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Marktberichte |
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Rückblick auf die Moderne im Wiener Dorotheum: Die Italiener und internationale Migranten prägten das Geschehen. Doch ein deutscher Expressionist behielt die Oberhand Die Luftmaler
| Im vergangenen Jahrzehnt hat das Dorotheum seine Präsenz in Italien massiv ausgebaut. Daher stehen regelmäßig Künstlerinnen und Künstler aus dem südeuropäischen Land an der Spitze der Auktionen in Wien, so auch bei der „Modernen Kunst“. Hier glänzte zu Beginn schon der Futurist Gerardo Dottori mit seiner perspektivisch aus den Fugen geratenen Landschaft „Sorvolando il lago“. Bei diesem „Flug über dem See“ von 1934 blickte er aus der Vogelperspektive auf ein sich über dem Erdenrund ausdehnendes Gewässer mit Hügeln und einem Dorf, wobei die einzelnen Häuser schon aus dem Bild zu fallen scheinen. Der Wert für diese blaugesättigte Abendlandschaft stieg von 25.000 Euro auf 42.000 Euro. Im weiteren Auktionsverlauf trat dann noch sein Kollege Giulio D’Anna hinzu, der sich wiederum mit der sogenannten „Aeropittura“ beschäftigte. Seine multiperspektivische, prismatische gebrochene und von einem Erdbeben gekennzeichnete farbintensive Landschaft „La rinascita dopo il terremoto“ von 1928/29 mit einem zur Sonne strebenden Flugzeug legte von 20.000 Euro noch deutlicher auf 70.000 Euro zu.
Zum preislichen Gipfelpunkt bei den Italienern stieg Giorgio de Chirico mit seiner Vedute „Venezia“ samt Blick in den Canal Grande auf Santa Maria della Salute auf. Für das neobarocke Gemälde aus der Mitte der 1950er Jahre waren 230.000 Euro fällig (Taxe 120.000 bis 180.000 EUR). Dahinter platzierte sich Giorgio Morandi mit einem kleinen Blumenstillleben im Quadrat von 1943 zur unteren Schätzung von 200.000 Euro. René Paresce steuerte seine kubistisch angehauchte Gouache „Natura morta“ von 1928 mit zwei Birnen und Glas für 9.000 Euro bei (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR), der zu den Begründern des Futurismus zählende Carlo Carrà ein schon wieder maßvolles Arrangement mit fünf grünen Äpfeln samt Messer und einem Krug aus dem Spätwerk von 1942 für 18.000 Euro (Taxe 16.000 bis 22.000 EUR). Als Bildhauer trat Marino Marini mit seinem Lieblingsthema Pferd und Reiter an. Seine Bronze „Piccolo miracolo“ von 1970, ein sich aufbäumender Gaul mit stürzendem Reiter, erwirtschaftete 40.000 Euro (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR).
Moses Levy kam 1885 als Sohn eines britischen Vaters und einer italienischen Mutter in Tunis zur Welt. Mit heiteren Strandszenen beschwor er nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Faschismus die Leichtigkeit des südlichen Lebensgefühls, so auch 1950 auf einer Leinwand mit zahlreichen Sonnenbadenden unter Schirmen, die nun von 4.000 Euro auf 17.000 Euro kletterte. Aus Chile wanderte der Surrealist Roberto Matta in den 1960er Jahren nach Italien ein. Sein alptraumhafter Maschinenmensch „La Banale de Venise“ von 1954 – eine durchaus provokante Anspielung auf die renommierte italienische Kunstschau – erreichte mit einem Zuschlag von 100.000 Euro die Sechsstelligkeit (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR). Den US-Amerikaner William Congdon verschlug es gleichfalls auf den Apennin, wo er schließlich 1998 in Mailand verstarb. Rund zehn Jahre hielt er sich aber in Venedig auf, freundete sich mit Peggy Guggenheim an, die zur eifrigen Sammlerin seiner Kunst wurde, und hielt die Serenissima in zahlreichen, weitgehend abstrakten Gemälden fest, so auch um 1948 in einer nun 20.000 Euro teuren Ansicht auf den Markusplatz in dunklem Braun (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR).
Von Kuba zog es Wifredo Lam nach Paris. Seine irrationale Kosmogonie „Deux figures III“ von 1965 in Anspielung auf den Santería-Kult und Geschöpfe aus dem Urwald forderte 95.000 Euro (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Für zahlreiche Künstler der Moderne war die französische Hauptstadt der Anziehungspunkt schlichthin, etwa auch für den Deutschen Alfred Wolfgang Otto Schulze, der sich nach seinen Initialen kurz Wols nannte. Als Wegbereiter des Tachismus schuf er 1947/48 mit Tusche, Aquarell und Grattage auf Papier die zeichenhafte filigrane Komposition „Wurzeln“, die sich von 25.000 Euro deutlich auf 140.000 Euro verbesserte. Paris-Zuwanderer waren ebenso Hans Bellmer, der ein schwarzes, amorph wucherndes Gebilde um 1962 gewinnbringend bei 59.000 Euro abgab (Taxe 25.000 bis 35.000 EUR), und der Ungar Victor Vasarely. Eine frühe, noch nicht von der Op-Art geprägte dunkle Formfindung mit bunt-hellem Zentrum behauptete sich bei 42.000 Euro (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR).
