 |  | Constantin von Ettingshausen und Alois Pokorny, Physiotypia Plantarum Austriacarum, 1856 | |
Eigentlich hat der Naturselbstdruck wenig mit Fotografie, eher mit den klassischen Druckverfahren zu tun. Dennoch hat das Dorotheum in Wien die fünfbändige Veröffentlichung „Physiotypia Plantarum Austriacarum“, in dem die Botaniker Constantin von Ettingshausen und Alois Pokorny zur Mitte des 19. Jahrhunderts Pflanzenabbildungen aus dem Gebiet der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zusammentrugen, in seine letzte Foto-Auktion aufgenommen. Die zarten, gleichwohl präzisen Faserverläufe der Blätter und Blüten, die in den Naturselbstdrucken ihre spezifischen Eigenarten bestens zur Geltung bringen, blieben trotzdem nicht unentdeckt. Mit taxgerechten 15.000 Euro behauptete sich die seltene Erstausgabe, die 1856 in der darauf spezialisierten k.k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien erschien, an der Spitze der Versteigerung.
Die Online-Auktion vom 28. Oktober schloss mit einer guten losbezogenen Zuschlagsquote von 61,9 Prozent ab, brachte aber wenig Aufregendes zustande. Beim 19. Jahrhundert weckten noch die dreißig Aufnahmen von Bauten, Denkmälern und Plätzen aus Venedig, Florenz und Rom, die Carlo Naya in den 1870er Jahren als Andenken für Touristen erstellte, bei 1.400 Euro das Interesse mehrerer Bieter (Taxe 600 bis 800 EUR), während das ein Jahrzehnt jüngere Reisealbum rund 200 Aufnahmen von Städten, Straßenszenen, Menschen und Baudenkmälern verschiedener Länder, darunter aus Ägypten, der Schweiz und Italien, an dem etwa Hippolyte Arnoux, Félix Bonfils, Emil Brugsch, Achille Mauri, Andreas Reiser, Paolo Salviati, Giorgio Sommer oder wiederum Carlo Naya beteiligt waren, bei 4.500 bis 5.000 Euro liegenblieb. Der Japaner Sanshichiro Yamamoto verzeichnete für sein Fotobuch „Views of The North China Affair“, in dem er während des Boxeraufstands 1900 die Aktivitäten der ausländischen Truppen in Peking und dortige Sehenswürdigkeiten dokumentierte, die unteren anvisierten 2.500 Euro.
Gut lief es für den Österreicher Konrad Heller; er konnte alle seine vier stimmungsvollen Landschafts- und Architekturbilder abgeben. An der Spitze lag seine um 1910 entstandene, sommerlich klare Sicht auf die alte „Mühle bei Male“ in Südtirol für 650 Euro (Taxe 600 bis 800 EUR). Hans Raab, der ab den späten 1920er Jahren in Wien ein Atelier betrieb, überzeugte die Kundschaft des Dorotheum mit seinen 18 Fotos der zerbombten und verwundeten Metropole aus der Nachkriegszeit und lichtete dafür die Schuttberge und Zerstörungen am Stephansdom, der Oper, der Albertina oder dem Burgtheater ab: überraschende 4.500 Euro waren nun sein Lohn (Taxe 800 bis 1.000 EUR). Mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigte sich zudem sein Wiener Kollege Martin Gerlach junior und hielt zwischen 1942 und 1944 den Bau der Flaktürme im Arenbergpark, Esterhazypark und Augarten fest. Seine vierzig Vintages schossen von 800 Euro gar auf 5.500 Euro. Edmund Kesting steuerte sein Portfolio „Dresdner Totentanz“ mit fünf Montagebildern des vernichteten Elbflorenz aus den Jahren 1945 bis 1947 in der Ausgabe der Griffelkunst von 1992 für 1.200 Euro bei (Taxe 500 bis 700 EUR).
Die geschmeidigeren Piktorialist taten sich dagegen etwas schwer. Heinrich Kühns Stillleben aus Weinkaraffe, Wasserglas und Pfirsich um 1911 in gekonntem Licht-Schatten-Spiel brachte es nur auf 3.800 Euro (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR), sein ebenfalls weichgezeichneter „Pflügender Bauer“ um 1904 auf 1.800 Euro (Taxe 2.500 bis 3.500 EUR). Hans Watzek musste sich bei seinem atmosphärischen Seestück „The White Sail“ von 1901 in der Ausgabe für die Künstlerzeitschrift Camera Work mit 400 Euro bescheiden (Taxe 600 bis 800 EUR). Auch bei drei Vintages von Rudolf Koppitz lag der Zuschlagspreis stets unter den Erwartungen: für seinen hochrechteckigen weiblichen „Akt“ aus den späten 1920er Jahren bei 1.000 Euro (Taxe 1.200 bis 1.800 EUR), für die charmante „Junge Sizilianerin“ bei 1.700 Euro (Taxe 1.800 bis 2.800 EUR) und für die Nahaufnahme von zwei Fischern in ihrem Boot bei 1.500 Euro (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR). Die Gemüter erregte dann aber Josef Sudek mit seinem Bild der Bauarbeiten im Prager Veits-Dom von 1926/27: Die von Streifen der einfallenden Sonne durchdrungenen gotischen Arkaden machten sich erst bei 3.200 Euro davon (Taxe 1.000 bis 1.500 EUR).
