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Marktberichte |
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Die Grafik dominiert die Versteigerung des Heidelberger Auktionshauses Winterberg  Landschaft kopfüber

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 |  | Christoffel van Sichem I, Junger Zitherspieler, um 1600 | |
Von einem Zitherspieler, der seine Hände eben von den Saiten hebt und über seine Schulter zum Betrachter blickt, bis zu schwer lastenden schwarzen Balken vor einer fernen Helle reicht das Angebot der kommenden Versteigerung bei Winterberg. Den eleganten Musiker mit seiner sangesfreudigen Truppe schnitt Christoffel van Sichem I um 1600 nach einer verlorengegangenen Zeichnung Hendrick Goltzius’ in Holz, was heute 2.200 Euro kostet, während der bald 103jährige Pierre Soulages seine hoffnungsvolle „Lithographie no 38“ im Jahr 1975 vorlegte und nun dafür 26.500 Euro sehen will. Das Heidelberger Auktionshaus hat wieder ein klassisches grafisches Programm mit Arbeiten auf Papier aus rund 500 Jahren zusammengestellt und darin einige malerische Positionen und Skulpturen eingestreut. In der Alten Kunst tun sich etwa noch Ludwig Krug mit seinem Kupferstich „Die Anbetung der Könige“ von 1516 nicht im Stall, sondern in einem moderner Renaissancebau bei 1.450 Euro oder Jacob Matham mit seiner kraftvoll manieristischen Allegorie auf den „Sommer“ hervor. Den Kupferstich im Rund aus der Folge der „Vier Jahreszeiten und Lebensalter der Menschen“ schuf er 1589 ebenfalls nach Vorlagen Hendrick Goltzius’. Er ist mit 3.400 Euro veranschlagt.
Für das späte Rokoko stehen dann die beiden Grandes Pastorales von Gilles Demarteau, der für seine oft erotisch angehauchten Arbeiten die neue Technik der Crayonmanier nutzte. Auch seine Pendants mit einem Hirtenpaar samt Kind und einem Hirtenpaar neben einem Monument nach Jean-Baptiste Huet liegen als in Farben gedruckte Punktierstiche vor (Taxe 6.500 EUR). Eher auf die Sitten und Unsitten der Gesellschaft ist William Hogarth in seiner figurenreichen Radierung einer Wanderschauspielertruppe mit „Strolling Actresses dressing in a Barn“ von 1738 aus (Taxe 1.980 EUR). Einen beinahe in Stein gemeißelten Klassizismus weist Asmus Jacob Carstens’ Zeichnung mit dem Gastmahl des Platon aus den frühen 1790er Jahren auf (Taxe 650 EUR), während Franz Edmund Weirotter um 1765 bei seiner weiten italienischen Landschaft mit dem zerfallenen Kastell eher die Atmosphäre betont. Die Vorstudie zu Blatt 10 seiner Radierfolge „Aus der Umgebung von Rom“ soll 1.500 Euro einspielen. Eine kleine Besonderheit ist Weirotters Konvolut mit sieben Radierungen mit zwei in der Literatur nicht erwähnten Probedrucken von der noch ungeteilten Platte, so dass sich hier zwei stimmungsvolle Landschaften kopfüber treffen (Taxe 4.200 EUR).
