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Marktberichte

Aktuellzum Archiv:Messe-Nachbericht

Am Sonntag ging die diesjährige Art Basel zu Ende. Mit einem hochkarätigen Angebot rollte die weltweit wichtigste Kunstmesse Sammler*innen aus aller Welt einmal mehr den roten Teppich aus

Internationalität ist nach wie vor Trumpf



Die Art Basel 2023 verzeichnete rund 82.000 Besucher*innen

Die Art Basel 2023 verzeichnete rund 82.000 Besucher*innen

Jedes Jahr im Juni verwandelt sich Basel, die beschauliche Schweizer Stadt am Rhein, zum Hot Spot der internationalen Kunstszene. Egal ob mit dem Zug, dem Auto, dem Billigflieger oder dem Privatjet: Aus der ganzen Welt reisen Sammler*innen, Galerist*innen, Künstler*innen, Kritiker*innen, Kurator*innen und Art Consultants an, um knapp eine Woche lang auf der wichtigsten Kunstmesse der Welt neue Trends zu entdecken, Netzwerke zu schmieden, alte Bekannte zu treffen und natürlich auch Kunstwerke von Weltrang zu kaufen. Zigtausende Besucher*innen sind auch in diesem Jahr nach Basel gereist, um Spitzenwerke aus dem frühen 20. Jahrhundert, Klassiker nach 1945, aber auch Cutting Edge-Kunst aus dem zeitgenössischen Bereich anzuschauen und zu erwerben. 284 Galerien aus 36 Ländern wurden zugelassen, darunter in diesem Jahr auch drei afrikanische Adressen und einige weitere Galerien aus dem globalen Süden.


Der langjährige Globale Direktor Marc Spiegler konnte es in diesem Jahr locker angehen und die Veranstaltung als Besucher genießen. Bis Oktober 2023 ist er noch in beratender Funktion bei der Art Basel angestellt, dann will er andere Wege beschreiten. Eine neue Führungsspitze mit dem US-Amerikaner Noah Horowitz als CEO der Art Basel und Vincenzo de Bellis als Globaler Direktor drückt der führenden Kunstmesse von nun an ihren Stempel auf. Ab 1. Juli wird Maike Cruse, langjährige Direktorin des Berliner Gallery Weekends, dann offiziell die neue Direktorin der Ausgabe in Basel. Doch bereits während der Pressekonferenz nutzte sie die Gelegenheit für ein kurzes Statement. Ganz unvertraut ist Maike Cruse ihr neuer Job in Basel nicht. Bereits von 2008 bis 2011 war sie dort als Leiterin der Kommunikationsabteilung tätig.

Die Großen

Viele Art Basel-Besucher*innen starteten ihren Rundgang bereits am Montagnachmittag in der Halle 1, wo die von Giovanni Carmine, dem Direktor der Kunsthalle St. Gallen, kuratierte Sektion Unlimited mit 76 großformatigen, meist installativen Projekten von Künstler*innen stattfand. Unübersehbar im Eingangsbereich der Unlimited präsentierte die Galleria Continua aus San Gimignano eine Videoarbeit des in Paris lebenden, 1971 in Algerien geborenen Adel Abdessemed. In der nur eineinhalb Minuten langen, aber monumentalen Bildsequenz mit dem Titel „Jam Proximus Ardet, la dernière vidéo“ von 2021 steht der Künstler selbst mit stoischer Ruhe auf einem brennenden, bereits stark ramponierten Fischerboot und sieht der nahenden Katastrophe entgegen. Angesichts des verheerenden Untergangs eines völlig überladenen Flüchtlingsschiffs wenige Tage zuvor in der griechischen Ägäis erhält Abdessemeds Arbeit eine zusätzliche bittere Brisanz.

