Potsdam feiert ein Fest der NachkriegsabstraktionDie informelle Malerei in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg ist ein wenig in den Hintergrund der breiten Wahrnehmung geraten. Nun greift das Museum Barberini in Potsdam dieses Thema auf und stellt der großen Epoche der Abstraktion in Europa die wichtigste Strömung dieser Jahre aus den USA gegenüber: den Abstrakten Expressionismus. Ausgehend von der hauseigenen Sammlung Hasso Plattners, die Arbeiten von Norman Bluhm, Sam Francis und Joan Mitchell umfasst, hat Kurator Daniel Zamani rund 100 Arbeiten von über 50 Künstlerinnen und Künstlern aus mehr als 30 internationalen Museen und aus Privatbesitz zusammengestellt und erkundet an ihnen den transatlantischen Kunstdialog von Mitte der 1940er Jahre bis zum Ende des Kalten Krieges.
Der Zweite Weltkrieg war eine Zäsur in der Entwicklung der modernen Kunst. Etliche Künstlerinnen und Künstler der europäischen Avantgarde gingen aufgrund der zunehmenden Repressalien ins amerikanische Exil und machten New York neben Paris zu einem Zentrum des künstlerischen Fortschritts. Zudem wandte sich eine junge Generation von der figürlichen Malerei und der geometrischen Abstraktion der Zwischenkriegsjahre ab und verfolgte einen gestisch-expressiven Umgang mit Form, Farbe und Material, dessen experimenteller Charakter eine Entgrenzung des traditionellen Malereibegriffs zur Folge hatte. Jackson Pollock, seine Frau Lee Krasner, Willem de Kooning, Franz Kline und Hans Hofmann fanden im Action-Painting eine intersubjektive Ausdrucksform, während Mark Rothko, Barnett Newman, Morris Louis, Adolph Gottlieb, Robert Motherwell und Clyfford Still mit dem Color Field Painting eine Form der malerischen Überwältigung entwickelten.
Zeitgleich beschäftigten sich Malerinnen und Maler in Europa mit neuen Gestaltungsformen, Materialien und Texturen. Die Bezeichnung dieser Strömung als Informel verweist auf die „formlos“ ungebändigte Ästhetik. In Paris brachen Georges Mathieu, Antoni Tàpies, Pierre Soulages, Wols, Jean Fautrier und Jean Dubuffet mit den malerischen Traditionen. Ab Mitte der 1950er Jahre traten auch Künstler aus Westdeutschland zunehmend auf den Plan. Karl Otto Götz, Gerhard Hoehme, Bernard Schultze, Winfred Gaul, Ernst Wilhelm Nay und Fritz Winter nahmen Kontakte zu den Entwicklungen in Frankreich und den USA auf.
Die Documenta II von 1959 feierte Werke der informellen Malerei und des Abstrakten Expressionismus als Ausdruck einer neuen, universellen Bildsprache, die den politischen Zusammenhalt der westlich-liberalen Staaten kulturhistorisch untermauern sollte. In der Bundesrepublik wurde die radikale Abstraktion als neue Norm der Avantgardemalerei gewertet, die als Gegenmodell zum Sozialistischen Realismus in der DDR sowie den ästhetischen Prinzipien des Nationalsozialismus galt. Mit Werken von Jean Degottex, Simon Hantaï, Manolo Millares, Theodoros Stamos und Jack Tworkov nimmt Daniel Zamani dabei auch weniger bekannte Künstler in den Blick. Zudem legt er einen Schwerpunkt auf Künstlerinnen, die einen wichtigen Beitrag zur Abstraktion der Nachkriegsepoche geliefert haben. Mit von der Partie sind Mary Abbott, Janice Biala, Natalia Dumitresco, Perle Fine, Helen Frankenthaler, Judit Reigl, Deborah Remington, Janet Sobel, Hedda Sterne und Maria Helena Vieira da Silva.
Die Ausstellung „Die Form der Freiheit. Internationale Abstraktion nach 1945“ läuft vom 4. Juni bis zum 25. September. Das Museum Barberini hat täglich außer dienstags von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt regulär 16 Euro, am Wochenende 18 Euro, ermäßigt 10 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist er frei. Der Ausstellungskatalog aus dem Prestel Verlag kostet im Museum 34 Euro, im Buchhandel 42 Euro.
Museum Barberini
Humboldtstraße 5-6
D-14467 Potsdam
Telefon: +49 (0)331 – 23 60 14 499 |