Gemälde und Zeichnungen werden nun mit Werken aus dem Bestand der Kunstsammlungen & Museen Augsburg ergänzt. Die lokalen Exponate stellen eine direkte Beziehung zum Ausstellungsort her, da die ehemalige Fuggerstadt mit ihrem Sohn Johann Ulrich Mayr einen eigenen Rembrandt-Schüler vorzuweisen hat. Von wenig Text gestützt, gelangt man durch die Enfilade, wo sich Zeichnungen und Ölgemälde von Raum zu Raum abwechseln, und taucht in die Welt um Rembrandt ein.
Den Höhepunkt der Präsentation bildet das jüngst Rembrandt zugeschriebene Bild „Hendrickje Stoffels als Pallas Athene“. Nach einer grundlegenden Restaurierung ist das Gemälde zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zu sehen und stellt klar vor Augen, was der Meister zu bieten hatte. Typisch für Rembrandts Spätwerk arrangiert er hier eine einzelne Person vor dunklem Hintergrund, die von einer nicht sichtbaren Lichtquelle beleuchtet wird. Hendrickje Stoffels, seine Lebensgefährtin, ist in einer altertümlichen Rüstung zu sehen. Dabei reicht dem Meister ein simpler Spachtel, um die besonderen Reflexe am Helm wiederzugeben. Auch für den Harnisch verwendete er breite, dick mit Farbe getränkte Pinselstriche, um mit atemberaubender Leichtigkeit den warmen Glanz des Metalls zu erzeugen. Für die Partie des Gesichts änderte er seine Arbeitsweise: Hier suggerieren kleinere, kaum sichtbare Pinselstriche die Zartheit der Haut. Das ganze Gemälde zeugt von einem sicheren Gefühl für Materialität sowie einer meisterlichen Beherrschung der Malutensilien. Kein Wunder, dass selbst Rembrandts beste Schüler nur einzelne Aspekte seines Könnens nachahmen konnten.
Da wäre zum Beispiel der Mut und Witz von Arent de Gelder. Während der Meister seine zur Fülle neigende Lebensgefährtin in eine Rüstung steckt und sich nicht an der klassischen Überlieferung orientiert – Athene wird den antiken Quellen nach als anmutige, schlanke, blauäugige Jungfrau beschrieben, während Hendrickje eher einer braunäugigen, biederen Bürgersfrau gleicht –, malt Arent de Gelder ein Bordell. Nicht genug, dass er mit breitem Pinselduktus und brauner Palette dieses verrufene Milieu im Bild festhält, er stellt einen an die Hauswand pinkelnden Soldaten in die Mitte der Komposition. Die leichten Damen haben dabei nichts Besseres zu tun, als ihm zuzuschauen und zu tratschen. Was sie dabei diskutieren und worauf sie zeigen, bleibt gänzlich der Fantasie des Betrachters überlassen.
Rembrandts erster Schüler Gerrit Dou, der mit 19 Jahren bereits seine eigene Werkstatt eröffnete, scheint viel mehr das Gespür des Meisters für Haptik, Lichtreflexe und Stofflichkeit im Blick gehabt zu haben. Sein kleines, feines Stillleben mit einer am Boden liegenden Rüstung und einer daneben stehenden Trommel, beeindruckt allein aufgrund der realistischen Wiedergabe. Wie sehr muss Dou vom Können Rembrandts überzeugt gewesen sein, wenn er trotz einer derartigen Begabung zum älteren Meister der Stoffe und des geheimnisvollen Funkelns in die Lehre ging.
Ein ähnliches Gefühl für Textur und eine Vorliebe für Charakterköpfe zeigt Christopher Paudiß, der ‚bayerische Rembrandt‘. Ein alter bärtiger Mann wendet sich von einem Brief ab, hin zu seiner Katze, die mit ein paar Federn spielt. Kratzer im Impasto deuten einzelne Haare an, die überzeugender kaum dargestellt werden könnten. Im Hintergrund erkennt man eine Frau, im Vordergrund liegt ein toter Vogel vor einem leeren Glas. Gleichzeitig hat Paudiß eine versteckte Botschaft eingearbeitet: Der Stubentiger steht hier für Heuchelei, während der tote Piepmatz die verloschene Potenz des dargestellten Mannes symbolisiert. Verborgene Anspielungen kennt man auch von Lehrmeister Rembrandt. So malt dieser im Jahr seines Bankrotts und der Zwangsversteigerung seines häuslichen Inventars einen ausgenommenen Ochsen. Handelt es sich bei dem im Louvre befindlichen Stillleben also eher um ein verschleiertes Selbstportrait?
Der einzige Wermutstropfen bei der von Julia Quandt kuratierten Ausstellung ist, dass auf den Lehrer Rembrandt, der ja im Titel steht, oft nur in den einzelnen Bildbeschreibungen verwiesen wird. Der visuelle Vergleich erfolgt erst im fünften Raum der Zimmerflucht, also im letzten Drittel der Ausstellung. Man hätte es dem Besucher leichter machen können, wenn das große Vorbild der Schüler mit dem Portrait der Hendrickje Stoffels am Beginn des Weges durch die Schau stände. So muss der Besucher schon im Vornherein eine etwaige Idee haben, worauf er bei den Werken der Schüler achten muss und welche Qualitäten Rembrandt als Vorbild hatte vermitteln können.
Aber auch wenn man kein Rembrandt-Experte ist, kann man die Ausstellung genießen, denn der Besucher erhält einen tiefen Einblick in die verschiedenen Kunstströmungen der damaligen Zeit. Darüber hinaus sind die Exponate in ihren ansprechenden Rahmen wunderbar zugänglich. Ob es die sparsamen, aber wirkungsvollen Federstriche von Pieter Lastman oder die tremolierend-nervösen Linien des Samuel van Hoogstraten sind, selten kommt man in einer Ausstellung dem Papier oder der Leinwand so nah wie hier im Schaezlerpalais. Wer einmal einen anderen Blick auf den bekannten Meister vom Niederrhein werfen und sein Umfeld besser kennen lernen will, oder wer selten gezeigte Kunst auf Papier schätzt, der sollte unbedingt an den Lech reisen.
Die Ausstellung „Lehrer Rembrandt – Der große Maler im Spiegel seiner Schüler“ läuft bis zum 16. Januar 2022. Das Schaezlerpalais hat bis auf montags von 10 bis 17 Uhr unter der 2G Plus-Regel geöffnet. Der Eintritt beträgt regulär 7 Euro, ermäßigt 5,50 Euro. Der 88seitige Katalog zur Ausstellung kostet an der Museumskasse 9 Euro. Zusätzlich erschien im Deutschen Kunstverlag die begleitende Publikation „Lehrer Rembrandt – Lehrer Sumowski“ für 24,95 Euro. |