Es war nicht die einzige politische Arbeit auf der diesjährigen Unlimited. So holte der New Yorker Großgalerist David Zwirner die bereits 1994 entstandene Dreikanal-Videoprojektion „Evening“ des Kanadiers Stan Douglas wieder hervor. Die medienkritische Arbeit collagiert Bilder von Nachrichtensprechern fiktiver TV-Stationen, die um den Jahreswechsel 1969/70 angesiedelt sind. Es geht hier um eine bewusst geschönte Nachrichtensprache und damit um die Vorläufer dessen, was heute als „Fake News“ bezeichnet wird. Eindringlich war zudem die 2016 entstandene Videoarbeit „How Did He Die“ der 1990 geborenen Afroamerikanerin Diamond Stingily, die hinter einem vom Boden bis zur Decke reichenden, schweren Eisendrahtzaun aufgebaut war. Zu sehen sind junge afroamerikanische Mädchen bei typischen Schulhofspielen. Durch die massive Abtrennung zwischen der Projektion und dem Publikum sowie das vom Zaun auf die Leinwand geworfene, rasterartige Drahtmuster entfaltete das Werk eine stark beklemmende Wirkung.

Eine Kunstmesse wie die Art Basel kommt nicht ohne die unzähligen Putz- und Reinigungskräfte aus, die normalerweise hinter den Kulissen wirken und von den meisten Messebesucher*innen gar nicht bewusst wahrgenommen oder gar sozial diskriminiert werden. Genau da setzte jedoch die „Ménage de la maison“ des Berliner Künstlers Olaf Nicolai an, der von der Galerie Eigen + Art vertreten wird. Sie besteht aus einem Ensemble von Putzutensilien, die zu bestimmten Zeiten durch zwei Performer*innen in auffälliger orangefarbener Kleidung aktiviert wurden. Die Reinigungskräfte machten durch Gesang und Gesumme auf sich aufmerksam. So verschaffte Nicolai den oft übersehenen Niedriglöhnern eine würdige Form der Sichtbarkeit.

Jenseits der Art Basel: der Basel Social Club

Lohnenswert war ein Abstecher auf die diesjährige Ausgabe des Basel Social Club. Nachdem die Organisator*innen anlässlich der Premiere dieser Satellitenveranstaltung im letzten Jahr in eine historische Villa im Nobel-Stadtteil Bruderholz eingeladen hatten, haben sie für die zweite Ausgabe die weitläufigen Hallen einer ehemaligen Mayonnaisefabrik in Laufnähe der Messe aufgetan. Neben den Arbeiten der Künstler*innen sorgten bei freiem Eintritt in die charmant-postindustriellen, weitläufigen Räume Konzerte, Performances, Bars und ein breites kulinarisches Angebot, das von Tacos über italienisches Eis bis zu Green Papaya Salad reichte, für Stimmung vom ersten Tag an. Zu den Höhepunkten zählte der Auftritt der Frauenband „Les Reines Prochaines“, zu deren Gründerinnen einst die Multimediakünstlerin Pipilotti Rist zählte. An einer der Cocktailbars mixte Marc Spiegler höchstpersönlich die Drinks. Unter den Ausstellern waren internationale Galerien wie Air de Paris aus Paris, Damien & The Love Guru aus Brüssel, Karin Günther aus Hamburg oder die Schweizer Top-Adressen wie Karma International und Hauser & Wirth. Doch egal ob Newcomer oder Global Player: Die Teilnahmegebühr betrug hier überschaubare 1.500 Franken und war für alle gleich.

Doch zurück auf die Hauptmesse. Die ersten beiden Tage sind traditionell für VIP-Gäste reserviert. Hier werden die höchsten Umsätze erzielt. Obwohl es zunächst Befürchtungen gab, dass der leichte Abwärtstrend des Kunstmarktes, der sich zuletzt auf der New Yorker Kunstmesse Frieze und den dortigen Frühjahrsauktionen abgezeichnet hatte, auch auf die Art Basel übergreifen könnte, wurden diese schnell zerstreut. So veräußerten Hauser & Wirth bereits am ersten Tag Louise Bourgeois’ Spinnenskulptur „Spider IV“ von 1996 von für 22,5 Millionen US-Dollar an eine amerikanische Privatsammlung. Dabei handelt es sich noch nicht einmal um ein Unikat, sondern um eine Auflage von sechs Stück. Auch der freistehende, marktfrische „Strip-Tower“, bestehend aus acht jeweils 3,5 Meter hohen, mit Streifenmustern bedruckten Alu-Dibondplatten, des mittlerweile 91jährigen Gerhard Richter ging bei David Zwirner für 2,5 Millionen US-Dollar schnell weg.

