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Marktberichte |
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Die Bilanz für die Kunst des 19. Jahrhunderts fällt bei Grisebach durchweg positiv aus. Neben einer hohen Zuschlagsquote verbuchte das Berliner Auktionshaus etliche Wertsteigerungen  Zimmer mit Aussicht

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 |  | Julius Kaskel, Fensterblick auf Dresden, 1837 | |
Julius Kaskel stammte aus einer angesehenen jüdischen Bankiersfamilie in Dresden und leitete mit seinem Bruder Karl über viele Jahre die Geschicke des Hauses. Die Kaskels waren aber auch künstlerisch gebildet, pflegten Umgang mit Clara und Robert Schumann oder Gottfried Semper und luden gerne in ihren Salon ein. Ihr Haus soll neben dem Dresdner Hof zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine der wichtigsten Adressen im kulturellen Leben der sächsischen Metropole gewesen sein. Viellicht war Julius Kaskel das geschäftliche Zahlenwerk zu starr und zu eng, weshalb er sich auch malerisch betätigte. Ein Resultat dieser Tätigkeit ist sein Blick auf Dresden durch ein geöffnetes Fenster vom Landgut „Antons“ aus, das die Familie 1832 ersteigert hatte. Bei seinem Gemälde bezog sich Kaskel direkt auf ein gut zehn Jahre älteres Werk Karl Gottfried Traugott Fabers, der ebenfalls den gleichen Fensterblick als Symbol für die Erfahrung von Innen- und Außenwelt nutzte. Kaskels romantischer Topos für die unerfüllte Sehnsucht war nun einer der Gewinner in der Auktion mit Neueren Meistern bei Grisebach. Das qualitätvolle, mit 5.000 Euro angesetzte Gemälde von 1837 versiebenfachte seinen Wert auf 35.000 Euro und wanderte nach New York aus.
Darüber hinaus sorgten die Dresdner Romantiker in Berlin für weitere schöne Resultate, etwa Ernst Ferdinand Oehme mit seiner „Bergkapelle im Winter“. Das tief verschneite gotische Kirchlein vor abendlichem Himmel, zu dem einige fromme Pilger eben aufsteigen, verdoppelte seinen Wert auf 50.000 Euro. Der mit 28 Jahren früh verstorbene Dresdner Künstler August Heinrich gesellte sich mit einem weiten Blick auf das Tennengebirge bei Salzburg hinzu; für die handliche Ölstudie um 1821 mit der ruhigen Abendstimmung spendierten die Bieter taxgerechte 44.000 Euro. Auf niedrigem Niveau reüssierte ein Sommerabend mit der Silhouette von Dresden, den der Däne Niels Aagaard Lytzen um 1847/60 mit einigen Booten im Licht der untergehenden Sonne unter gold-rot-braunen Wolken malte, bei 4.000 Euro (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR).
Schon der Auftakt am 1. Juni war von Erfolg gekrönt, den die bisher kaum bekannte badische Malerin Amalie Bensinger mit einem wiederentdeckten Hauptwerk eindrucksvoll untermauerte. Ihre Adaption der weiblichen, von Melancholie umflorten Protagonistin Margaretha aus Victor von Scheffels „Trompeter von Säckingen“, verewigt 1856 in einem nazarenisch-romantischen Stil, wechselte aus einer portugiesischen Privatsammlung bei 38.000 Euro in eine hessische (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Die Nazarener stellten zudem Josef von Führichs biblische Vision der geängstigten Einwohner Jerusalems, die die kommende Eroberung und Vernichtung ihrer Stadt durch den Seleukiden-Herrscher Antiochos IV. Epiphanes fast vierzig Tage lang am Himmel vorhersehen, für 25.000 Euro (Taxe 25.000 bis 35.000 EUR) sowie Franz und Johannes Riepenhausens Gemeinschaftswerk „Raffaels Traum“ von 1822 mit der Inspiration zu seiner Sixtinischen Madonna für 9.500 Euro zur Verfügung (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR).