Preislicher Höhepunkt der Auktion, die sich mit einer losbezogenen Abnahmequote von über 75 Prozent erfolgreich schlug, war Alexej von Jawlenskys „Gedeckter Tisch“. Das flott und farbenfroh hingeworfene Stillleben von 1904/05 landete mit 500.000 Euro in der Taxmitte. Max Liebermanns impressionistische Ölstudie eines wohl holländischen Dorfwinkels mit Frauen bei der Wäschebleiche von 1905 tat sich mit 62.000 Euro leicht (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR), ebenso Ernst Ludwig Kirchners schnell gezeichnete Bleistiftskizze „Mann und zwei Akte im Atelier“ um 1912 mit 20.000 Euro (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR). Otto Dix orientierte sich bei seinen 1919/21 erschienenen, dreisten und gesellschaftskritischen „Neun Holzschnitten“ an der unteren Erwartung von 50.000 Euro. Aber nicht alles Höherpreisige stieß am 23. Mai auf Gegenliebe. So gingen etwa Georg Tapperts expressionistische farbkräftige „Puppen“ von 1919 (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR) oder Auguste Rodins posthum um 1985/86 gegossene Bronzegruppe „Minotaur, agrandissement“ an die Einlieferer zurück (Taxe 120.000 bis 180.000 EUR).
Einträglich waren dann wieder die 50.000 Euro für Edvard Munchs 1895 radierte Liebesszene „Der Kuss“ mit einem nackten Paar vor dem Fenster (Taxe 45.000 bis 70.000 EUR) oder die 17.000 Euro für Alphonse Muchas exakt mit Bister gezeichnetes und weiß gehöhtes Bildnis einer jungen Frau mit Händen im Haar (Taxe 4.000 bis 7.000 EUR). Gustav Klimt beteiligte sich mit mehreren Zeichnungen an der Versteigerung, darunter der „Stehenden Dame mit Umhang von vorne“, einer Studie um 1903 für das berühmte Porträt von Adele Bloch-Bauer, bei taxgerechten 40.000 Euro oder einem kaum wahrnehmbaren sitzenden Akt für 34.000 Euro (Taxe 18.000 bis 30.000 EUR). Während Anton Faistauers gemäßigt expressives Interieur mit einem Blumen- und Früchtestillleben von 1921 bei 35.000 bis 50.000 Euro den Absprung nicht schaffte, ging wenigstens Jean Eggers im gestischen Pinselstrich aufgelöster „Blühender Mandelbaum auf Mallorca“ um 1932/33 im Nachverkauf bei 50.000 Euro weg (Taxe 60.000 bis 100.000 EUR).
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04.09.2023 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching | |
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Edvard Munch, Der
Kuss, 1895 | | Taxe: 45.000 - 70.000 EURO Zuschlag: 50.000,- EURO Losnummer: 11 | | | | | |
Wols, Wols, Ohne
Titel (Wurzel),
1947/48 | | Taxe: 25.000 - 35.000 EURO Zuschlag: 140.000,- EURO Losnummer: 32 | | | | | |
Jean Egger,
Blühender
Mandelbaum auf
Mallorca, um 1932/33 | | Taxe: 60.000 - 100.000 EURO Zuschlag: 50.000,- EURO Losnummer: 20 | | | | | |
Max Liebermann,
Dorfwinkel mit
Bleiche, 1905 | | Taxe: 40.000 - 60.000 EURO Zuschlag: 62.000,- EURO Losnummer: 22 | | | | | |
Alfons Maria Mucha,
Alphonse Mucha,
Bildnis eines
Mädchens mit den
Händen im Haar | | Taxe: 4.000 - 7.000 EURO Zuschlag: 17.000,- EURO Losnummer: 16 | | | | | |
Alexej von
Jawlensky,
Gedeckter Tisch, um
1904/05 | | Taxe: 400.000 - 600.000 EURO Zuschlag: 500.000,- EURO Losnummer: 21 | | | | | |
Gustav Klimt,
Stehende Dame mit
Cape von vorne
(Studie für das
Bildnis Adele
Bloch-Bauer), um
1903 | | Taxe: 30.000 - 50.000 EURO Zuschlag: 40.000,- EURO Losnummer: 12 | | | | | |
René Paresce, Natura
morta, 1928 | | Taxe: 5.000 - 7.000 EURO Zuschlag: 9.000,- EURO Losnummer: 4 | | |
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