| | Gabriel von Max, Der Tod und das Mädchen, 1901 | |
Das Thema „Der Tod und das Mädchen“ gehört zum festen Bestandteil der abendländischen Kunst. Das schaurig-erotische Motiv taucht im 16. Jahrhundert erstmals auf und wird bis in die Gegenwart in verschiedenen künstlerischen Gattungen immer wieder behandelt. Eine der ältesten bildlichen Darstellungen lieferte Hans Baldung Grien im Jahr 1517, weltbekannt ist Franz Schuberts Kunstlied von 1817, dessen Melodie er einige Jahre später in ein Streichquartett übernahm. Aber auch Matthias Claudius, Egon Schiele, Elfriede Jelinek, Roman Polanski oder Nicole Eisenman griffen das Thema auf. 1901 trat der Münchner Maler Gabriel von Max hinzu, der sich sowohl mit der Darstellung junger Frauen als auch mit der Schilderung des Todes häufig beschäftigte. Seine Interpretation ist doppeldeutig und lässt offen, ob sich das verklärt blickende Mädchen nicht sogar auf den Tod freut. Denn mit leicht geöffneten Lippen und blassem Gesicht tritt die Schönheit lächelnd dem Sensenmann entgegen, der sie schon umgarnt. Lediglich der kleine, aufgeregt piepsende Vogel auf ihrem Finger scheint von der Gefahr zu künden. Weitere Sinnebenen vermittelt Max’ eigenhändiger Titel „Nach Regen / Sonnenschein“. So ist die Hügellandschaft gleichfalls ambivalent: Zieht das Gewitter noch auf oder bereits ab? Und als Hoffnungszeichen christlichen Glaubens stehen ein Regenbogen und die im Sonnenlicht liegende Kirche am Horizont.
Alte Meister
Seit Ende der 1950er Jahre bis 2022 war Gabriel von Max’ Gemälde „Der Tod und das Mädchen“ in bayerischem Privatbesitz beheimatet und kommt nun mit einer Schätzung von 50.000 Euro über Bassenge wieder in Umlauf. Der Tod ist noch einige Male am 8. Juni in dem Berliner Auktionshaus direkt oder indirekt präsent, etwa auf Francesco Solimenas Heiligenbild von Franziskus um 1680, der seinen Namenspatron mit zum Himmel gerichteten Blick und Hand auf einem Totenkopf in Versenkung zeigt (Taxe 18.000 EUR), oder bei einer figurenreichen böhmischen Kreuzabnahme samt Beweinung Christi und Stifterfamilie um 1580 (Taxe 8.000 EUR). Auf der Kupfertafel „Die Menschheit vor der Sintflut“, für die sich Antoon Claeissens und sein Bruder Pieter Claeissens d.J. zusammengetan haben, feiern die nackten Menschen noch ein ausgiebiges Mahl, doch im Hintergrund zieht schon die tödliche Bedrohung herauf (Taxe 12.000 EUR).
Einen moralischen Impetus verfolgte auch ein Maler aus dem Umfeld Lucas Cranachs d.J., der das beliebte Sujet des ungleichen Paars in seinem Gemälde „Der verliebte Alte“ ein weiteres Mal in der Manier der Wittenberger Großwerkstatt wiederholte (Taxe 30.000 EUR). Während Giuseppe Cesari mit seinem Jugendwerk einer „Himmelfahrt Mariens“ aus den 1580er Jahren noch die himmlische Sphäre streift (Taxe 15.000 EUR), geben sich zwei Gemälde mit felsigen Flusslandschaften in abendlichem Licht, in denen rastende Wanderer und Hirten lagern, ganz erdverbunden. Die stimmungsvollen Pendants stammen aus dem Schloss Richmond in Braunschweig, werden dem Dresden Klassizisten Johann Christian Klengel zugeschrieben und sollen jeweils 4.500 Euro erwirtschaften. Stilistisch reiht sich hier Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins Bildnis der Hamburger Dichterin Engel Christine Westphalen von 1808 ein, die einen wichtigen Salon in der Hansestadt führte und zu einigen Gemälden Tischbeins Gedichte verfasste (Taxe 12.000 EUR).
Das 19. Jahrhundert
Für die napoleonische Armee war die Belagerung Moskaus verheerend. Grund waren die schlechte Versorgung und Ausrüstung, Krankheiten, die zunehmende Auflösung des Heeres und der hereinbrechende Winter, so dass Napoleon am 13. Oktober 1812 den Rückzug seiner Truppen befahl. In seinem Gefolge befand sich der Schlachten- und Pferdemaler Albrecht Adam, der den „Rückzug der Grand Armée aus Moskau im Herbst 1812“ als desaströses Ereignis mit nicht wenigen Toten vergegenwärtigte (Taxe 25.000 EUR). Ansonsten bieten die Neuern Meister viel Landschaftliches und damit eine unbeschwerte Sicht auf die Natur. Viele nordeuropäische Maler zog es in das Sehnsuchtsland Italien, so auch den Dänen Fritz Petzholdt, der die steil abfallende Küstenpartie auf Capri bei den Faraglioni-Felsen an einem dunstigen Tag zum Motiv wählte (Taxe 9.000 EUR). Sein Landsmann Harald Trolle hielt sich 1852 ebenfalls auf Capri auf, richtete seinen Blick aber auf den Monte Castiglione, während es Godfred Christensen 1873 in die Sabiner Berge zog, wo er einige Landleute auf einem steil abfallendem Weg im Dunst verschwimmender Berge sah (Taxe je 3.500 EUR). Carl Maria Nicolaus Hummel blieb schon in Oberitalien hängen und brachte eine frische Ölstudie vom Gardasee mit, der noch spärlich von Villen und Häusern gesäumt ist (Taxe 7.500 EUR).
