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Retrospektive zu Rosemarie Castoro in Wien

Das Museum für angewandte Kunst in Wien (MAK) widmet seit gestern Rosemarie Castoro eine Retrospektive und feiert in diesem Zuge gleich zwei Premieren. „Land of Lashes“ ist die erste Ausstellung der 2015 verstorbenen New Yorker Künstlerin im deutschsprachigen Raum. Gleichzeitig weiht die Schau die neue Ausstellungshalle MAK Contemporary ein, die im Haupthaus zukünftig für gegenwärtige Positionen aus Kunst, Design und Architektur zur Verfügung steht. Der Schwerpunkt der Präsentation liegt auf der essenziellen Schaffensphase Castoros in den 1970er Jahren. Die Künstlerin bezeichnete sich selbst als „paintersculptor“ und entwickelte experimentelle Arbeiten an der Schnittstelle von Text, Grafik, Malerei, Skulptur, Bühnenbild und Performance. Stilistisch war Castoro von den Bewegungen der Minimal Art und Konzeptkunst beeinflusst, inhaltlich nahm sie Bezug auf gesellschaftliche und politische Umbrüche und Diskurse wie die Bürger- und Frauenrechtsbewegung oder den Vietnamkrieg. Insbesondere das Experimentieren mit surrealen und sexuellen Konnotationen zieht sich als roter Faden durch ihr Œuvre.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die titelgebende Installation „Land of Lashes“ von 1976 und ihr Pendant „Land of Lads“ von 1975, die in Form von Skulpturen überdimensionaler Wimpern und eines Waldes aus Leitern das Weibliche und das Männliche verkörpern. Indem Rosemarie Castoro die für die Geschlechter charakteristischen Stereotype Schönheit und körperliche Arbeit auf eine neutrale Symbolik herunterbrach, ließ sie die Grenzen zwischen diesen sozialen Rollen- und Identitätsbildern verschwimmen. Im Laufe ihres Schaffens entdeckte sie die Linie als Ausdrucksmittel, durch die sie dreidimensionale Körper in den Raum übertragen konnte. Ein Beispiel dafür ist das Werk „Non-Correspondence Letter“ von 1969, das ihre Serie der „Freestanding Walls“ einläutet: Drei rechteckige Elemente sind mit Scharnieren zu einem plastischen Paravent verbunden worden, der den Raum in verschiedene Bereiche gliedert.

Die reliefartige Arbeit „Bangs“ gehört zu der Serie „Brushstrokes“, für die Castoro mit einem Besen oder Mob Gesso, Modellierpaste und Marmorstaub auf die Leinwand aufbrachte. Die geschwungenen, nebeneinander aufgereihten ‚Striche‘ erinnern an die Fäden eines Perlenvorhangs, der durch einen Luftzug bewegt wird. Daneben schuf die Künstlerin grazile „skulpturale Zeichnungen“ wie „Branch Dance“ von 1977: Die Plastik scheint wie eine Balletttänzerin gerade eines ihrer drei Beine auszustrecken, nur um im nächsten Moment damit Schwung für eine Pirouette zu holen.

Rosemarie Castoro wurde 1939 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren. Sie studierte Graphic Design am dortigen Pratt Institute und engagierte sich in der New Dance Group. Castoros künstlerische Anfänge sind von farbenfrohen, abstrakten Gemälden geprägt. Ab den 1960er Jahren teilte sie sich ein Atelier in der Spring Street mit ihrem zukünftigen Ehemann Carl Andre. 1968 wandte sie sich der Konzeptkunst und dem Minimalismus zu und verzichtete auf die Farbe. Neben Andre zählten unter anderem Lawrence Weiner, Sol LeWitt, Eva Hesse oder die Choreografin Yvonne Rainer zu Castoros künstlerischem Umfeld. Die Künstlerin arbeitete und lebte bis zu ihrem Tod im Jahr 2015 in New York.

Die Ausstellung „Rosemarie Castoro. Land of Lashes“ ist bis zum 1. Oktober zu sehen. Das MAK hat dienstags von 10 bis 21 Uhr sowie mittwochs bis sonntags von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 15 Euro, ermäßigt 12 Euro. Jeden Dienstag zwischen 18 und 21 Uhr kann das Museum für 7 Euro besichtigt werden.

MAK – Museum für angewandte Kunst
Stubenring 5
A-1010 Wien
Telefon: +43 (0)1 – 711 360


25.05.2023

Quelle: Kunstmarkt.com/Amanda Bischoff

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