Basel hört mit den Augen zuDas Museum Tinguely in Basel widmet sich aktuell dem Hören in der Kunst. „À bruit secret“ ist die vierte in einer Reihe von fünf Ausstellungen, die sich der Welt der menschlichen Sinne verschrieben hat. Kuratorin Annja Müller-Alsbach animiert das Publikum zum genauen Hinhören und eröffnet durch ihre Auswahl an Exponaten auch akustische Bereiche, die dem menschlichen Ohr normalerweise verborgen bleiben. So macht Christina Kubisch in ihrer neuen Audioinstallation „Il reno“ durch Induktionskopfhörer und Elektrokabel die Unterwassergeräusche des Rheins zugänglich. Skulpturen, multimediale Installationen, Fotografien, Papierarbeiten und Gemälde aus der Zeit des Barocks bis zu Gegenwart lassen unter anderem die von Pflanzen und Tieren belebte Natur, Sprache als Grundlage von Kommunikation sowie den dissonanten Lärm großer Metropolen zu Wort kommen. Die Schau präsentiert sowohl historische als auch speziell für Basel geschaffene Arbeiten von rund 25 internationalen Kunstschaffenden wie Ursula Biemann, Cevdet Erek, Isa Genzken, František Kupka, Hermann Goepfert, Meret Oppenheim, Pol Bury, Kurt Schwitters, Kader Attia oder James Webb.
Hörerfahrungen stark mit subjektiven und sozio-kulturell geprägten Emotionen, Erinnerungen und Assoziationen verbunden, die sich im Laufe der Zeit verändern können. Der Komponist und Klangforscher Raymond Murray Schafer zählt zu den Pionieren, die sich in den späten 1960er Jahren mit der Erforschung der uns umgebenden Klanglandschaften befassten. Diese teilen sich in natürliche, technische und von Menschen erzeugte Geräusche, sei es durch unsere Stimme oder durch Musik. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts nimmt jedoch die technische Klangkomponente überhand. Italienische Futuristen wie Fortunato Depero oder Luigi Russolo nahmen den Lärm des industriellen Alltags sowie die Geräuschkulisse des Ersten Weltkriegs in ihre Bilder auf. Schafer plädierte daher für eine Sensibilisierung des Hörsinns und Methoden der Ökoakustik, mit denen die Veränderungen unserer Ökosysteme durch Umwelteinflüsse und menschliche Eingriffe dokumentiert werden sollen.
Durch Künstler wie Robert Rauschenberg oder Jean Tinguely gewann insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Musikern, Komponisten und bildenden Künstlern an Bedeutung. Neben alltäglichen „objets trouvés“ und Elektromotoren, bauen die Kunstschaffenden auch neue Medien wie das Radio in ihre Arbeiten ein. Robert Rauschenbergs „Oracle“ aus den Jahren 1962 bis 1965 vereint Fundobjekte mit dissonanten Klängen und fließendem Wasser. Das fünfteilige Werk wird zum ersten Mal in der Schweiz gezeigt.
Den Abschluss des Parcours bilden Kunstwerke auf der Grundlage wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse. Marcus Maeders begehbare multimediale Arbeit „Espírito da floresta/Forest spirit Florest“, für die er zwischen 2017 und 2020 mit Spezialmikrofonen Tonaufnahmen im Regenwald des Amazonas gemacht hat, deckt die Konsequenzen der Abholzung und des folglich erhöhten CO2-Gehalts der Luft auf Flora und Fauna akustisch auf. Dagegen untersucht der dänische Soundkünstler Alexander Tillegreen mit einer Audio- und Lichtinstallation aus der Serie „Phantom Streams“, wie das Hören und Verstehen von bearbeiteten Tonaufnahmen mit ein- und mehrsilbigen Wörtern in verschiedenen Sprachen funktioniert, und Rolf Julius verdeutlicht in seiner Installation „Musik für die Augen“ von 1982, dass man Vibrationen der unsichtbaren akustischen Schallwellen auch visuell wahrnehmen kann.
Die Ausstellung „À bruit secret. Das Hören in der Kunst“ läuft bis zum 14. Mai. Das Museum Tinguely in Basel hat dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr sowie donnerstags bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt regulär 18 Franken, ermäßigt 12 Franken. Die Schau ist eine Kooperation mit dem Kunstmuseum Krefeld.
Museum Tinguely
Paul Sacher-Anlage 2
CH-4002 Basel
Telefon: +41 (0)61 – 681 93 20 |