 |  | Agnolo di Cosimo, genannt Bronzino, Bildnis eines jungen Mannes mit Feder und Papier, um 1527 | |
Marktfrische ist im Kunsthandel nicht das einzige Kriterium für einen erfolgreichen Verkauf, aber sie zählt noch immer. Bei seiner Auktion „Master Paintings I“ konnte Sotheby’s mit einer Wiederentdeckung aufwarten, die die Kauflust der Sammler anregte: Agnolo di Cosimos Bildnis eines jungen Mannes mit Feder und Papier. Das Renaissance-Portrait, hinter dem sich der auch als Bronzino bekannte Künstler selbst verbergen könnte, galt lange als Werk des florentinischen Malers. Durch falsche Zuschreibungen im 20. Jahrhundert stand dann zuletzt aber der weniger geläufige Jacopino del Conte als Urheber auf dem Etikett. Als solches wurde das Gemälde erst im März 2022 von der BRD an die Erben der früheren jüdischen Eigentümerin Ilse Hesselberg restituiert. Die wandten sich an Sotheby’s in New York und ließen das gut erhaltene Bildnis des charmanten Mannes mit dem schwarzen Wams vor monochrom grünen Hintergrund noch einmal genauer untersuchen. Im Zuge seiner Nachforschungen konnte der Renaissance-Experte Carlo Falciani das um 1527 entstandene Werk als eines der seltenen Porträts des jungen Bronzino identifizieren. Mit dieser neuen Zuschreibung ging es als Favorit bei 3 bis 5 Millionen Dollar in die Versteigerung. Dabei blieb es aber nicht: Ein Saalbieter konnte die Konkurrenz erst zum Rekordwert von 9 Millionen Dollar aus dem Rennen werfen. Mit Aufgeld musste er schließlich 10,67 Millionen Dollar berappen. Freuen werden sich vor allem Wohltätigkeitsorganisationen in New York; ihnen fließt der Erlös zu.
Die Versteigerung vom 26. Januar in New York lief ansonsten recht geschäftsmäßig ab. Vieles spielte sich im unteren Schätzbereich oder darunter ab, und von den 58 Positionen der „Master Paintings I“ blieben 26 liegen, was einer losbezogenen Verkaufsrate von nicht gerade optimalen 55 Prozent entspricht. Kauflaune weckte etwa gleich zu Beginn Alessandro Alloris Renaissance-Portrait einer vornehmen Dame auf der Medici-Familie, hinter der die Experten entweder Eleonora di Toledo, Ehefrau Cosimos I., oder dessen Tochter Virginia de’ Medici vermuten, für 75.000 Dollar (Taxe 40.000 bis 60.000 USD) und im weiteren Verlauf ein fast schon eskapistisches Bildnis Sir Peter Lelys. Die angloirische Gutsbesitzerin Mrs. Lucy Loftus, die sich ohne standesgemäße Attribute offenherzig in der Natur nebst Papagei porträtieren ließ, schoss von 200.000 Dollar auf 1,25 Millionen Dollar.
Schon den Ideen der Aufklärung ist Joshua Reynolds’ Bruststück von Charlotte Grote, Gattin des aus Bremen stammenden Londoner Kaufmanns und Bankiers Andreas Grote, verpflichtet, die mit ihrem ausladenden schwarzen Kopfputz 650.000 Dollar einstrich (Taxe 400.000 bis 600.000 USD). Teure Ausfälle bei der Portraitmalerei waren Maurice-Quentin de la Tours exquisites Pastell „Les Yeux De L’Amour“ mit der charmanten, blau gewandeten Sängerin Marie Fel für 600.000 bis 800.000 Dollar und vor allem Juan van der Hamen y Leóns frühbarocke Dreiviertelfigur des großen spanischen Dichters Lope de Vega als Ritter des Malteserordens. Obwohl erstmals auf Auktionen, waren die angesetzten 700.000 bis 1 Million Dollar doch zuviel für ein Bildnis Hamen y Leóns, der eigentlich als Stilllebenmaler bekannt ist.
Marktfrisch kam auch eine der beliebten Mädchendarstellungen von Jean-Baptiste Greuze, mit denen er im Geist des Rokoko zarte Gefühlsregungen illustrierte, erfolgreich aufs Auktionsparkett: die junge, unsicher blickende Dame in rosafarbenem Kleid mit durchsichtigem Schal und blauer Schleife samt Blumen im Haar verdoppelte ihren Wert auf 600.000 Dollar. Während Greuzes Stern mit der Französischen Revolution sank und er verarmt starb, konnte seine Kollegin Anne Vallayer-Coster ihre Karriere auch nach diesen Einschnitten weiterführen. Ihr intimes Stillleben mit Rosen in einer Glasvase und Trauben auf einer Holzplatte katapultierte seinen Wert auf 500.000 Dollar (Taxe 150.000 bis 200.000 USD), wenig später dann auch ihr duftig gemaltes Blumenarrangement im Oval auf 200.000 Dollar (Taxe 100.000 bis 150.000 USD).
