| | Köln, Susannaschrank, um 1630/45 | |
Bis vor kurzem stand ein Überbauschrank des frühen 17. Jahrhunderts noch in der Ausstellung „Susanna – Bilder einer Frau vom Mittelalter bis MeToo“ im Kölner Wallraf-Richartz-Museum, die ausgehend von der alttestamentarischen Erzählung aus dem Buch Daniel Darstellungen von Machtmissbrauch, sexueller Nötigung und Gewalt in der bildenden Kunst unter die Lupe nahm. Denn das reich dekorierte Möbel greift genau dieses biblische Bildprogramm auf und präsentiert in vier Reliefs die Episoden „Susanna im Bade“, „Susanna vor dem Richter“, „Das Eingreifen Daniels“ und „Die Steinigung der Ältesten“. Für die geschnitzten Szenen griff eine Kölner Werkstatt auf den Antwerpener Kupferstecher Jan Collaert d.J. zurück, der 1552 die Geschichte der Susanna nach Marten de Vos publizierte. Dieser im Rheinland bevorzugte Schranktyp wurde oft mit biblischen Darstellungen, etwa den vier Evangelisten oder der Geschichte von David, verziert, wie verwandte Ausführungen im Museum für Angewandte Kunst Köln und im Kölnischen Stadtmuseum nahelegen. Nun tritt der um 1630/45 aus Nussholz im Stil der späten Renaissance gefertigte „Kölner Susannaschrank“ bei Lempertz mit einer Schätzung von 60.000 bis 80.000 Euro in den Auktionsring.
Für seine Kunstgewerbe-Auktion hat der Kölner Versteigerer wieder ein ansehnliches Programm aus sieben Jahrhunderten zusammengestellt, angefangen bei zwei norditalienischen lagernden Löwen aus rotem Veroneser Marmor, die im 13. Jahrhundert als Basen für die Säulen eines Kirchenportals dienten (Taxe 15.000 bis 25.000 EUR). Gut hundert Jahre jünger ist das Fragment eines ebenfalls norditalienischen gotischen Kamms aus Elfenbein mit figürlichen Szenen, die man als die klugen und törichten Jungfrauen aus dem Matthäus-Evangelium deuten kann. Eine rheinische oder westfälische, quer gelagerte, über zwei Meter breite Eichenholztruhe folgt um 1500 in ihren Eisenbeschlägen immer noch gotischen Stilformen (Taxe je 6.000 bis 8.000 EUR).
Mit dem Barock nimmt die Dichte der Objekte deutlich dazu. Dazu gehören ein Himmel- und Erdglobus von 1636 des in Rom ansässigen Kupferstechers Matthäus Greuter in späteren Gestellen (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR) oder eine sechseckige horizontale Tischuhr des Danziger Meister Benjamin Zoll um 1700 aus Bronze, Silber und Eisen (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Eine wohl geordnete ostfranzösische Régence-Kommode aus Nussmaser, Ahorn, Pflaume, Kirsche und vergoldeten Bronzebeschlägen um 1730 führt in die hohe Kunst der europäischen Ebenisten (Taxe 7.000 bis 8.000 EUR). Dazu gehört auch der kaum bekannte Franz Adam Weber, der für den nur zwei Jahre regierenden Fuldaer Fürstbischof Adalbert II. von Walderdorff um 1758 die Ausstattung des dortigen Spiegelkabinetts besorgte. Dort stehen zwei fast identische Konsoltische Webers, die die Experten als Vergleich zum Exemplar bei Lempertz heranziehen und ebenfalls mit skurrilen vollplastischen Tierfiguren und großen, flammend gezackten Muschelreliefs gestaltet sind (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
In Den Haag war zu dieser Zeit Matthijs Franses tätig, der für einen zweiteiligen Schreibschrank mit Fallklappe und Würfelmarketerie aus Palisander und Rosenholz auf Eiche verantwortlich gemacht wird (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR). Nach Amsterdam geht es mit einem Paar auslandender Wandspiegel samt gedrehten Leuchterarmen aus vergoldetem Weichholz in verspielten Rokoko-Formen (Taxe 30.000 bis 50.000 EUR). Auch die Roentgen-Werkstatt aus Neuwied hat ihren großen Auftritt. Abraham Roentgen steuert vier Stühle um 1750/60 bei, die in den geschnitzten und furnierten Gestellen und Lehnen von seinem hohen handwerklichen Können zeugen und ehemals im Schloss Monrepos der Fürsten zu Wied standen (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Zum gleichen Preis tritt sein Sohn David Roentgen mit einem dann schon klassizistischen Guéridon aus Mahagoni, feuervergoldeter Bronze und weißer Marmorplatte an, den er um 1780/85 für den französischen Markt produzierte.
