Christie’s versteigert seltenen Henri Rousseau  |  | Henri Rousseau, Les Flamants, 1910 | |
In der Auktion „20th Century Evening Sale“ wartet Christie’s in New York mit einigen Meisterwerken auf. Besondere Beachtung verdient Henri Rousseaus südliches Idyll „Les Flamants“ von 1910: Rosafarbene, gelbe und weiße Seerosen recken sich aus dem Wasser empor und sind ungleich größer als die nahestehenden stilisierten Flamingos. Im Mittelgrund sind drei dunkelhäutige Südseebewohner in einfachem weißem Lendenschurz zu sehen. Den bühnenartigen Aufbau schließen im Hintergrund ein Streifen Palmenwald und der azurblaue Himmel ab. Rousseau erträumte diese südlichen Landschaften, da er Frankreich nie verließ. Seine Inspiration zog er hierfür aus Zeitungen, botanischen Büchern und Besuchen in Pariser Zoos und Jardin des Plantes. Das Spätwerk des Autodidakten gehört zu den wenigen Bilder mit Dschungelmotiven, stammt aus der Sammlung von Payne Whitney Middleton, die es seit 1949 besaß, und kommt damit marktfrisch zur Versteigerung. Mit 20 bis 30 Millionen US-Dollar hofft Christie’s, den bisherigen Rousseau-Rekord von 2,7 Millionen Pfund aus dem Jahr 1993 deutlich zu übertreffen.
Zu dieser Schätzung gehen am 11. Mai noch Ed Ruschas „Burning Gas Station“ von 1966/69, die den amerikanischen Mythos der Tankstelle und des Autos aufgreift und in einer anderen, aber gleich großen Variante 2007 schon einmal 6,2 Millionen Dollar brachte, und Pablo Picassos charakteristische „Femme assise au chapeau de paille“ ins Rennen. Seine damalige Geliebte Marie-Thérèse Walter taucht mit ihrer markanten Nase ein zweites Mal in der Auktion auf. Als Büste hat Picasso sie in der „Nature Morte à la fenêtre“ verewigt. Der stilisierte weiße Frauenkopf steht vor einem Fenster und blickt auf vier Blätterstängel in einem hellen Krug und die rotgrünen Äpfeln auf einem Teller. Picasso malte das Bildnis am 18. Januar 1932, womit es den Anfang einer Serie an Werken bildet, die Marie-Thérèse Walter als Muse zeigen. Das Gemälde wurde im Sommer 1932 bei der Picasso-Retrospektive in Galerie Georges Petit präsentiert und verblieb im Besitz des Künstlers bis zu seinem Tod 1973. Jetzt wird es von der Familie des 2008 verstorbenen Genfer Kunsthändlers Jan Krugier eingeliefert und ist mit einer Taxe um 40 Millionen Dollar das Spitzenlos des Abends.
Ein typisches Beispiel für die Malerei Philip Gustons ist seine 1976 in dominanten Rosatönen erstellte Leinwand „Chair“. Hierbei formen Stühle und mehrere ineinander verschränkte Beine mit Schuhen auf einem Holzboden vor einem zugemauerten Fenster zentrale Motive des Amerikaners (Taxe 12 bis 18 Millionen USD). Bunte Beispiele der abstrakten Kunst finden sich bei Gerhard Richters dichtem Rakelbild „Spoleto“ von 1984 (Taxe 8 bis 12 Millionen USD) und Joan Mitchells explosiv offenem Diptychon „Hours“ von 1989 (Taxe 3 bis 5 Millionen USD). Für jeweils 6 bis 8 Millionen Dollar steuern Georgia O’Keeffe ihre formatfüllende stilisierte „White Calico Rose“ von 1930 und David Hockney seine quietschbunte Gartenlandschaft „The Gate“ von 2000 bei. Neben diesen Spitzenlosen dürfen Interessenten auch auf günstigere Leckerbissen hoffen, darunter ein seltenes Figurenbild von Paul Cézannes mit dem Titel „La Conversation“, die 1870/71 zwei Frauen und zwei Männer im Grünen betreiben (Taxe 1,2 bis 1,8 Millionen USD). In kosmische Regionen entführt dann die metaphysische Landschaft „The Fountains“ der 1881 in Stuttgart geborenen, hierzulande aber kaum bekannten Amerikanerin Agnes Pelton aus dem Jahr 1926 (Taxe 1,5 bis 2,5 Millionen USD).
Aus Deutschland treten noch Emil Noldes farbsprühende Frühlingslandschaft „Blühende Syringen“ von 1908 (Taxe 800.000 bis 1.200.000 USD) und Georg Baselitz’ neoexpressiver, auf dem Kopf stehender „Mann mit Tablett“ von 1982 hinzu (Taxe 3 bis 5 Millionen USD). Bei den Arbeiten auf Papier offeriert Henri Matisse die Zeichnung der nachdenklichen „Jeune femme accoudée“ aus wenigen Tuschestrichen von 1947 (Taxe 500.000 bis 700.000 USD). Eine spektrale Sicht auf den Rücken einer jungen Frau zeigt Man Ray in seiner Fotografie „Solarized Nude“ von 1929 (Taxe 300.000 bis 500.000 USD). Bei den Skulpturen sind unter anderem Alberto Giacomettis dunkelbraune Bronze „Buste d’Anette IV“ von 1963 für 2,5 bis 4,5 Millionen Dollar oder Louise Bourgeois’ weiß gefasste Bronzestele „Spring“ von 1948/60 für 1,5 bis 2 Millionen Dollar zu erwerben. Alexander Calders fröhliches Mobile „The Moon and the Loop“ von 1953 kommt auf 4 bis 6 Millionen Dollar, während Kenneth Prices grünlich schimmernde gedellte Ovalform „M. Green“ von 1961 mit 150.000 bis 200.000 Dollar das günstigste Stück der Auktion ist. |