Experten kritisieren Documenta-LeitungStrukturelle Schwächen sind einer der Punkte, den der Bericht eines siebenköpfigen Expertengremiums bei der Untersuchung der Aufarbeitung der Antisemitismusvorwürfe zur Documenta 15 herausgearbeitet hat. So fehle es bei der Weltausstellung an klaren Verantwortungsstrukturen wie auch an Verfahren für eine Konfliktbearbeitung. Die künstlerische Leitung, die in Händen des Kollektivs Ruangrupa lag, und die Geschäftsführung hätten nach den Antisemitismus-Vorfällen nicht angemessen reagiert und die Situation sogar verschärft, führten die Wissenschaftler weiter aus. „Der sich lange ankündigende Konflikt um Antisemitismus traf intern auf nur unzureichende Vorbereitungen.“ Weiter heißt es: „Die Auseinandersetzung mit Antisemitismusvorwürfen und Antisemitismus auf der Documenta fifteen war über weite Strecken von Ignoranz, Verharmlosung und Abwehr geprägt.“
Ein Anlass für die Untersuchung war das Großbanner „People’s Justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi, das kurz nach der Eröffnung der Documenta im Juni 2022 erst verhüllt und schließlich abgehängt wurde. Schon vor der Eröffnung der Kasseler Ausstellung hatte es Stimmen gegeben, die auf antisemitische Elemente aufmerksam machten. Die fachwissenschaftliche Begleitung unter Leitung von Nicole Deitelhoff, Konflikt- und Friedensforscherin an der Goethe-Universität in Frankfurt, nahm noch andere Kunstwerke der Documenta genauer in den Blick und erkannte auch in ihnen „eindeutige visuelle antisemitische Codes“.
Öffentliche Kulturinstitutionen hätten die Pflicht, so der Report, sich mit antisemitischen Vorfällen auseinanderzusetzen, und dieser Pflicht stehe die Kunstfreiheit nicht entgegen. Im Bericht werden sechs Maßnahmen für eine zukünftige Organisationsstruktur der Documenta vorgeschlagen, darunter die Klärung der Aufgabenteilung zwischen Geschäftsführung und künstlerischer Leitung, das Erarbeiten eines Konflikt- und Beschwerdeverfahrens und die Institutionalisierung desselben. Schließlich solle der Bund seine Sitze im Aufsichtsrat der Documenta wieder wahrnehmen, aus dem er sich 2018 zurückgezogen hatte. |