Die Nazarener bezogen sich gerne auf Albrecht Dürer, der die Versteigerung mit seinem rätselhaften Kupferstich „Melencolia I“ von 1514 preislich anführte. Das Symbolbild eines neuzeitlichen Künstlertypus mit der bereits seitenrichtig korrigierten Ziffer 9 im magischen Quadrat wurde seiner Favoritenrolle bei 100.000 Euro gerecht (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Nicht ganz so hoch ging es für Dürers zweites detailreiches Blatt „Der heilige Eustachius“ um 1501 mit 48.000 Euro hinaus (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR), ebenso für Augustin Hirschvogels sachliche Radierung „Flusslandschaft mit fünf kahlen Fichten im Vordergrund“ von 1549 mit 8.000 Euro (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Das waren die einzigen Positionen, die aus dem zeitlich und inhaltlich abgesteckten Rahmen des 19. Jahrhunderts herausfielen. Auf das Mittelalter griff der Düsseldorfer Maler Franz Stegmann zurück und erwies dem gotischen Kölner Dom seine Ehre. Für seine aufstrebende Innenansicht von 1868 mit einer kleinen Prozession kamen 6.500 Euro zusammen (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR).
In den Süden drängte es dagegen um 1818/19 Franz Ludwig Catel, der seine unbeschwerte Ölstudie mit der Sicht vom Grab des Vergil auf den Vomero-Hügel samt Castel Sant’Elmo in Neapel für taxkonforme 10.000 Euro abgab. Ein heiteres Stimmungsbild aus Italien gestaltete zudem Oswald Achenbach 1875 in seinem Sommertag an der Via Appia mit dem Grabmal der Caecilia Metella, das sich leicht auf 17.000 Euro verbesserte (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Auch der Darmstädter Hoftheatermaler Johann Heinrich Schilbach hielt sich häufiger in Italien auf und stellte aus seinem Nachlass fünfzehn kleinformatige Ölskizzen zur Verfügung, die oft dortige Landschaften spontan einfingen. Alle gingen zu ihren Schätzpreisen oder darüber weg, darunter sein orangerot glühender Sonnenuntergang über dem Meer für 10.000 Euro (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Diesen Betrag gab es gleichfalls für Jean Antoine Théodore Gudins stimmungsvollen Hafen von Sidi El Feruch in Algerien unter mildem Abendlicht von 1842 (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR).
Der Däne Carsten Henrichsen hielt sich lieber in seiner Heimat auf und ließ sich 1855 von den Kreideklippen auf der Ostseeinsel Møn zu seinem nun 4.500 Euro teuren „Sommertag am Møns Klingt“ inspirieren (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Naturalistische, aber auch schon formauflösende Züge nimmt Christian Rohlfs’ Sicht auf die „Hausknechtstraße in Weimar“ mit schwer tragender Bäuerin um 1889 an, die von 10.000 Euro auf 18.500 Euro zulegte. Dagegen punktete Hans Thomas „Hügelige Landschaft“ um 1889 wohl aus dem heimatlichen Schwarzwald in ihrer stilisierten Form bei 28.000 Euro (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Preußisch wurde es dann bei Leopold Zielkes Berliner Vedute mit dem Palais des Prinzen Wilhelm Unter den Linden. Dem Aquarell von 1835 in biedermeierlicher Exaktheit gelang ein Sprung von 2.500 Euro auf 13.000 Euro. Franz von Lenbach war wieder einmal mit einem seiner zahlreichen Bildnisse des alten Reichskanzlers Otto von Bismarck aus dem Jahr 1891 angereist und bei 19.000 Euro erfolgreich (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR), sein Münchner Kollege Franz von Stuck dann mit dem Bronzerelief des grimmig blickenden Beethoven bei 17.000 Euro (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR).
Dazwischen hatte Grisebach einige Aktskizzen und -bildern eingefügt, darunter Auguste Rodins feinfühlig gezeichnete „Deux femmes nues se tenant la main“ um 1896/97 für die anvisierten 17.000 Euro. Paul Cézannes kraftvoll mit Kohle und Schraffuren ausgearbeiteter sitzender „Homme nu“ um 1862/65 wanderte bei 75.000 Euro in eine hessische Sammlung (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR). Günstiger waren Osmar Schindlers stehender männlicher Rückenakt um 1890 für 2.800 Euro (Taxe 800 bis 1.200 EUR) oder Ludwig von Hofmanns zarter Junge in gleicher Position für 2.400 Euro (Taxe 600 bis 800 EUR). Hofmanns Gemälde eines gebeugten weiblichen Akts im Grünen konnte sich über 9.500 Euro freuen (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR), während sich Richard Müllers neusachliche Atelierszene beim Aktzeichnen mit 12.500 Euro bescheiden musste (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR).