Diesen Wert heimste gleichfalls Trude Fleischmann mit ihrem beschwingten Reigen von Tänzerinnen des Wiener Birkmeyer Balletts aus dem Jahr 1937 ein (Taxe 2.500 bis 3.000 EUR). Aus den Künstlerkreisen der Moderne stießen noch der etwas scheue Karl Kraus mit Nickelbrille auf einem Vintage von Hermann Schieberth aus dem Jahr 1918 bei 900 Euro (Taxe 500 bis 600 EUR) und die Sängerin Fritzi Massary, die von Dora Kallmus in der Titelpartie von Oscar Straus’ Operette „Die Perlen der Cleopatra“ 1923 geheimnisvoll inszeniert wurde, bei 650 Euro auf Gegenliebe (Taxe 500 bis 700 EUR). Von den acht Fotografien, die Sasha Stone in den 1920er Jahren von Tilla Durieux, ihren Haustieren und ihrer Wohnung schoss, ging nur das frontale Portrait der weltberühmten Schauspielerin mit ihren beiden Siamkatzen untertourig für 1.400 Euro weg (Taxe 1.500 bis 2.000 EUR). Ihre nicht minder gefeierte, heute aber noch bekannte Nachfolgerin Marilyn Monroe hatte es dagegen einfacher. Alle fünf posengesättigten Portraits des Leinwandstars von André de Dienes, Philippe Halsman und Bert Stern verabschiedeten sich zu guten Preisen, Dienes’ Büste der junge Monroe von 1949 am Strand in weißem Bademantel für 2.500 Euro (Taxe 2.500 bis 3.000 EUR), eine schwarzweiße und eine bunte Aufnahme aus Sterns bekannter Serie „The Last Sitting“ von 1962 für jeweils 1.700 Euro (Taxe 700 bis 900 EUR). Keine Schwierigkeiten machte mit 3.400 Euro auch Luis Kordas Konterfei von Che Guevara, aufgenommen 1960 rauchend beim Besuch einer Zigarrenfabrik (Taxe 1.200 bis 1.600 EUR).
Wie viele andere auch ließ sich der Deutschamerikaner Fritz Henle von New York begeistern und in den 1960er Jahren seinen Blick über die entstehende Wolkenkratzerlandschaft im Süden Manhattans und den East River schweifen. Das entfaltete jetzt noch seine Wirkung und ließ die Schätzung von 700 auf 1.100 Euro steigen. Wim Wenders interessierte sich dagegen für die zersiedelten, unspektakulären Vororte im Westen der USA. Davon zeugt seine Farbserie „Written in the West“, den er in Vorbereitung auf die Dreharbeiten zum Film „Paris, Texas“ Ende 1983 auf der Suche nach Motiven und Drehorten bereiste. Die beiden trostlosen und damit schon fast ikonischen Straßenbilder „Safeway“ und „Save Dollars“ kamen auf 1.600 Euro und 1.800 Euro (Taxe je 1.500 bis 2.000 EUR). Außerdem gab es noch viel nacktes Fleisch, etwa Michel Comtes bekannte Aufnahme von Carla Bruni für 3.200 Euro (Taxe 1.500 bis 2.000 EUR) oder Thomas Ruffs verschwommene Aneignung eines Pornobilds aus dem Internet unter dem Titel „nudes kn 30“ von 2000 für 2.400 Euro (Taxe 2.200 bis 3.000 EUR).
Den erotischen männlichen Blick auf die Weiblichkeit ergänzten noch Miroslav Tichý mit vier seiner unscharfen, mit selbstgebauten Kameras in den 1970/80er Jahren meist heimlich beobachteten Frauen für bis zu 1.200 Euro (Taxen zwischen 500 und 800 EUR) oder Jock Sturges mit seinen fast noch kindlichen Modellen, die er oft am Strand von Montalivet an der französischen Atlantikküste, einem Zentrum des internationalen FKK-Tourismus, einfing und nur für bis zu 1.400 Euro abgab (Taxen zwischen 500 und 1.300 EUR). Recht zurückhaltend war die Nachfrage nach Arbeiten der Wiener Aktionisten: Von Otto Muehl wurde nichts mitgenommen (Taxen je 3.000 bis 4.000 EUR), ebenso von Rudolf Schwarzkogler (Taxen 1.200 bis 2.000 EUR). Lediglich Günter Brus’ „Selbstbemalung I“, für die er 1964 seinen weiß bemalten Kopf mit einer narbenförmigen Linie überzog, erreichte 4.500 Euro (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR).
Das Kaufverhalten änderte sich rasch bei den feministischen Positionen der 1970er und 1980er Jahre, etwa bei zwei Kompositionen aus Valie Exports Serie „Syntagma“ von 1983. Die beiden weiblichen Torsi in Farbe, die vor dem schwarzweißen Abbild ihrer selbst agieren, verbesserten sich von 2.500 Euro auf 3.400 Euro respektive 5.000 Euro. Karin Macks späterer Silbergelatineabzug aus der Serie „Wir“ von 1975, auf dem sie sich selbst mit Abendkleid samt tiefem Ausschnitt und einem großen Herz-Collier präsentiert, wurde mit 1.300 Euro umworben (Taxe 800 bis 1.000 EUR). Unter „Die Damen“, für die sich Birgit Jürgenssen, Ona B. und Evelyne Egerer 1995 anständig gekleidet und die Gesten von „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ eingenommen haben, hat sich frech Lawrence Weiner gemischt, der Ingeborg Strobl ersetzt und ebenfalls in Frauenkleidern dem Betrachter seinen Mittelfinger entgegenstreckt. Die ungehörige Damenriege aus einer Auflage von 40 Stück konnte 3.000 Euro verbuchen (Taxe 1.800 bis 2.500 EUR).
Die Ergebnisse verstehen sich Zuschlag ohne das Aufgeld. |