Unheimlich schön: Sascha Schneiders nackte Körper in Dortmund | | Sascha Schneider, Das Gefühl der Abhängigkeit (II), 1920 | |
Bekannt ist er bis heute durch seine Illustrationen für Karl Mays „Gesammelte Reiseerzählungen“. Doch bedeutsam wurde der Dresdner Künstler Rudolph Karl Alexander Schneider (1870-1927), der sich mit Vornamen Sascha rufen ließ, durch seine Darstellungen des idealisierten menschlichen Körpers. Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund zeigt aktuell unter dem Titel „Unheimlich schön“ Schneiders Bilder nackter Frauen, Männer, Jungen und Androgynen. Es fragt nach den gängigen Geschlechterstereotypen des frühen 20. Jahrhunderts und konfrontiert sie mit zeitgenössischen Kunstwerken, die einen neuen Kontext für die Darstellungen Sascha Schneiders bilden. Vor allem die Fotografien aus der Serie „Men are made to reproduce“ von Milena Schilling und Fiona Mentzel aus dem Jahr 2022 fordern die Betrachter*innen heraus, ihre Sehgewohnheiten zu überdenken.
Dank seiner herausragenden Fähigkeit zur Aktzeichnung, insbesondere männlicher Modelle, erhielt Sascha Schneider 1904 die Professur für Aktmalerei an der Großherzoglichen Kunsthochschule Weimar. Seine kühn kombinierten symbolistischen und religiösen Motive wurden nach 1900 durch athletische Figuren abgelöst. Sie spiegeln nicht nur seine Vorstellungen vom „neuen Menschen“, sondern sind auch Ausdruck seiner ästhetischen Vorstellungen und seiner Homosexualität. Schneider inszenierte den muskulösen männlichen und den androgyn-ätherischen Knabenkörper und damit Vorstellungen, die bis heute nachwirken.
Die seltenen Bilder von Frauen stilisierte er meist als gefährliche, verführerische „Femmes fatales“, die nur auf den ersten Blick feminin wirken und bei näherem Hinsehen ihre Ambivalenz offenbaren. So sind diese Akte nicht neutrale Körperdarstellungen, sondern implizieren zeittypische, aber bis heute wirksame Stereotype und Ideale von Natürlichkeit, Geschlechterrollen und Visionen eines „neuen Menschen“. Deutlich werden die Faszination des Künstlers für fluide Geschlechterzuschreibungen sowie seine Sympathie mit der Lebensreformbewegung um 1900, in der die Jugend eine zentrale Rolle spielte und die das Ideal des nackten naturverbundenen Körpers propagierte.
Die Ausstellung „Unheimlich schön. Geschlechterstereotype um 1900 bei Sascha Schneider“ läuft bis zum 7. Januar 2024 im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund. Der Eintritt ist frei. Texte von Studierenden des Seminars „Sascha Schneider – der Maler für Karl May“ der TU Dortmund sind in der Ausstellung über QR-Codes abrufbar. Außerdem werden Themenführungen und Gespräche vor Ort angeboten.
Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund
Hansastraße 3
D-44137 Dortmund
Telefon: +49 (0)231 – 50 255 22 |