Der Wiener Maler Franz Josef Dobiaschofsky entdeckte 1867 einen charmanten römischen Hirtenknaben, den er mit seinem Instrument zu dem „Kleinen Pifferaro“ ausarbeitete (Taxe 4.000 EUR). Der Erfolg Franz Ludwig Catels gründete nicht zuletzt in der „Entdeckung“ ungewöhnlicher Perspektiven, wie bei seiner „Neapolitanische Fischersfamilie in Mergellina“, in der er seinen Blick vom Innenraum durch ein geöffnetes Tor auf die Bucht von Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund richtete (Taxe 12.000 EUR). Den Ausbruch des Vulkans überführte Antonio Coppola in Nahansicht in ein fast abstraktes Naturschauspiel aus Dampf, Rauch, Aschewolken und Feuersbrunst (Taxe 6.000 EUR). Geruhsamer geht es zum gleichen Preis auf Olaf August Hermansens Landschaftsausschnitt „Im Wald von Almindingen auf Bornholm“ mit moosigen Felsen samt Wildblumen und zwei Meisen von 1878 zu. Die dänische Malerei ist bei Bassenge wieder gut vertreten, unter anderem noch mit Heinrich Hansens Ruine der Heiliggeistkirche in Visby auf Gotland von 1887 (Taxe 2.500 EUR), Gustav Theodor Wegeners behaglich-biedermeierlich eingerichtetem Arbeitszimmer des Marineoffiziers Peter Wilhelm Tegner in der St. Kongensgade in Kopenhagen um 1850 (Taxe 2.800 EUR) oder Anton Eduard Kieldrups Aussicht von Fortunen im Park Dyrehaven auf Kopenhagen und den Öresund an einem Spätsommernachmittag des Jahres 1852 (Taxe 3.000 EUR).
Andreas Riis Carstensen, der den Nil ins Zentrum seines Bildes rückt und ihn mit Wäscherinnen am Ufer und Feluken anreichert, lässt sich dann den Orientalisten zurechnen (Taxe 4.000 EUR). Noch weiter in den Süden zog es 1852 Friedrich Otto Georgi, als er die erste große preußische Expedition nach Ägypten und Äthiopien begleitete und archäologische Arbeiten am Jebel Barkal bei der antiken Stadt Napata im Norden Sudans mehr malerisch inszenierte, als dokumentierte. Das Gemälde aus dem Familienbesitz des Expeditionsleiters Karl Richard Lepsius soll 12.000 Euro einspielen. Zum Chronisten seiner Heimatstadt Berlin wurde Julius Jacob d.J., den 1888 das abwechslungsreiche Treiben um den Wrangelbrunnen auf dem Kemperplatz am Rande des Berliner Tiergartens interessierte (Taxe 4.000 EUR). Mit weiteren symbolistisch angehauchten Werken schließt die Versteigerung „Gemälde Alter und Neuerer Meister“ ab, darunter mit Paul von Spauns Felsenküste von Capri im rot-violetten Abendlicht (Taxe 2.500 EUR), Eduard Veiths Hexe, die zur Walpurgisnacht auf einem Geier reitet (Taxe 2.800 EUR), oder Alfred Waagners schon im Geist des Jugendstils gemalten Satyrknaben, der von kleinen Zephyren geneckt wird, als Allegorie des Frühlings (Taxe 3.500 EUR).
