Ungarische Moderne in Berlin | | Hugó Scheiber, Selbstbildnis, 1928/30 | |
Die Berlinische Galerie beleuchtet seit dem Wochenende die Kunst der Moderne aus Ungarn und damit zugleich die Ausstellungspraxis in der deutschen Hauptstadt. Denn zwischen 1910 und 1933 diente Berlin den ungarischen Künstlerinnen und Künstler als wichtige Bühne. Viele von ihnen präsentierten sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg in der wachsenden Metropole einem internationalen Publikum. Einen weiteren starken Zulauf erhielt Berlin nach einer gescheiterten Revolution im Jahr 1919. Von reaktionären Kräften aus ihrer Heimat vertrieben, kamen sie an die Spree, wo sie einen Ort kreativer Freiheit fanden. Wie groß der Einfluss der Ungarn auf die Berliner Avantgarde war, zeigen nun rund 200 Gemälde, Grafiken, Skulpturen, Fotografien, Filme, Theaterentwürfe und Architekturzeichnungen. Neun Sektionen stellen bekannte und unbekannte Künstler vor – von Brassaď, Judit Kárász und Károly Kernstok über Béla Kádár und Noémi Ferenczy bis zu den Abstrakten Sándor Bortnyik, László Péri oder László Moholy-Nagy.
Am Beginn steht die Gruppe „Die Acht“. Angeregt von Paul Cézanne, löste die Künstlervereinigung im damaligen Ungarn, das noch nicht Bekanntschaft mit der Moderne gemacht hatte, einen Skandal aus. Mit ihrer an den französischen Fauves geschulten, farbgewaltigen Malerei feierte sie 1910 in der Secession ihr Berliner Debüt. Als Herwarth Walden in den 1920er Jahren seine Galerie „Der Sturm“ für die Ungarn öffnete, zeigte sich etwa die Anregung durch die deutschen Expressionisten. Béla Czóbels „Liegende Frau“ um 1922 offenbart mit ihren schwarzen Umrisslinien und der klaren, kontrastreichen Farbkombination den Einfluss der „Brücke“. Vergleichbar farbenfroh aber in eine gänzlich andere Richtung schritt János Mattis-Teutsch. Seine Komposition mit den ineinandergreifenden, leuchtenden Farbflächen aus Rot, Blau, Grün und Gelb wirkt wie eine in die Moderne verpflanzte mittelalterliche Initiale. Insgesamt ist es erstaunlich, wie viele Anknüpfungspunkte sich zwischen der Kunst der beiden Länder finden lassen und wie vertraut die ungarischen Maler*innen mit dem jeweils aktuellen Zeitgeist waren.
Die Ausstellung „Magyar Modern. Ungarische Kunst in Berlin 1910-1933“ läuft bis zum 6. Februar 2023. Die Berlinische Galerie hat täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 12 Euro, ermäßigt 8 Euro. Der Ausstellungskatalog aus dem Hirmer Verlag kostet an der Museumskasse 34,80 Euro, im Buchhandel 49,90 Euro.
Berlinische Galerie
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D-10969 Berlin
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