Ein weiterer Stuhlsatz, diesmal mit vier kantigen Empire-Stühlen, wurde von dem Ebenisten Pierre-Benoît Marcion um 1800/15 für das königliche Palais des Tuileries in Paris geschreinert (Taxe 9.000 bis 12.000 EUR). Im französischen Kulturkreis jener Epoche bleibt es mit einer beeindruckenden Kaminuhr von Pierre Philippe Thomire, auf der sich der römische Philosoph und Staatsmann Marcus Tullius Cicero nachdenklich niedergelassen hat (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Von dem berühmten Pariser Bronzier soll auch ein vergoldetes Kandelaberpaar mit dunkel patinierten Viktorien stammen; die 77 Zentimeter hohen Leuchter mit jeweils fünf Armen könnte aber auch sein Konkurrent Claude Galle entworfen haben (Taxe 14.000 bis 16.000 EUR). Für den späten Klassizismus steht eine weibliche Marmorbüste des Italieners Democrito Gandolfi um 1840/50, die aufgrund ihres Turbans und einer früher ausgeführten Skulpturengruppe als die biblische Gestalt der Rahel identifiziert werden kann (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR).
Nach diesem ersten Auktionsteil am 17. Mai folgen bei Lempertz am 19. Mai die Silber-, Porzellan- und Fayencewaren, die in Umfang und Qualität in Deutschland ihresgleichen suchen. Los geht es beim Silber mit einem ausgefallenen Renaissance-Löffel um 1565/86, den der Augsburger Meister Elias Schweiglin auf der Laffe mit den Wappen mehrerer schwäbischer Patrizierfamilien graviert und mit einem Korallenast als Stiel bestückt hat (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Für die reiche Tradition der Nürnberger Silberschmiede steht Jobst Planck, der im frühen 17. Jahrhundert einen fast kugelförmigen Becher in Form einer Bratina mit fein ziselierten Fruchtgebinden und Rollwerk auf punziertem Grund veredelt hat (Taxe 10.000 bis 14.000 EUR). Eine nächste Stilstufe ist mit einer hochbarocken sechskantigen Schraubflasche um 1689/92 erreicht, die Johann Drentwett I mit den für ihn typischen Cäsarenhäuptern zwischen Fruchtgebinden bestückt hat (Taxe 18.000 bis 20.000 EUR).
Für die reiche Auswahl der Auktion an Silberstädten stehen etwa noch ein Hamburger Deckelhumpen von Gregorius Lambrecht um 1661/71, über den sich barocke Blumen flächenfüllend ausbreiten (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR), eine auf das Jahr 1679 datierte Revaler Deckelkanne, bei der Gabriel Lübken die Blumen an Girlanden aufgehängt hat (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR), oder ein Breslauer Apostelhumpen aus den 1730er Jahren, bei dem Johann Christoph Müller der zeittypischen Vorliebe für das Bandelwerk folgte (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Im Geiste des Rokoko gestaltete Rudolph Sondagh 1765 in Rotterdam eine durchbrochen gearbeitete Henkelschale mit Gitterwerkkartuschen, Rosenranken und C-Schwüngen (Taxe 15.000 bis 18.000 EUR). Eine aufwendige Tora-Krone, gefertigt um 1819 in Galizien, ist mit 35.000 bis 45.000 Euro das teuerste Stück der Silberabteilung. Nach Jugendstil-Objekten, wie einer Vase von Thorvald Bindesbøll im strengen geometrisierenden Dekor sich überlappender Formen von 1899 (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR), schließt das Silber mit modernem Design ab, darunter Tapio Wirkkalas schlanker Weinkanne TW77 auf drei zierlichen Beinchen von 1955 (Taxe 4.500 bis 5.000 EUR).