Während Gérard van Spaendoncks voluminös aufgetürmtes Blumenbouquet bei 1,5 bis 2 Millionen Dollar und Pieter Claesz’ Stillleben mit verschiedenen Beerensorten, Kirschen, Orange und Steingutkrug bei 1 bis 1,5 Millionen Dollar verschmäht wurden, konnten sich Jacob van Hulsdoncks recht exakt drapierter Frühstückstisch mit einem Hering, Käse, eingemachten Früchten und Nüssen, Brot und Butter, auf der sich frech eine Fliege niedergelassen hat, über 550.000 Dollar (Taxe 300.000 bis 500.000 USD) und die weitaus atmosphärischer zusammengestellte Mahlzeit mit Obst in einer Wan-Li-Schale, Tazza, Brötchen und einem Glas Wein, bei der Pieter de Ring vor allem die Texturen der Gegenstände betonte, über 160.000 Dollar freuen (Taxe 80.000 bis 120.000 USD).
Rekorde und Millionenwerte
Millionenpreise gab es dann für die farbenfrohe Prozession einer Bauernhochzeit auf dem Land von Pieter Breughel d.J. aus dem Jahr 1630 mit 1,8 Millionen Dollar (Taxe 2 bis 3 Millionen USD) und für Tizians erst vor kurzem wiederentdeckte Passionsszene „Ecce Homo“ in einem eher studienhaften, proto-impressionistischen Malstil bei 1,7 Millionen Dollar (Taxe 1,5 bis 2 Millionen USD). Für Aufsehen sorgte das vor gut zwanzig Jahren verdreckt in einer Scheune aufgefundene und damals für 600 Dollar von dem Kunstsammler Albert B. Roberts erworbene Bild eines alten nackten Mannes. Es entpuppte sich als Ölstudie des heiligen Hieronymus aus der Hand Anthonis van Dycks, für das Roberts Erben nun 2,5 Millionen Dollar einnahmen (Taxe 2 bis 3 Millionen USD).
Bei wenigen Vergleichswerten – von den Künstlern kommen nur selten Arbeiten auf den Markt – konnte Sotheby’s noch einige Rekorde aufstellen, etwa für den in Florenz um 1310/20 tätigen Meister der Spinola-Verkündigung, dessen von Giotto inspirierte, noch auf Goldgrund gemalte „Geburt Christi“, aus der sich langsam die Felslandschaft herausschält, die untere Schätzgrenze von 2 Millionen Dollar erreichte. Auch nur mit dem Notnamen Meister HB mit dem Greifenkopf ist ein in der Nachfolge Lucas Cranachs in Sachsen tätiger Maler bekannt. Obwohl seine vielfigurige Szene „Christus segnet die Kinder“ mit 350.000 Dollar das Mindestgebot um 50.000 Dollar verpasste, gilt sie nun als teuerstes Werk in seinem Œuvre. Gut gepolstert kam dann Izaack van Ruysdaels unspektakuläre Ansicht von Naarden mit der Grote Kerk und einer Frau bei der Wäschebleiche von 1645 zum neuen Spitzenpreis von 140.000 Dollar ans Ziel (Taxe 50.000 bis 70.000 USD).
Und auch zwei jüngere deutsche Künstler gehören zu den neuen Rekordhaltern. Christian Ezdorf verbuchte für seine fast zweieinhalb Meter breite, 1821 gemalte Gouache mit dem schon biedermeierlichen Panoramablick über die Karlsbrücke und die Moldau auf die Prager Kleinseite 210.000 Dollar (Taxe 250.000 bis 350.000 USD). Gegenüber dem bisherigen Spitzenpreis von 65.000 Dollar aus dem Jahr 1994 hatte Sotheby’s bei Anna Dorothea Therbusch und ihrem Bildnis eines jungen Wissenschaftlers am Tisch, der im Kerzenschein rot glühend aufleuchtet, mit der Bewertung von 400.000 bis 600.000 Dollar hoch gepokert. So weit musste das Cleveland Museum of Art nicht gehen. Ohne Gegenwehr konnte es das Gemälde aus den späten 1760er Jahren, das 1996 in London für 34.000 Pfund seinen letzten Auktionsauftritt hatte, schon für 350.000 Dollar mitnehmen.