Die Galerie Templon aus Paris reihte sich mit Kehinde Wileys liegender Bronzefigur „Ariadne Asleep on the Island of Naxos“ in zeitgenössischem Outfit und überraschendem postkolonialem Schwarz von 2022 für 330.000 US-Dollar in die Schar der Umsatzträger ein, ebenso die Di Donna Galleries aus New York mit einer träumerischen kleinteiligen Landschaft Paul Klees für einen Betrag zwischen 3 und 4 Millionen US-Dollar oder Eva Presenhuber aus Zürich und Wien mit Ugo Rondinones hängender Skulptur „Roger Federer as humanskysix“, einem Abguss des schwebenden Schweizer Tennisstars im lichten Himmelbau, für 360.000 US-Dollar. Insgesamt summierten sich die Umsätze allein am ersten Messetag auf über 225 Millionen US-Dollar, auch wenn manche Abschlüsse bereits im Vorfeld der Verkaufsschau abgestimmt und in Basel nur noch endgültig besiegelt worden sein dürften.

Die Kleinen

In die neue Sektion „Kabinett“, die in Hongkong und Miami bereits etabliert ist, in Basel jetzt ihre europäische Premiere feierte, lockten 14 Galerien mit Ausstellungen meist kleinformatiger Arbeiten ihrer Künstler*innen. So gestalteten Sies + Höke aus Düsseldorf ihre Koje mit bemalten Objekten und seltenen Papierarbeiten des jung verstorbenen, in Sammlerkreisen teils mythisch verehrten Konzeptkünstlers Blinky Palermo. Franco Noero aus Turin und Meyer Riegger aus Berlin und Karlsruhe hatten sich zu einem Gemeinschaftsstand zusammengetan und setzten auf eine von den Mobiles Alexander Calders inspirierte Arbeit des schwedischen Künstlers Henrik Håkansson, Jahrgang 1968. Statt dünner Metallscheiben hängen ausgestopfte Stare mit ausgebreiteten Flügeln an den Drahtbefestigungen. Sie stammen aus unterschiedlichen geografischen Zonen und unterstreichen das Interesse des Künstlers an biologischen Phänomenen und den Auswirkungen menschengemachter Umweltbeeinträchtigungen.

Der Berliner Galerist Mehdi Chouakri zeigte in seiner in dezentem Grau gehaltenen Kabinett-Ausstellung mit dem eher ironischen Titel „Giant Size“ zahlreiche kleinformatige Arbeiten und Raritäten von Galeriekünstler*innen wie John Armleder, Sylvie Fleury, Gerwald Rockenschaub oder dem Ende Mai verstorbenen Hans-Peter Feldmann. Fleury, die zur Zeit im Kunstmuseum Winterthur mit einer großen Überblicksschau gewürdigt wird, war dann zusätzlich vorne am Stand mit Objekten und Neonarbeiten in für sie typischer Eyecatcher-Optik vertreten.

Bei Balice Hertling aus Paris fiel eine Readymade-Arbeit von Puppies Puppies ins Auge. Die 1989 in Dallas geborene US-Konzeptkünstlerin und Performerin mit japanisch-puerto-ricanischen Wurzeln hat Banknoten der Währungen Euro, US-Dollar und Schweizer Franken in fünf Reihen übereinander direkt auf die Wand geklebt und mit der Schablone beschriftet. Der Satz „To Those In Positions Of Power And Wealth The Demands Of A Trans Woman Housing Healthcare Mental Health Clean Water Gender Affirming Surgery Protection Security Respect Equity“ appelliert unmittelbar an ein wohlhabendes Publikum, wie es die Sammler*innen auf der Art Basel sind, sich für die elementaren Rechte von Transpersonen einzusetzen – ein ebenso mutiges wie im Messekontext institutionskritisches Statement. Insgesamt fanden sich auf der diesjährigen Art Basel allerdings nur wenige Arbeiten, die sich mit LGBTIQA+-Themen auseinandersetzten.

