Künstlerische Lebenswege des 20. Jahrhunderts in Chemnitz  |  | Gustav Schaffer, Die Mutter, 1926 | |
Seit dem Wochenende nehmen die Kunstsammlungen sechs Künstlerinnen und Künstler in den Blick, die im ausgehenden 19. Jahrhundert oder um 1900 geboren wurden, in der Weimarer Republik Erfolge feiern konnten, durch die Herrschaft das Nationalsozialisten ins Abseits gestellt wurden oder sich anpassten und nach dem Zweiten Weltkrieg in der BRD oder DDR nochmals Fuß fassen mussten. Kurator Florian Korn hat für die Schau im Museum Gunzenhauser Werke von Rudolf Bergander (1909-1970), Otto Dix (1891-1969), Lea Grundig (1906-1977), Wilhelm Rudolph (1889-1982), Gustav Schaffer (1881-1937) und Martha Schrag (1870-1957) aus dem eigenen Sammlungsbestand ausgewählt und geht anhand ihrer Lebenswege den Kontinuitäten, Brüchen und Widersprüchen in vier politischen System nach. Allen sechs ist gemeinsam, dass sie ihren künstlerischen Ausgangspunkt in Sachsen hatten, sich mitunter gegenseitig kannten und mit ihren Arbeiten die Neue Sachlichkeit und den Verismus der 1920er Jahre prägten.
Diese sechs Künstler*innen erlebten und verarbeiteten die tiefgreifenden Krisen des 20. Jahrhunderts in unterschiedlicher Art und Weise. Während sie in den 1920er Jahren Glanz und Elend der Weimarer Republik in gegenstandsbetonten und teilweise gesellschaftskritischen Bildern verarbeiteten, führte die NS-Machtübernahme zu fundamentalen Umbrüchen: Einige von ihnen wurden aus antisemitischen, politischen oder anderweitigen Gründen verfolgt und zugleich verfemt. Andere wiederum fanden alsbald ästhetische oder sogar inhaltliche Anknüpfungspunkte mit dem NS-Regime und konnten im nationalsozialistisch kontrollierten Kunstsystem Fuß fassen. Mit Ausnahme von Lea Grundig, die als jüdische Künstlerin ins palästinensische Exil floh und 1949 zurückkehrte, blieben die anderen in Deutschland und arbeiteten teils in der Inneren Emigration weiter. Gerade die in der NS-Zeit geschaffenen Bilder spiegeln ihre unterschiedlichen Verhaltensweisen und Handlungsspielräume wider.
Nach der Niederschlagung des NS-Regimes und der Teilung Deutschlands trafen die künstlerischen Lebenswege, abgesehen von dem bereits 1937 gestorbenen Schaffer, abermals aufeinander. Im aufkommenden Ost-West-Konflikt schafften es die Protagonist*innen erneut, sich künstlerisch in den beiden gegensätzlichen politischen Systemen der Nachkriegszeit zu etablieren. So schuf Rudolf Bergander, der 1940 und 1941 auf den Großen Deutschen Kunstausstellungen in München mit nazikonformen Werken vertreten war, 1955 mit dem Gemälde „Unsere Trümmerfrauen“ eine dem Sozialismus entsprechende Bildsprache. Florian Korn will mit der Schau aber auch bisherige, vom Schwarz-Weiß-Denken geprägte Zuschreibungen hinterfragen und den ambivalenten und oftmals unbekannten Biografien des sechs Maler*innen nachgehen.
Die Ausstellung „Lebenswege. Künstler:innen zwischen den Systemen“ läuft bis zum 2. Juli. Das Museum Gunzenhauser hat täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs von 14 bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie am ersten Freitag des Monats ist er kostenlos.
Kunstsammlungen Chemnitz – Museum Gunzenhauser
Falkeplatz
D-09119 Chemnitz
Telefon: +49 (0)371 – 488 70 24 |