Death and Divorce: Die Sammlungen Fisch Davidson und Scheumann
In seine „Masters Week“ hatte Sotheby’s noch zwei Privatsammlungen mit exquisiter Ware in eigenen Auktionen integriert. Da war zum einen die Kollektion mit Barockgemälden von Mark Fisch und Rachel Davidson, die der New Yorker Immobilientycoon im Scheidungskrieg mit seiner Exfrau abgeben musste. Hier trat der Favorit der Woche, Peter Paul Rubens’ dramatische Darstellung der Salome vor dem eben enthaupteten Körper Johannes des Täufers, in Erscheinung. Mit der 23,5 Millionen Dollar behauptete die effektvoll aufgebaute biblische Szene, in der eine alte Dienerin der stoischen Prinzessin gerade den abgeschlagenen Kopf auf einem Tablett präsentiert und dabei die bleiche Zunge makaber aus dem Mund zieht, ihre Spitzenposition in der New Yorker Auktionsrunde, allerdings fehlten noch 1,5 Millionen Dollar zum Mindestgebot. Das genügte aber immerhin zu Platz 3 im Auktionsranking des Antwerpener Meister.
Wie die Mehrzahl der zehn Werke aus der Fisch Davidson Collection hatte Sotheby’s auch den Rubens durch eine Garantie abgesichert. Das war auch gut so. Denn bis auf zwei Ausnahmen spielte sich alles im niedrigen Bereich der Preisvorstellungen ab, so etwa Giulio Cesare Procaccinis brillant ausgeführtes Hochformat „Judith und Holofernes“ für 800.000 Dollar oder Mattia Pretis Tabak schneidender kahlköpfiger Mann für 900.000 Dollar (Taxe je 1 bis 1,5 Millionen USD). Mit jeweils 4 Millionen Dollar orientierten sich Orazio Gentileschis in einer Felshöhle lagernde, büßende Magdalena aus den frühen 1620er Jahren und Valentin de Boulognes dornenbekrönter Christus mit zwei Peinigern an der unteren Taxgrenze. Mit dem um 1614 in der Nachfolge Caravaggios entstandenen Gemälde musste Mark Fisch sogar einen Verlust hinnehmen; hatte er es doch erst 2016 für netto 4,4 Millionen Dollar erworben. Bei den beiden Werken, die sich erfolgreich schlugen, waren große Museen beteiligt. So geht der über sein Martyrium brütende heilige Bartholomäus des Neapolitaners Bernardo Cavallino nun für 3,2 Millionen Dollar in die Sammlung der Londoner National Gallery (Taxe 2,5 bis 3,5 Millionen USD) und ein bei der Lektüre eingeschlafener junger Mann aus dem Umfeld Rembrandts für 750.000 Dollar in diejenige des Schwedischen Nationalmuseums ein (Taxe 500.000 bis 700.000 USD).
Ohne allzu viele Garantiegeber tat sich die zweite Sammlung, zwölf Gemälde niederländischer Künstler des Goldenen Zeitalters aus dem Nachlass der 2021 verstorbenen Rennpferdezüchterin Theiline Scheumann, deutlich schwerer. Hier fanden nur acht Positionen den Absprung. Den ersten Platz belegte mit 2,2 Millionen Dollar das stimmungsvolle Genrebild einer jungen Frau von Frans van Mieris d.Ä., die in einer dunklen Stube eben eine Kerze entzündet (Taxe 1,5 bis 2 Millionen USD). Dahinter folgte bei 1 Million Dollar an der unteren Schätzgrenze Jan van der Heydens imaginäre Ansicht einer ruhigen Gracht in Amsterdam, die Scheumann 2012 bei Lempertz in Köln für netto 430.000 Euro erworben hatte. Leicht untertourig fuhr Aert van der Neers sumpfige Waldlandschaft bei Mondlicht mit Hirschen und einer Stadt im Hintergrund für 950.000 Dollar (Taxe je 1 bis 1,5 Millionen USD), ebenso Jan Jansz van de Veldes ansprechendes monochromes Banketje mit zentralem Steingutkrug, um den sich ein Bierglas, eine Tabakdose aus Schildpatt, Pfeife und andere Rauchutensilien gruppieren, für 500.000 Dollar (Taxe 600.000 bis 800.000 USD).
Auch für Seestücke konnte sich Theiline Scheumann begeistern und legte sich Willem van de Veldes d.J. nun 800.000 Dollar teure holländische Küste mit Fischkutter am Strand und zahlreichen Segelschiffen unter frische Brise zu. Für Lieve Pietersz Verschuier gab es dann noch einen Auktionsrekord. Sein Portrait des Walfängers „Prins Willem“ auf der Nieuwe Maas bei Rotterdam im milden Licht der Abendsonne generierte 875.000 Dollar (Taxe je 800.000 bis 1,2 Millionen USD). Insgesamt spielte Sotheby’s mit den Gemälden Alter Meister am 26. Januar brutto 86,6 Millionen Dollar ein, wobei auf die „Master Paintings“ 28,8 Millionen Dollar, auf die „Scheumann Collection“ 8,1 Millionen Dollar und auf die „Fisch Davidson Collection“ 49,6 Millionen Dollar entfielen.
Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. |