Die Künstlerinnen

Einige Stände weiter wartete der Berliner Galerist Jan Wentrup mit Kunst von Nevin Aladag, Phoebe Boswell, Mary Ramsden und Anastasia Samoylova auf. Von Samoylova, die 1984 in Moskau zur Welt kam und heute in den USA lebt, stammten zwei großformatige Fotografien aus ihren „Florida series“. Die im vergangenen Jahr für den „Deutsche Börse Photography Foundation Prize“ nominierte Künstlerin nennt ihren Heimatbundesstaat einen „subtropischen Fiebertraum“ und rechnet in ihrem Werk gnadenlos mit den hohlen Versprechungen der Tourismusindustrie und rechtspopulistischer Politiker wie Ron de Santis ab. So zeigt die 2021 entstandene Arbeit „Empty Lots, Mexico Beach“ eine einsam stehende, solide gebaute Luxusvilla inmitten von kleineren Grundstücken, die offenbar alle von einem Wirbelsturm abgeräumt wurden. Als einzige männliche Position war Gregor Hildebrandt am Stand vertreten. Der Berliner, der analoge Ton- und Bildträger wie Musik- und VHS-Kassetten zu seinen bevorzugten Materialien zählt, kombiniert in seinen neuesten Arbeiten Bruchstücke farbiger Vinylplatten zu bunt-dynamischen Oberflächen, die an Terrazzo-Fußböden erinnern, wie man sie beispielsweise aus venezianischen Palästen oder auch Bauten der 1950er und 1960er Jahre kennt.

Auf den ersten Blick abstrakt und ungegenständlich wirken auch die teils großformatigen, mit Ölstift und Kohle auf weiß grundierte Leinwand gemalten Bilder der in Berlin lebenden Chinesin Xiyao Wang, Jahrgang 1992, die sowohl bei Massimo de Carlo aus Mailand als auch der Perrotin Gallery mit Standorten unter anderem in Paris und Seoul zugegen war. Quasi als Vorbote ihrer Anfang Juli beginnenden Einzelausstellung bei Perrotin in Seoul hatte die Galerie eine Reihe atelierfrischer Werke mitgebracht, die in einem separaten, nur über eine Treppe erreichbaren Raum präsentiert wurden. Titel wie „Relevé No. 3“ oder „Allongé No. 4“ deuten es an: Zu einer der Inspirationsquellen Xiyao Wangs gehört das Ballett. Dazu gesellen sich jedoch so vielfältige Einflüsse wie traditionelle chinesische Landschaftsmalerei, Fabeln und Mythen, Meditation, westliche Kunstgeschichte und Philosophie, Kampfsport, traditionelle chinesische und westliche elektronische Musik. Wer ein Gemälde der Absolventin der Hamburger Hochschule für bildende Künste erwerben möchte, muss allerdings Geduld mitbringen und sich auf eine Warteliste setzen lassen.

Mit rund 82.000 Besucher*innen beendete die Art Basel ihre diesjährige Ausgabe. Die Messe konnte damit gegenüber 2022, als rund 70.000 Eintritte verzeichnet wurden, kräftig zulegen. Die vorpandemische Rekordzahl von 2019, als 93.000 Besucher*innen gezählt wurden, bleibt allerdings noch unerreicht. Mit der Übernahme der Pariser Messe FIAC, die seit Oktober 2022 unter dem Label „Paris+ by Art Basel“ firmiert, findet die Art Basel nunmehr an vier Orten weltweit statt. Doch selbst die Pariser Zeitung „Le Monde“ musste jetzt zugeben, dass die drei Ableger außerhalb der Schweiz in Miami Beach, Hongkong und eben Paris starke Schwerpunkte auf die Kunst der jeweiligen Region legen, ohne jedoch die herausragende globale Bedeutung der Muttermesse zu erreichen. In Bezug auf Basel kommt daher wohl nicht nur „Le Monde“ zu der Einschätzung: „Mehr Internationalität gibt es nicht, was auch für das Publikum gilt.“ Insofern muss man sich um den Erhalt des Standorts Basel vorerst keine Sorgen machen.

Kontakt:

Messe Basel

Messeplatz

CH-4021 Basel

Telefax:+41 (061) 686 26 86

Telefon:+41 (061) 686 20 20

E-Mail: info@artbasel.com

Startseite: www.artbasel.com



20.06.2023

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Nicole Büsing & Heiko Klaas

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