Den klingenden Schlussakkord der Versteigerung setzten gut 40 Positionen mit Arbeiten des Symbolisten Max Klinger, die der Leipziger Sammler Fritz Tögel in weiten Teilen von Klingers Nachlassverwalter Johannes Hartmann übernommen und seiner Familie vererbt hatte. Auch hier stand der nackte weibliche Körper in der Gunst der Bieter, etwa Gertrud Bock, Klingers Geliebte und spätere Ehefrau, als schwebender Akt, gezeichnet um 1912/14 auf grünem Papier, für 21.000 Euro (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Ein doppelseitig bemalter Karton mit Ölstudien zweier weiblicher Halbakte kostete 20.000 Euro (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR), ein mit Bleistift, Kreide und Gouache entwickeltes Frauenportrait im Profil mit tiefem Ausschnitt schlug mit 15.000 Euro zu Buche (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Aus den diversen druckgrafischen symbolistischen Arbeiten Klingers mit den Irrungen und Wirrungen der Liebe ragte die zehnteilige Radiermappe „Paraphrase über den Fund eines Handschuhs. Opus VI“ von 1881 in der fünften Auflage von 1924 bei 14.000 Euro heraus (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Insgesamt konnte Grisebach 87 Prozent der gut 160 Positionen absetzen und damit einen Bruttoumsatz von 1,3 Millionen Euro einfahren.
Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. |  | Kontakt: Grisebach Fasanenstraße 25 DE-10719 Berlin |
 | Telefon:+49 (030) 885 91 50 | Telefax:+49 (030) 882 41 45 |  |  | E-Mail: auktionen@grisebach.com |  | Startseite: www.grisebach.com |
02.08.2022 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching |  |
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 Hans Thoma, Hügelige
Landschaft, um 1889 |  | Taxe: 10.000 - 15.000 EURO Zuschlag: 28.000,- EURO Losnummer: 196 |  |  |  |  |  | 
 Max Klinger,
Weiblicher Akt
(Gertrud Bock), um
1912/14 |  | Taxe: 10.000 - 15.000 EURO Zuschlag: 21.000,- EURO Losnummer: 238 |  |  |  |  |  | 
 Ernst Ferdinand
Oehme, Bergkapelle
im Winter, um 1850 |  | Taxe: 20.000 - 30.000 EURO Zuschlag: 50.000,- EURO Losnummer: 167 |  |  |  |  |  | 
 Amalie Bensinger,
Margarethas
Sehnsucht, 1856 |  | Taxe: 15.000 - 20.000 EURO Zuschlag: 38.000,- EURO Losnummer: 100 |  |  |  |  |  | 
 Oswald Achenbach,
Via Appia mit dem
Grabmal der Caecilia
Metella, 1875 |  | Taxe: 10.000 - 15.000 EURO Zuschlag: 17.000,- EURO Losnummer: 102 |  |  |  |  |  | 
 Albrecht Dürer,
Melencolia I, 1514 |  | Taxe: 60.000 - 80.000 EURO Zuschlag: 100.000,- EURO Losnummer: 103 |  |  |  |  |  | 
 Paul Cézanne, Homme
nu, um 1862/65 |  | Taxe: 50.000 - 70.000 EURO Zuschlag: 75.000,- EURO Losnummer: 199 |  |  |  |  |  | 
 Christian Rohlfs,
Hausknechtstraße in
Weimar, um 1889 |  | Taxe: 10.000 - 15.000 EURO Zuschlag: 18.500,- EURO Losnummer: 208 |  |  |  |  |  | 
 Niels Aagaard
Lytzen, Dresden am
späten Nachmittag,
um 1847/60 |  | Taxe: 2.000 - 3.000 EURO Zuschlag: 4.000,- EURO Losnummer: 174 |  |  |  |  |  | 
 Josef von Führich,
Vision der Einwohner
Jerusalems vor der
Eroberung durch
Antiochos IV.
Epiphanes, nach 1844 |  | Taxe: 25.000 - 35.000 EURO Zuschlag: 25.000,- EURO Losnummer: 109 |  |  |  |  |  | 
 August Heinrich,
August Heinrich
zugeschrieben,
Blick auf das
Tennengebirge bei
Salzburg, um 1821 |  | Taxe: 40.000 - 60.000 EURO Zuschlag: 44.000,- EURO Losnummer: 173 |  |  |  |  |  | 
 Johannes
Riepenhausen, Franz
und Raffaels Traum,
1822 |  | Taxe: 6.000 - 8.000 EURO Zuschlag: 9.500,- EURO Losnummer: 124 |  |  |  |  |  | 
 Albrecht Dürer, Der
heilige Eustachius,
um 1501 |  | Taxe: 40.000 - 60.000 EURO Zuschlag: 48.000,- EURO Losnummer: 108 |  |  |
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