Kunst-Kopieren in SolothurnDas Kunstmuseum Solothurn widmet sich aktuell mit der Schau „Ja, wir kopieren!“ den Strategien der Nachahmung in der Kunst seit 1970. Mit dabei sind Werke von 40 Künstler*innen und Gruppen, darunter Morehshin Allahyari, Bastien Aubry, Luis Camnitzer, Nicola Costantino, Rudolf de Crignis, Stephanie Dinkins, Claire Fontaine, Lynn Hershman Leeson, Olia Lialina mit Mike Tyka, Mickry 3, Dieter Roth, M. Vänçi Stirnemann, Anna Stüdeli, Danh Vo und Semih Yavsaner/Müslüm. Der Kulturanthropologe Michael Hiltbrunner, der die Ausstellung kuratiert hat, geht von der Schweizer Szene aus, von der aus er Bögen zu internationalen Positionen spannt. Sein Ziel ist es, der Angst vor dem Kopieren entgegenzutreten und den Blick auf künstlerische Strategien zu differenzieren. „Es wird nachgemalt und nachgestellt, kopiert und gefälscht, appropriiert und umgenutzt, collagiert und uminterpretiert; es werden Rollen getauscht und Arbeiten zum Kopieren durch Copyleft und 3D-Druck dargeboten“, so Hiltbrunner. Hierbei gerieten oftmals tradierte Wert- und Machtverhältnisse in Kunst und Gesellschaft ins Wanken und sowohl Gender- und Klassenhierarchien als auch (Neo-)Kolonialismus und Rassismus ins Visier.
In der akademischen Kunstausbildung war das Kopieren und Nachahmen von Vorbildern über Jahrhunderte die Basis des Lernens. Erst als neue Medien wie Fotografie und Film die bildende Kunst mit ihrer mimetischen Fähigkeiten entlasten konnten, wurde Originalität zum zentralen Punkt der künstlerischen Schöpfung. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts verlagerten viele Künstler*innen der Avantgarde ihr Ziel auf künstlerische Neuanfänge und das Original. Die Kunsttheorie unterstützte dies, indem sie die Kopie abwertete und als Produkt eines Amateurs oder der Populärkultur ansah. Es erfolgte eine Differenzierung zwischen der „hohen“ bildenden Kunst und den „tiefen“ Arbeiten der Massenmedien. In den 1970er Jahren erfolgte eine Wende, da sich neue Bildtechnologien und damit auch Kopiermethoden rasant entwickelten. Heute existiert eine Zeit des „Copy-Paste“ und der künstlichen Intelligenz, die eine eigene Kreativität beherbergen, wie sie etwa Elaine Sturtevants Werke illustrieren. Die Künstlerin fertigt täuschend echte Wiederholungen bereits bestehender Kunstwerke an, wobei sich jede Repetition durch minimale Differenzen unterscheidet. Damit verdeutlicht Sturtevant den Spalt zwischen Kopie und Original, Wirklichkeit und Illusion.
Gina Fischlis Bild „Albers (Hard)“ von 2022 zitiert die ineinander gestaffelten vielfarbigen Vierecke von Josef Albers. Dafür nutzt sie aber nicht nur Farbe, sondern fügt noch Glitzerpartikel hinzu, was Albers nie tat. Damit ist Fischli im Zwischenraum von Wiederholen und Neuformulieren und hat eine offene und spielerische Form der Nachahmung kreiert. Die Schattenseite, die Künstler*innen jedoch auch fürchten, ist die Angst vor dem Stehlen und Bestohlen werden. Man denke etwa an Copyright-Prozesse und die diebstahlsicheren digitalen NFTs: Künstlerische Autorschaft muss eindeutig sein und das Original klar beweisbar. Damit verbunden ist auch die Diskussion um kulturelle Appropriation. Inmitten alldessen ist der Akt des Kopierens mit Angst behaftet und damit auch die gegenseitige Beeinflussung zwischen Menschen, Kulturen und Technologien.
Die Ausstellung „Ja, wir kopieren! Strategien der Nachahmung in der Kunst seit 1970“ ist bis zum 27. August zu sehen. Das Kunstmuseum Solothurn hat dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr und am Wochenende von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
Kunstmuseum Solothurn
Werkhofstrasse 30
CH-4500 Solothurn
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