Das 19. Jahrhundert präsentiert viel Zeichnerisches, darunter eine feine südliche Landschaft mit Bachlauf, Bauernhaus und Staffagefiguren von Friedrich Christian Reinermann (Taxe 780 EUR) oder Carl Rottmanns auf die Umrisse beschränkte Vorstudie zu seinem Gemälde „Staufen – Walser Heide“ von 1833 (Taxe 950 EUR). Der Geist der Romantik spricht dann aus Johannes Riepenhausens braun lavierter Allegorie der Vier Jahreszeiten, die als kleine Putten über Hügeln schweben (Taxe 750 EUR). Die 1.800 Euro für Theodor Verhas’ um 1850 gezeichneten Blick über den Neckar auf Heidelberg mit dem Schloss und der Alten Brücke sind wohl dem potentiellen Interesse lokaler Käufer geschuldet. Simon Quaglio bediente 1856 mit seiner aquarellierten Zeichnung des alten Spitals in Bingen am Rhein die Vorliebe historistisch Gesinnter für das Mittelalter (Taxe 450 EUR). Malerischer wird es mit Caspar Scheurens Aquarell einer Truppe von Landsknechten, die 1873 frohgemut eine Überfahrt unternahmen (Taxe 400 EUR). Johann Wilhelm Schirmer tritt dann mit einem Gemälde an und eröffnet dem Betrachter eine unprätentiöse Aussicht über das Geroldsauer Tal bei Baden-Baden von 1855 (Taxe 3.600 EUR), während es bei Ferdinand Piloty d.J. und seiner Ophelia am Bachlauf schon etwas dramatischer zugeht (Taxe 980 EUR).
Die Kunst seit der Moderne macht mit über 500 der rund 780 Positionen den Hauptteil der Offerte bei Winterberg aus und stellt zudem die teuersten Arbeiten. An Position eins rangiert Ernst Ludwig Kirchner mit seiner flotten Kreidezeichnung „Akt im Tub“ in Schwarz und Rot um 1925 für 38.000 Euro und seinen beiden späten schwarzweißen Druckgrafiken „Drei nackte Tänzerinnen im Wald“ von 1935 für 23.800 Euro und der Allegorie „Die Empfindungen“, die Kirchner vier nackten Männern mit großen Gesten anvertraut hat. Der Holzschnitt von 1937 soll als einer von nur vier bekannten Handabzügen des Künstlers 42.500 Euro erzielen. Max Beckmann macht mit der Kaltnadelradierung „Landschaft mit Ballon“ aus der Suite „Gesichter“ von 1918 auf sich aufmerksam (Taxe 12.500 EUR), Marc Chagall mit seiner Mappe „Poèmes“, für die er 1968 sich erstmals mit dem Farbholzschnitt beschäftigte und 31 eigene Gedichte mit 24 Blättern seiner Traumwelten kombinierte (Taxe 16.500 EUR). Otto Muellers schwarzweiße Lithografie „Sitzendes Liebespaar 2“ um 1919 ist mit 12.500 Euro ebenfalls anspruchsvoll taxiert.
Bei dem kaum bekannten Hamburger Künstler Ernst Odefey und seinem vom Jugendstil beeinflussten Farbholzschnitt eines einsamen „Paars im Boot“ von 1915 rutscht dann das Preisniveau auf erschwingliche 250 Euro ab. Dazwischen platzieren sich allerhand ausgesuchte Arbeiten, etwa Karl Schmidt-Rottluffs charakteristische Kaltnadelradierung „Landschaft aus Strehlendorf“ von 1920 (Taxe 4.500 EUR), Wilhelm Schnarrenbergers ironische Lithografie „Exotische Landschaft“, zu der sich 1920 mehrere Paare in ein Gewächshaus mit Kakteen aufgemacht haben (Taxe 650 EUR), oder Lesser Urys impressionistische Radierung einer holländischen Bäuerin bei Einfädeln eines Fadens in ihre Nadel von 1921 (Taxe 520 EUR). Das italienische Bergstädtchen Olevano muss Alexander Kanoldt nachhaltig fasziniert haben. In der Mitte der 1920er Jahre legte er mehrere neusachliche Lithografien mit verschiedenen Perspektiven auf die gestaffelten Häuser am Monte Celeste auf. Sechs davon offeriert Winterberg zwischen 900 Euro und 2.500 Euro.
