| | Die Liste 2022 in der offenen kreisrunden Architektur von Office Kersten Geers David Van Severen und Richard Venlet | |
Mit der Art Basel konnte heuer auch die wichtigste Nebenmesse, die Liste Art Fair Basel, wieder ihren angestammten Sommertermin wahrnehmen. Allerdings fand die 26. Ausgabe der Entdeckermesse in diesem Jahr zum zweiten Mal nicht am üblichen Ort auf dem hübsch schrammeligen Areal der ehemaligen Brauerei Warteck statt, sondern wie bereits im September 2021 in der Halle 1.1 des Basler Messegeländes. Die unmittelbare Nähe zur Hauptmesse hat der Liste zwar sicherlich gut getan und ihr mit mehr als 25.000 Besucher*innen die höchste Zahl an Gästen in ihrer Geschichte beschert. Dennoch war von älteren Teilnehmer auch durchaus Bedauern darüber zu hören, dass die Messe durch ihren Umzug an Individualität und Charakter verloren habe. Andere wiederum lobten die von dem belgischen Architekturbüro Office Kersten Geers David Van Severen in Zusammenarbeit mit Richard Venlet entworfene luftige und kreisförmig in die Halle gesetzte Standarchitektur und die mit dem Umzug einhergehende Professionalisierung der Liste. Der Wechsel war in erster Linie der Corona-Pandemie geschuldet, die eine Ausrichtung in den teils beengten Räumlichkeiten des Warteck-Areals nicht zugelassen hätte. Über ihren endgültigen Verbleib hat die Liste laut Direktorin Joanna Kamm noch nicht entschieden.
82 Galerien aus 37 Ländern wurden für die diesjährige Ausgabe der 1996 gegründeten Messe von einem Komitee ausgewählt. Allein 60 Galerien konzentrierten sich auf Solopräsentationen jüngerer und noch weitgehend unbekannter Künstler*innen. Für viele Sammlerinnen und Sammler stellt die Liste die erste Anlaufstelle der Messewoche dar. Sie startet wenige Stunden vor der Eröffnung der Unlimited und einen ganzen Tag vor der allein VIP-Gästen vorbehaltenen Eröffnung der Art Basel. Wenn man über einen guten Blick und ein gewisses Budget verfügt, kann man hier also noch vor allen anderen fündig werden. Joanna Kamm sprach daher auch von „einer elektrisierten Stimmung und großer Entdeckungsfreude“.
Ein ansonsten eher auf strenge Konzeptkunst spezialisiertes französisches Sammler- und Psychoanalytikerpaar etwa geriet angesichts der stark mit Märchenmotiven und romantischen Naturdarstellungen aufgeladenen Gemälde des in Paris lebenden Schweizer Malers Adrian Geller (*1997) am Stand der Brüsseler Galerie Super Dakota geradezu ins Schwärmen. Gellers Bilder geben Anlass zum Hinwegträumen in eine scheinbar naturnahe, harmonische Koexistenz zwischen Mensch, Wald und Tieren. Dennoch enthalten sie immer auch ambivalente Momente. So steht ein heimelig erleuchtetes, auf einer fahrenden Kutsche montiertes Holzhaus bereits partiell in Flammen. Die Zuflucht, die es zu bieten scheint, könnte daher rasch zur tödlichen Falle werden.
Ähnliche Begehrlichkeiten wecken auch die Bilder von Šimon Sýkora (*1990) am Stand der in Prag und Brünn ansässigen Polansky Gallery. Sýkoras bevorzugtes Motiv ist der mit leichtem Gepäck durch die Welt streifende, androgyne Wanderer, der vor der Kulisse von friedlichen Fachwerksiedlungen und ruhigen Flusslandschaften mit Vögeln, Hunden und Katzen ins Gespräch zu kommen scheint – offenbar immer auf der Suche nach sich selbst und dem Glück in Form einer zwischenmenschlichen Begegnung. Ein besonderes Anliegen der Liste war in diesem Jahr die Solidarität mit der Ukraine. Neben der Einladung zweier ukrainischer Galerien, The Naked Room und Voloshyn aus Kiew, die unter anderem Arbeiten von Katya Buchatska, Lucy Ivanova, Nikita Kadan und Lesia Khomenko präsentierten, hatten die drei osteuropäische Galerien LC Queisser aus Tiflis sowie Sandwich und Suprainfinit aus Bukarest ihre Stände mit ukrainischen Künstler*innen erweitert. So konnte das ukrainische Kollektiv „Understructures“ bei LC Queisser eine Publikation mit dem Titel „Oberih“, was soviel wie Amulett oder Talisman bedeutet, zur Unterstützung der Menschen in der Ukraine initiieren.
Kontrastprogramm dann bei der aus Puerto Rico angereisten Galerie Embajada. Gabriella Torres Ferrer (*1987), die bereits zweimal im New Yorker Whitney Museum an Gruppenausstellungen teilgenommen hat und zur Zeit in Berlin lebt, hatte aktuelle Arbeiten aus ihrer fortlaufenden Serie „Mine Your Own Business“ im Gepäck. Darin setzt sich die Multimediakünstlerin kritisch mit der Aneignung und kommerziellen Verwertung persönlicher Daten durch amerikanische Großkonzerne auseinander. Im Alltag gefundene Gegenstände wie leere Getränkedosen, aber auch Ensembles exotischer Früchte wie Ananas oder Bananen bestückt sie mit streichholzschachtelgroßen Minibildschirmen, auf denen die Kursbewegungen von Kryptowährungen, Rohstoffpreise oder das aktuelle Vermögen von global wirkenden Milliardären wie Elon Musk in Echtzeit gestreamt werden. Die während der sieben Messetage langsam vor sich hingammelnden Ananas lieferten jedenfalls die perfekte Metapher dafür, dass an diesen undurchsichtigen Kapitalströmen etwas faul sein könnte.
Eine Beobachtung, die man auf der Liste, wie auch auf der Art Basel machen konnte, betrifft den Altersdurchschnitt der Besucher*innen. Das Publikum scheint sich mehr und mehr zu verjüngen und vielleicht auch zu diversifizieren, was sicherlich an den Initiativen der Messegesellschaft liegt. So veranstaltete die Art Basel am Donnerstagabend zum ersten Mal in ihrer Geschichte die „Unlimited Night“, ein mehrstündiges Event mit Performances der Künstler*innen Ari Benjamin Meyers und Nora Turato sowie einem Video-Release des Grammy-Gewinners Chance the Rapper. Das alles bei freiem Eintritt.
Und auch jenseits des Messegeländes tat sich etwas. Der Basel Social Club in der leerstehenden Villa „The Beverly Holz“ aus den 1930er Jahren wurde rasch zum abendlichen Treffpunkt eines überwiegend jungen und großstädtischen Publikums. In den teilweise noch mit ursprünglichem Mobiliar ausgestatteten Räumen fanden sich Werke von Künstler*innen so namhafter Galerien wie Greene Naftali aus New York, The Modern Institute aus Glasgow oder Franco Noero aus Turin. Dahinter steckte ein Kollektiv von Künstler*innen, Galerist*innen und Kurator*innen. Der leicht verwunschene Garten und der Swimming Pool der Villa luden zum Relaxen ein. Originale mexikanische Tacos, eine Gin-Bar und ein täglich wechselndes Performance-Programm machten diesen nur fünfzehn Tram-Minuten von der Messe entfernten Ort zum perfekten Hangout all derer, die auf den mittlerweile ständig überfüllten und arg blasiert daherkommenden Kunsthallengarten keine rechte Lust mehr hatten.
Nächster Termin: 12.-18. Juni 2023
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