Nach dem Erfolg in der vergangenen Herbstauktion versteigert Lempertz nun den zweiten Teil einer westfälischen Porzellansammlung. Zu den schönen und seltenen Formstücken der Meißner Manufaktur gehören eine Kaffeekanne mit reliefierten Hortensienblüten und einem Dekor aus höfischen Paaren, schwarzem Diener und Commedia dell’arte-Figur, der dem Hausmaler Franz Ferdinand Mayer aus dem böhmischen Pressnitz zugewiesen wird (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR), ein Paar Dompfaffen nach Modellen von Johann Joachim Kändler aus dem Jahr 1747 (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR) oder sein Paar Papageien mittlerer Sorte für 8.000 bis 10.000 Euro. Auch für zwei Schüsseln aus dem Tafelservice für den Grafen Sulkowski mit dem prächtigen Allianzwappen konnten sich die Westfalen begeistern, ebenso wie für einen seltenen Gartenpavillon mit zwei Figuren der Frankenthaler Porzellanmanufaktur, für den der Modelleur Carl Gottlieb Lück auf fernöstliche Inspiration zurückgriff (Taxe je 6.000 bis 8.000 EUR), oder die seltene italienische Komödienfigur der Ragonda, die Simon Feilner um 1754 für die Manufaktur Fürstenberg entwarf (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR).
Aus anderen Sammlungszusammenhängen kommt eine Meißner Augustus Rex-Vase mit seltenem Fliederfond und zwei Chinoiserien zur Auktion, die um 1726/30 Dekorkonzepte von Johann Gregorius Höroldt und Johann Ehrenfried Stadler miteinander kombiniert (Taxe 18.000 bis 20.000 EUR). Eine Ecuelle mit ihrem Unterteller, die um 1735 wohl von Christian Friedrich Herold mit Kauffahrteiszenen, Chinoiserien und indianische Blumen bemalt wurde, ist noch in ihrem originalen Lederetui gesichert (Taxe 14.000 bis 16.000 EUR). Der Vielgestalter Johann Joachim Kändler tritt nochmal bei einem Paar Hahnenkannen von 1734 (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR), bei einer Hundehütte mit obenauf ruhendem Hund von 1737 (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR), der galanten Gruppe „Der stürmische Liebhaber“ um 1740 (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR) oder bei einem treudoof blickenden weiblichen Mopshund mit Jungen in Erscheinung (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR).
Eher geziert steigen die bronzenen Blumenstängel aus zwei Meißner Körben empor, die in Paris um 1750 in einen Bronzefuß gestellt und mit Porzellanblumen aus Vincennes bestückt wurden (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Aus einer rheinischen Privatsammlung stammen rund 80 Positionen mit Fayencen der Manufakturen Hanau, Holitsch, Magdeburg oder Nürnberg, die seltene Formstücke und Dekore enthalten. Das Highlight ist ein mehrfach ausgestelltes und publiziertes Abtsbessinger Ofenmodell, das Johann Gottfried Kiel mit dem mythologischen Motiv von Herkules und Omphale oder mit verschiedenen Landschaften als Jahreszeitenallegorien herausgeputzt hat (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Eine Kohlkopfterrine mit Unterschale aus der Mitte des 18. Jahrhunderts weist in die Brüsseler Werkstätten von Philippe Mombaers oder Jacques Artoisenet (Taxe 1.500 bis 2.000 EUR), eine kraftvoll gefasste Deckelterrine mit Maskaronhandhaben nach Proskau (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR), ebenso wie die acht Musikantenkrüge um 1800, die mit jeweils 2.000 bis 3.000 Euro angesetzt sind.
Die Auktion beginnt am 17. Mai um 14 Uhr mit den Möbeln und kunstgewerblichen Arbeiten. Am 19. Mai folgen ab 10 Uhr das Silber, Porzellan und die Fayencen. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.lempertz.com. |