Weitere Rothaug-Suite
Schon vor einem Jahr konnte Bassenge mit einer Auktion von Werken des Wieners Alexander Rothaug Erfolge feiern. Nun steht am 8. Juni ein zweiter, knapp über einhundert Lose umfassender Schlussteil unter dem Titel „Mythos und Eros“ auf dem Programm, der sich wiederum aus der Rothaug-Sammlung des Wiener Künstlers Ernst Fuchs speist, ergänzt um Glanzstücke des Tiroler Sammlers Friedrich Feiersinger. Auch diesmal verschmelzen sinnliche und ein wenig rätselhafte Darstellungen verführerischer Frauen mit kraftstrotzenden, oft kämpferischen Männern und fantastisch inspirierten Landschaften, die antike griechische, römische, germanische und nordische Mythologie genauso zitieren, wie einen akademischen Klassizismus und Elemente des Jugendstils sowie des Symbolismus. Zeichnungen, wie mehrere Einzelblätter ab 400 Euro und Skizzenbücher Rothaugs für 2.500 Euro respektive 3.500 Euro, treffen auf Gemälde, so eine in Untersicht angelegte und daher monumentale Darstellung des heiligen Rochus mit ausladender Gloriole (Taxe 12.000 EUR). Soviel soll auch die dunkel dräuende Szene „Hero wartet auf Leander am stürmischen Gestade“ einbringen. Die charakteristisch manieriert muskulösen Gestalten zieren Rothaugs „Triumph der Amphitrite“, die vom Meeresgott Poseidon nach mühsamen Anfängen endlich heimgeführt wird (Taxe 30.000 EUR), und das Ölgemälde „Die Früchte des Meeres“ mit nackten Fischern, deren Körper eine geheimnisvolle Mischung mit dem Fang eingehen, den sie schweißtreibend an Land ziehen (Taxe 60.000 EUR).
Phantastische Welten
Einen eigenen Katalog hat Bassenge unter dem Titel „Phantastische Welten“ thematisch aus allen Geschäftsfeldern und Epochen zusammengestellt und versammelt darin die vielfältigen Aspekte einer aus Phantasmagorien geschöpften Kunst. Die Expedition ins Ungefähre beginnt mit Francisco de Goyas Aquatintaradierung „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“, dem enigmatischen Hauptblatt seiner Folge „Los Caprichos“ von 1799 (Taxe 6.000 EUR), und führt über Hans Thiemanns tiefengestaffeltes ornamental-mysteriöses Ölgemälde „Atelier des Romantikers“ (Taxe 8.000 EUR) und sieben Schabkunstblätter von John Martin zu John Miltons epischem Gedicht „Paradise Lost“ von 1827 (Taxe 400 EUR) bis zu Fritz Schwimbecks Zeichnung der vier Apokalyptischen Reiter, die Pest, Krieg, Teuerung und Tod bringen (Taxe 3.000 EUR). Hann Triers frühe gestisch-abstrakte Komposition „Licht und Dunkel“ von 1949 (Taxe 16.000 EUR) ist genauso vertreten, wie Aliute Mecys’ figurative „irrealistische“ Malerei „Vaterhaus“ von 1987 mit drei skurrilen Männern, die zusammen mit einem Affen und einem Hahn in einem Storchennest hoch in der Luft über einer verfallenen Hütte ausgelassen thronen (Taxe 7.000 EUR).
Für die unheimliche Welt Alfred Kubins steht die Federzeichnung „Haus Usher I“ um 1909 (Taxe 7.500 EUR). Genauso albtraumhaft sind Giovanni Battista Piranesis Radierung „Der Löwenrelief“ aus der Folge der „Carceri d’invenzione“ von 1761 (Taxe 4.500 EUR), die fantastisch-surrealen Zeichnungen „Ruinenpark“ und „Turm zu Babel“ des 1950 geborenen Franzosen François Houtin (Taxe 1.000 bzw. 900 EUR) oder Michael Schwarzes Bronzefigur „Auferstehung“ mit den maßstäblich verzerrten Gliedmaßen eines nackten Mannes von 1981 (Taxe 7.000 EUR). Während Brent Wongs „Surreale Landschaft“ von 1972/73 menschenleer ist und recht unterkühlt wirkt (Taxe 7.000 EUR), greift Fritz Kreidt bei seinem altarähnlichen „Triptychon“ um 1906 in die Vollen und präsentiert auf den Außenseiten eine einstürzende Welt, während auf der farbsprühenden Festtagsseite wuchernde Formen, leuchtende Regenbögen und eine rote Energieexplosion von neuem Leben künden (Taxe 12.000 EUR). Jakub Julian Ziólkowskis „Turtel’s Dream“ von 2008 ist ein pflanzenartiges Gebilde mit Wucherungen und roten Ästen, an denen Talismane hängen (Taxe 16.000 EUR). Eine Zug ins Lustige vermittelt Thomas Theodor Heines Werbeplakat „Tintenteufel“ für Tinte und Federn der Berliner Firma Aug. Zeiss & Co. von 1896 (Taxe 6.000 EUR).
Die Auktionen am 8. Juni beginnen um 11 Uhr mit den „Gemälden Alter und Neuerer Meister“. Um 15 Uhr folgt „Alexander Rothaug – Mythos und Eros“, um 18 Uhr „Phantastische Welten“. Die Besichtigung der Gemälde- und Rothaug-Auktion ist bis zum 5. Juni bei Bassenge täglich von 10 bis 18 Uhr, am 6. Juni von 10 bis 15 Uhr möglich. Die „Phantastischen Welten“ stehen bis zum 9. Juni täglich von 10 bis 18 Uhr in der Galerie Mond, Bleibtreustraße 17, 10623 Berlin, zur Verfügung. Der Katalog ist im Internet unter www.bassenge.com abrufbar. |