Béla Kádár huldigt dann der Weiblichkeit und hat in den 1930/40er Jahren einen weiblichen Akt auf seinem Aquarell vor einem ornamentalen Hintergrund drapiert (Taxe 4.800 EUR). Nur selten melden sich Künstlerinnen zu Wort. Mit dabei sind etwa Marie Laurencin und zwei ihrer luftigen weiblichen Wesen auf der Farblithografie „Les Enfants du Château“ in pastelligen Tönen von 1930 (Taxe 5.400 EUR) oder Maria Uhden mit ihren dagegen markanten kräftigen Gestalten auf fünf Holzschnitten, die 1917/18 in der Sturm-Zeitschrift von Herwarth Walden erscheinen (Taxe 200 EUR). Einen malerischen Beitrag leistet die Bremerin Marie von Hadeln in ihrem Pastell einer ruhigen Flusslandschaft mit kahlen Bäumen und Ruderbooten am Ufer von 1924 (Taxe 240 EUR). Dem folgt Heinz Schifferdecker mit seiner 1918 in Öl gemalten „Abendstimmung“ auf einem menschenleeren baumbestandenen Weg zu einem Dorf (Taxe 380 EUR). Dem Fotorealismus hatte sich der 2007 in Karlsruhe verstorbene Maler Klaus Langkafel verschrieben und damit seine Stillleben erstellt, etwa 1996 ein akkurat angeordnetes Arrangement aus einer Vase mit Blume, Postkarte, Blechdose und Zwetschke (Taxe 650 EUR) oder 1986 ein Trompe l’œil mit Postkarte und Gummiring im Rund (Taxe 550 EUR). Dem widersetzt sich Dora Mittenzwei mit ihrer neoexpressiven Verve, etwa bei einem liegenden Akt in bunten Farben von 1998 (Taxe 3.200 EUR).
Die Auktion beginnt am 22. Oktober um 11 Uhr. Der Onlinekatalog ist unter www.winterberg-kunst.de einsehbar. |  | Kontakt: Winterberg Kunst Hildastraße 12 DE-69115 Heidelberg |
 | Telefon:+49 (6221) 915 990 | Telefax:+49 (6221) 915 99 29 |  |  | E-Mail: info@winterberg-kunst.de |  | Startseite: www.winterberg-kunst.de |
21.10.2022 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching |  |
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 Gilles Demarteau,
Grandes Pastorales:
Hirtenpaar mit Kind –
Hirtenpaar neben
Monument |  | Taxe: 6.500,- EURO Losnummer: 43 |  |  |  |  |  | 
 Ludwig Krug, Die
Anbetung der Könige,
1516 |  | Taxe: 1.450,- EURO Losnummer: 10 |  |  |  |  |  | 
 Friedrich Christian
Reinermann,
Italienische
Landschaft mit
Bachlauf |  | Taxe: 780,- EURO Losnummer: 183 |  |  |  |  |  | 
 Max Beckmann,
Landschaft mit
Ballon, 1918 |  | Taxe: 12.500,- EURO Losnummer: 278 |  |  |  |  |  | 
 Franz Edmund
Weirotter, Die Hütte
unter den großen
Bäumen –
Küstenlandschaft
mit vorbeiziehender
Militärkolonne,
1760 |  | Taxe: 4.200,- EURO Losnummer: 89 |  |  |  |  |  | 
 Johann Wilhelm
Schirmer, Blick in
das Geroldsauer Tal
bei Baden-Baden, um
1855 |  | Taxe: 3.600,- EURO Losnummer: 202 |  |  |  |  |  | 
 Marie von Hadeln,
Flusslandschaft mit
Ruderbooten, 1924 |  | Taxe: 240,- EURO Losnummer: 432 |  |  |  |  |  | 
 Asmus Jacob
Carstens, Das
Gastmahl des Platon,
um 1793 |  | Taxe: 650,- EURO Losnummer: 38 |  |  |  |  |  | 
 Ernst Ludwig
Kirchner, Akt im Tub,
um 1925 |  | Taxe: 38.000,- EURO Losnummer: 497 |  |  |  |  |  | 
 Ernst Ludwig
Kirchner, Die
Empfindungen, 1937 |  | Taxe: 42.500,- EURO Losnummer: 501 |  |  |
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